Patientenverfügung - Sterbehilfe und Triage Entscheidungen in der Patientenverfügung aufnehmen

Nur wenige  Themen beschäftigen die Gesellschaft und Politik so sehr wie die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Sterbehilfe. Viele Menschen wollen vorsorgen. Ich habe schon viel über Vollmachten, Patientenverfügungen und auch Psychiatrische Patientenverfügung ergänzend zur Patientenverfügung geschrieben.

Sterbehilfe umfasst zunächst den Behandlungsabbruch, also das Unterlassen, Beenden oder Begrenzen lebenserhaltender Maßnahmen. Liegt kein reiner Behandlungsabbruch vor, kann es sich um direkte Sterbehilfe, also eine gezielte Lebensverkürzung, oder indirekte Sterbehilfe handeln. Bei indirekter Sterbehilfe ist die Lebensverkürzung eine „Nebenwirkung“.  Artikel: Sterbehilfe was ist erlaubt? 

Mit Urteil vom 26.03.2020 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG als Ausdruck persönlicher Autonomie auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, mit ein. Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen. 


Möglichkeiten für die Patientenverfügung

Kann die betreffende Person die Tötungshandlung nicht mehr selbstständig vornehmen, könnte zwar eine partielle Verfassungswidrigkeit des § 216 StGB vorliegen. Das BVerfG hat hierüber jedoch noch nicht entschieden. Bisher liegen auch keine Gesetzesvorschläge zur Änderung des § 216 StGB vor. Sollte es jedoch zu einer Änderung des § 216 StGB angelehnt an oben beschriebene Formulierungsmöglichkeit kommen, ist der Sterbewille des Betroffenen eindeutig festzustellen.

Dieser Sterbewille könnte bereits jetzt vorsorglich in einer Patientenverfügung festgehalten werden. Ich habe es bereits in meiner Patientenverfügung getan.
Wichtig ist, dass wie in jeder Patientenverfügung klar, unmissverständlich und konkret sind - Konkrete Anweisungen für Wirksamkeit entscheidet

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Jahr 2016 entschieden, dass pauschale Formulierungen wie "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" nicht ausreichen.
Die Ausführungen in der Patientenverfügung sollten möglichst konkrete Anweisungen zu den gewünschten Themen wie künstliche Ernährung, künstliche Beatmung, Schmerzbehandlung, Wiederbelebung, Organspende sowie zu weiteren medizinischen Fragen enthalten und es sollte crystal clear sein, dass dies um so mehr für die Sterbehilfe gilt.
Um die eigenen Wünsche nachvollziehbarer zu machen, sollte jeder ein paar zusätzliche Zeilen zu seiner persönlichen Situation aufschreiben.


Basissätze und Textbausteine für Anweisungen zur Sterbehilfe könnten sein ...

  • Wenn ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde
  • oder im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden  Krankheit,
  • oder für den Fall direkter Gehirnschädigung zum Beispiel durch Unfall
  • oder wenn es unabwendbar is, ich nicht wieder vollumfänglich genesen kann

wünsche ich dass ...

  • ... eine künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr begonnen oder weitergeführt wird, damit mein Leben verlängert wird.
  • ... eine künstliche Ernährung und/oder eine künstliche Flüssigkeitszufuhr nur bei palliativmedizinischer Indikation zur Beschwerdelinderung erfolgen.
  • ... keine künstliche Ernährung unabhängig von der Form der künstlichen Zuführung der Nahrung (z. B. Magensonde durch Mund, Nase oder Bauchdecke, venöse Zugänge) und keine künstliche Flüssigkeitszufuhr erfolgen.
  • ... mir Sterbehilfe in erlaubter Form zuteil werden läßt
    • ... wenn es mir noch möglich ist, dass ich eigenständig eine Infusion starten kann - einer Infusion und einer ausreichenden Dosierung eines Medikamente für die Sterbehilfe wie zum Beispiel Thiopental (8g)  oder vergleichbar um mein risiko- und schmerzfreies Sterben zu ermöglichen. (Assistierte Sterbehilfe)
    • ... wenn es mir nicht mehr selber möglich ist wünsche ich, wenn rechtlich möglich, nach § 216 StGB eine aktive Sterbehilfe.

Es könnte das Problem entstehen, dass der Gesetzgeber in einer zukünftigen Regelung nur ein bestimmtes Medikament oder eine bestimmte Methode für die Sterbehilfe zulässt - darum habe ich in meiner Patientenverfügung zwar ein Medikament genannt, weil ich mit dem bei Sterbehilfefällen die allerbeste Erfahrung gemacht habe "Thiopental (8g)  oder vergleichbar" aber ich habe den Zusatz '"oder vergleichbar" für oben genannten Änderungsfall.

Es ist zu empfehlen, dass jeder für seine Person und seine Überzeugung in seine Patientenverfügung (angelehnt an den Behandlungsabbruch die in allen Vorlagen für Patientenverfügung zu finden sind) Fallgruppen bestimmt, in denen er eine passive, indirekte, assistierte oder auch aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchte. 


Man kann auch ergänzend eine Triage Entscheidungen in der Patientenverfügung aufnehmen

Daran anknüpfend stellt sich die Frage, ob man in seiner Patientenverfügung den behandelnden Ärzten die Triage-Entscheidung abnehmen und zu Gunsten eines Dritten einen Verzicht erklären kann. Ein solcher Selbstverzicht ist im Sinne der Privatautonomie möglich.

Bestimmungen für den Fall einer Triage:

Sollte es zum – von zwei voneinander in jeglicher Hinsicht unabhängiger Ärztinnen oder Ärzten bestätigen – Fall einer Triage oder Allokation medizinischer Ressourcen im Falle eines Kapazitätsmangels kommen, so weise ich alle mich behandelnden Ärztinnen oder Ärzte an, einem Menschen mit Behinderung mir gegenüber ohne Rücksicht auf alle anderen ärztlichen Kriterien den absoluten Vorrang zu gewähren.

Ich verzichte bereits jetzt endgültig und ausdrücklich zugunsten eines Menschen mit Behinderung auf eine intensivmedizinische Behandlung im Falle der Triage oder Allokation medizinischer Ressourcen im Falle eines Kapazitätsmangels.


Abschließend empfehle ich eine Salvatorische Klausel ...

Sollten einzelne der vorstehenden Anordnungen gegenwärtig oder aber zukünftig rechtsunwirksam sein oder werden oder ich als undurchführbar erweisen, so sollen alle übrigen Anordnungen gleichwohl wirksam bleiben. Weiterhin wünsche ich, dass in einem solchen Fall die undurchführbare oder unwirksame Anordnung durch eine Anordnung ersetzt wird, die wirksam und durchführbar ist und dem Sinn und Zweck der rechtsunwirksamen oder undurchführbaren Anordnung möglichst nachkommt. Entsprechendes soll gelten, falls vorstehenden Anordnungen ergänzungsbedürftige Lücken aufweisen. Dies gilt insbesondere von dem Hintergrund einer zu erwartenden gesetzlichen Regelung in diesem Bereich aufgrund des Beschlusses des BVerfG vom 28.12.2022 (1 BvR 1541/20).


Ich habe all diese Empfehlungen nach besten Wissen und Gewissen zusammen gestellt.



Comments

  1. Kommentare, Ideen, Feedback sind willkommen, wenn ich auch keine veröffentliche, lesen tue ich diese immer. Danke für Dein / Euer Verständnis.

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