Patienten am Lebensende begleiten - Palliativversorgung / Palliativmedizin

Eines vorweg, was leider zu oft vergessen wird - Ärzt*innen sind Menschen. Und dieser Hinweis geht an Patienten aber auch an die andere Seite an Ärzte - Wir brauchen in der Medizin nicht nur das Faktische, das Medizinische - sondern viel mehr das Menschliche und Empathische - und wieder möchte ich dies allen Seiten in Erinnerung rufen. Patienten und Ärzt*Innen - und an alle Sterbewilligen - Ärzt*Innen und andere Helfer sind nicht Erfüllungsgehilfen.

Nun aber zum Thema ...

Patienten am Lebensende brauchen Unterstützung, nicht nur medizinisch und pflegerisch. Palliativpatienten brauchen Unterstützung, nicht nur medizinische. Oft werden Ärzt*Innen und Pflegepersonen am Lebensende zum Vertrauten und Berater des Patienten und seiner Angehörigen. 

An zwei Dingen kommt niemand vorbei: an der Geburt und am Tod. Darum sollten wir auch das Sterben Teil unseres Lebens sein lassen (Das Sterben ... wie eine Geburt in die andere Richtung) und es als Teil einer jeglichen Existenz begreifen und verstehen.

Um Patienten optimal zu beraten und begleiten, muss man die Aufgabe und die Strukturen wie auch die rechtlichen Fragen der Palliativmedizin verstehen - und darum möchte ich mich bemühen.


Was bedeutet Palliativmedizin?

Palliativmedizin dient der Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugung und Linderung von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art. Im Kern steht ...

  • Verbesserung der Lebensqualität bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung (oft auch durch Personal und anderen Rahmenbedingungen ist dies on Top auch durch eine zeitlich definierbares natürliches Ende eingeschränkt - begrenzte Lebenserwartung - bzw die Aufnahme in eine Palliativversorgung)
  • Linderung von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen
  • Bietet psychologische Betreuung
  • Integriert religiöse und spirituelle Aspekte (nach Wunsch und Ausrichtung der Einrichtung oder ambulanten Betreung)

    Die Palliativmedizin
    • bejaht das Leben - und sieht den natürlichen Tod als Zielsetzung
    • fördert und forziert NICHT das Sterben
    • beabsichtigt weder die Beschleunigung aber auch nicht die Verzögerung des Todes
    Überdies bietet die Palliativmedizin in der Regel Unterstützung und Hilfe ...
    • den letzten Lebensabschnitt so aktiv wie möglich bis zum Tod zu gestalten
    • für Angehörigen während der Erkrankung des Patienten, Sterbephase und in der Trauerzeit
    Oft kommt die Palliativmedizin auch frühzeitig im Krankheitsverlauf zur Anwendung, auch in Verbindung mit anderen Therapien, die eine Lebensverlängerung zum Ziel haben, wie zum Beispiel Chemotherapie, um belastende Komplikationen besser zu verstehen und zu behandeln.


    Ich empfehle Ärzt*Innen wie Patienten und Angehörigen sich mit den aktuellen Informationen zu ...

    • Allgemeine Ambulante Palliativversorgung (Regelversorgung, sogenannte AAPV)
    • Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV)
    ... zu informieren. Rund 90 Prozent der Schwerstkranken und Sterbenden werden im Rahmen der AAPV durch Haus-, Kinder- oder sonstige Fachärzte sowie Pflegedienste betreut. Für gesetzlich versicherte Patienten besteht ein Rechtsanspruch auf palliative Versorgung nach dem Fünften Sozialgesetzbuch (§ 27 SGB V).
    Die SAPV kommt bei etwa zehn Prozent der Sterbenden zum Einsatz. Sie wird ärztlich verordnet und in der Regel von Palliative-Care-Teams erbracht. 
    Privatversicherte Patienten*Innen haben keinen gesetzlichen Anspruch auf Übernahme der SAPV-Behandlungskosten. Ein solcher Kostenübernahmeanspruch besteht nur für die im Basis- oder Standardtarif Versicherten, da dieser Tarif gemäß § 12 Versicherungsaufsichtsgesetz dem gesetzlichen Leistungskatalog des SGB V angeglichen ist. Eine Kostenerstattung privater Krankenversicherer findet daher bisweilen nur auf Kulanzbasis statt.

    Gerade bei dementen Patienten kommt es leider aber oft zu Problemen und einer Ablehnung der Kostenübernahme mit dem Argument, die (obengenannte) begrenzte Lebenserwartung sei nicht erkennbar. In solchen und ähnlichen Streitfällen können und müssen Ärzt*Innen ggf. in zusammenarbeit mit Kolleg*Innen ihre Patienten argumentativ unterstützen. Ein meist guter Ansatzpunkt kann hier der Aufwand beziehungsweise der Unterstützungsbedarf sein.

    Kostenübernahme und Problematik bei Off-Label Fällen

    Im Palliativbereich bereitet der Off-Label-Use immer wieder Schwierigkeiten. Grundsätzlich dürfen Arzneimittel im ambulanten Bereich außerhalb der Zulassung nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) angewendet werden Siehe hierzu auch mein Artikel zu Medikamenten in der Sterbehilfe.
    Voraussetzung und Möglichkeit der Verordnung von zugelassenen Medikamenten im Off-Label-Use  ist, dass eine lebensbedrohliche oder tödliche oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliegt, keine Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Bei der Kostenübernahme ergeben sich häufig Probleme, weil der Begriff „lebensbedrohlich“ eng im Sinne einer akuten Notstandslage ausgelegt wird und das Medikament den Verlauf der Erkrankung selbst positiv beeinflussen muss - hier kommen die Aspekte der indirekten Sterbehilfe die in Deutschland immer schon erlaubt war in den Dunstkreis.
    Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem sogenannten Nikolaus-Beschluss (06.12.2005) weitere Ausnahmen entwickelt. Hier wird vorausgesetzt, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, keine anderen Therapien zur Verfügung stehen und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann.

    Weitere Fragestellungen

    Ärzt*Innen die Patient*Innen am Lebensende begleiten, müssen sich immer wieder mit juristischen Fragestellungen auseinandersetzen. Etwa dann, wenn Patienten oder deren Angehörige von „Sterbehilfe“ sprechen.


    Formen der Sterbehilfe die in Deutschland erlaubt sind:

    • Beihilfe zur Selbsttötung - Die Beihilfe zur Selbsttötung, auch assistierte Selbsttötung betitelt, oder auch Suizidbeihilfe und assistierter Suizid genannt, ist das Beschaffen und/oder Bereitstellen der Mittel für einen Sterbewilligen.
    • Indirekte Sterbehilfe - Die indirekte Sterbehilfe wiederum bezeichnet einen Fall, in dem Medikamente verabreicht werden, die zur Linderung von Leiden führen sollen wie Schmerzen oder Angst, aber gleichzeitig einen vorzeitigen Tod bewirken können. Ein Beispiel für diese Form ist die Verabreichung von Opium, welche in früheren Jahrhunderten durchgeführt wurde.
    • Passive Sterbehilfe - Die passive Sterbehilfe ist das Unterlassen oder Einstellen lebenserhaltender Maßnahmen im Falle einer Krankheit oder nach einem Unfall.
    Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland nicht erlaubt. Als aktive Sterbehilfe bezeichnet man die Tötung eines anderen Menschen bei der die Tatherrschaft / der finale zum Tod führende Akt nicht vom Patienten selber ausgeführt wird auch wenn dies auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin getan wird.

    Für den Arzt / Ärztin bleibt aber zu bedenken, dass ihm das Standesrecht je nach Bundesland (einige Bundesländern haben zum Glück bereits nach dem Urteil des BVerfG deren Standes angepasst und überarbeitet) einen assistierte Sterbehilfe problematisch macht. (Hier ein Link zum aktuellen Recht und des Landesärztekammern - bitte immer aktuell gegenprüfen da ich nicht jeden Artikel fortlaufend anpassen kann


    Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung

    Mit der Vorsorgevollmacht bevollmächtigt der Patient eine Vertrauensperson für bestimmte Bereiche, etwa gesundheitliche Angelegenheiten, für den Fall seiner Geschäfts- und/oder Einwilligungsunfähigkeit. Wird er dann tatsächlich geschäfts- und/oder einwilligungsunfähig, kann der Bevollmächtigte Behandlungsverträge abschließen und eine eventuelle Patientenverfügung durchsetzen oder an Stelle des Patienten nach Maßgabe seiner geäußerten Wünsche oder seines mutmaßlichen Willens über Behandlungen entscheiden. Eine solche Vollmacht muss schriftlich erteilt werden. Sie kann auch durch einen Notar beurkundet werden. Das ist aber nicht zwingend. Der Patient kann die Vollmacht jederzeit, auch mündlich, widerrufen.

    Mit der Vorsorgevollmacht bestimmt der Patient selbst einen Vertreter, dieser kann bei Einwilligungsunfähigkeit sofort tätig werden. Im Falle einer Betreuungsverfügung bestellt das Gericht einen Betreuer und prüft dabei auch, ob der Vorschlag noch dem aktuellen Willen des Patienten entspricht. So oder so erfordert beides ein gefestigtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Patienten und dem Bevollmächtigten oder Betreuer.




    Artikel in diesem Kontext über Pflege, Pflegesituation und Würde am Lebensende



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