Sterben und Tod sollte und darf keine Tabus mehr sein.
Ich denke es gibt wohl wenige Dinge die so persönlich sind wie das Sterben - aber es gibt kein Ereignis welches so Endgültig und ultimativ ist. Wenn es aber um die Umstände des Sterbens gehen wird diese persönliche Angelegenheit recht rasch eine öffentliche und gesellschaftliche Angelegenheit.
Dass das Thema des Sterbens immer mehr in die Gesellschaft und gesellschaftlich diskutiert wird liegt auch an der schnelleren Alterung der Gesellschaft - dies lässt die Anzahl derer, die dem Sterben nahe sind, steigen. Der medizinische Fortschritt wiederum lässt uns zwar länger leben - aber auch länger sterben. Davor haben die meisten Angst, machen sich Sorgen und Gedanken.
All dies und die Entscheidung und das Kippen des § 217 StGB durch das Deutsche Bundesverfassungsgerichts BVerfG im Februar 2020 bedürft und erzwingt neue Rahmenbedingungen des Sterbens neu zu bestimmen.
Dinge wie eine Vorsorgevollmachten bei einem Notar, Vollmachten bei Banken, aussagekräftige Patientenverfügungen und eine ergänzende Willenserklärung sind erst der Beginn einer selbstbestimmten Regelung an Stelle der Fremdbestimmung durch Ärzte, eine außenstehenden, unpersönlichen Medizinische Standardprozess und Medizinbetrieb. Das Medizinsystem soll andererseits das Sterben palliativ, also schmerzlindernd, erleichtern - einschließlich einer spirituell-psychotherapeutischen Begleitung - oder es durch Beihilfe zur Selbsttötung verkürzen.
Palliativmedizin
Meine Erfahrungen mit Palliativmediziner (ich hatte Telefonate und Schriftwechsel mit 73 Palliativmediziner) sind, wenn es zum Thema assistierte Sterbehilfe geht, am ehesten als herausfordernd bis erschreckend gewesen - die enttäuschenste Erfahrung die ich machte, war die mit einem Chefarzt aus Heidelberg und mit noch die beste mit einer Chefärztin in Karlsruhe die sich zu mindestens 'mal Gedanken machen lassen wollte und sich wieder melden wollte' - dass kein Rückruf erfolgte verwunderte mich nicht - aber dies ist auch kein Wunder, wenn man bedenkt wie das Selbstverständnis der Palliativmedizin ist.
Palliativmedizin zielt auf Erleichterung des Sterbens insbesondere durch Schmerzbekämpfung, aber auch durch Linderung von Atemnot oder Übelkeit. Wenn man auf einen Patienten orientierten Palliativmediziner trifft kann dies auch die sogenannte indirekte Sterbehilfe und oder auch einen Behandlungsabbruch / eine passive Sterbehilfe einschließen. „Indirekt“ bedeutet, man nimmt es in Kauf, dass eine schmerzlindernde oder bewusstseinsdämpfende Behandlung den Todeseintritt beschleunigt. Beim Behandlungsabbruch, einer passive Sterbehilfe, lässt die Palliativmedizin dem Sterben seinen Lauf, unterlässt also das, was als Lebensverlängerungsmaßnahmen bezeichnet wird.
Sterbehilfe
Da sowohl die indirekte und passive Sterbehilfe einen langes oft leidvollen Sterbeprozess für Sterbenden und auch die Angehörigen bedeutet - ist überfällig dass Regelungen für eine Beihilfe zur Selbsttötung, auch assistierter Suizid genannt erarbeitet wird. Bei der Beihilfe zur Selbsttötung bzw. beim assistierter Suizid stellt ein Angehöriger oder anderer Helfer einem Sterbewilligen das tödliche Medikament bereit, verabreicht es aber nicht. Die letzte zum Tod führende Handlung muß vom Sterbewilligen eigenständig erfolgen. Diese assistierte Selbsttötung war bis 2015 und ist nun wieder seit 2020 erlaubt.
Umfragen unter den Bürgern
Nachfolgend die Ergebnisse zweier Umfragen der internationalen Data & Analytics Group YouGov, für die 2.057 Personen zwischen dem 28. und 30. April 2021 sowie 2.058 Personen zwischen dem 5. und 7. April 2019 mittels standardisierter Online-Interviews befragt wurden. Die Ergebnisse sind gewichtet und repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.
Passive Sterbehilfe, wie oben beschrieben durch das Beenden und Abschaltung lebenserhaltender Maßnahmen wird von den meisten Deutschen mit 83 Prozent unterstützt. Hierbei hat die Befürwortung innerhalb der letzten 2 Jahre massiv zugenommen: In 2019 waren es noch 75 Prozent der Deutschen, die der Legalität der Passiven Sterbehilfe zugestimmt haben.
Die Zustimmung zur Passiven Sterbehilfe ist schon enorm, aber auch die Befürwortung und Unterstützung für die nun wieder straffreie Assistierte Sterbehilfe nimmt zu. Während 2019 69 Prozent der Befragten angaben, den straffreien „assistierten Suizid“ zu befürworten, waren es 2 Jahre später - im letzten Jahr, in 2021 sechs Prozentpunkte mehr und betrug nun 75 Prozent für die Assistierte Sterbehilfe.
Umfragen unter Ärzten
Da bei der "assistierte Suizid" ein Mediziner einem todkranken Patienten bei der Beschaffung des tödlich wirkenden Mittels behilflich sein muss wird dieses selbstredend intensiv unter Ärzten diskutiert und abgewogen.
Eine Umfrage mit dem Titel "Praxis der Sterbehilfe durch Ärzte und Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern" durch den emeritierten / im Ruhestand befindlichen Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie der Universität Witten/Herdecke ergab diese Umfrage folgendes.
Dass über die Hälfte der Ärzte sowie mehr als ein Drittel der Pflegenden berichteten demnach im Zeitraum der letzten 2 Jahre vor der Befragung von passiver oder indirekter Sterbehilfe, die unbeabsichtigt das Leben verkürzt habe. Diese Art der Sterbehilfe macht in der Befragung mehr als 90 Prozent der berichteten Fälle aus. Aktive Sterbehilfe hatten der Studie zufolge 84 Ärzte und 65 Pflegende in den letzten zwei Jahren ausgeführt. Wichtig in diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass in den Benelux-Staaten auch aktive Sterbehilfe erlaubt ist, in Deutschland nicht. Hier ist die Mehrheit der Ärzteschaft sehr deutlich und lehnt eine aktive Sterbehilfe ab wie die Umfrage widerspiegelte. Aber über die Hälfte der Pflegenden berichteten, dass sie in mindestens einem konkreten Fall der Auffassung gewesen seien, dass aktive Sterbehilfe „um jemanden von seinem Leid zu erlösen“ sinnvoll gewesen wäre. Nur ein Viertel der Ärzte kam laut Beine zu dieser Haltung.
Ich habe oben ja bereits die Palliativmedizin in deren Definition und Selbstverständnis erläutert - ich musste jedoch bei wirklich allen niedergelassen und vielen in Kliniken tätigen Ärzten lernen müssen, dass diese Ärzte von der Palliativmedizin ein falsches Verständnis haben. Viele Ärzte sehen die Palliativmedizin als Alternative zur Sterbehilfe, andere eher als Vorstufe, da die Palliativtherapie „indirekt“ in Sterbehilfe übergehen kann. Gelegentlich ist auch zu hören, vertrauensvolle Palliativbehandlung könne in den assistierten Suizid münden. Bei der Allensbach-Umfrage im Jahr 2010 sprachen sich etwa 80 Prozent der Ärzte für den Ausbau der Palliativmedizin aus, aber knapp 20 Prozent glauben, dass die Kapazitäten ausreichen.
Was ich mir von Ärzten aber auch von Politikern wünschen würde
Man sollten ihre Patienten und Sterbewillige ganzheitlich sehen, wahrnehmen und die psychische und spirituelle Bedürfnisse mit einzuschließen.Was sehe ich als spirituelle Bedürfnisse an:
- das Bedürfnis nach kognitiver Aktivität
- das Bedürfnis zur Entwickelung und Selbstverwirklichung
- das Bedürfnis eines Lebensziele
- das Bedürfnis selbst definierter Würde und Werte
- das Bedürfnis nach Genuss und Vergnügen.
Die Hauptprobleme, die eine Person daran hindern, spirituelle Bedürfnisse zu erfüllen, sind Unzufriedenheit mit geringeren Bedürfnissen psychische und körperliche Krankheit. Weil Leben ist mehr als existieren.
Diese Beachtung und Achtung der spirituelle Bedürfnisse eines Menschen - bedeutet für mich, dass Ärzten, ihre sterbens- oder chronisch kranken Patienten auf spirituelle Fragen anzusprechen sollten oder besser müssen. Auch wenn Patienten zwar zunächst überrascht sind, wenn der Arzt darauf zu sprechen kommt, aber ich bin mir überaus sicher dass die Patienten dankbar wären - und der Arzt später dann auch mit gutem Gewissen und Wissen den Wunsch auf ein Lebensende begleiten kann oder könnte.
Ich bin mir bewusst, dass Ärzte auf solche einen Spiritual Care nicht vorbereitet sind, sollten sich aber darauf aber einstellen. Hier sehe ich auch die Ärztekammern gefragte um deren Ärzteschaft mit Fortbildungen und Information zu Seite zu stehen, Im klinischen Bereich werde die spirituelle Bedürfnisse und Seite einer Krankheit zumeist ausgeblendet, weil sie scheinbar nicht in den Zuständigkeitsbereich des medizinischen Systems gehöre. Wie oben beschrieben mit Spiritual Care ist keineswegs religions- oder gar konfessionell gemeint oder gebunden.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2020 zur Sterbehilfe war richtig und überfällig.
Seid dem warten wir nun schon seit fast 2 Jahren auf die Ausgestaltung durch Gesetzgeber und Ärztekammer(n).
Die Freiheit, eine Beihilfe zum Suizid in Anspruch zu nehmen ein Sterben in Würde zu bekommen, erfordere eine konsistente und konsequente Ausgestaltung in Gesetzen und auch des Berufsrechts der Ärzte und der Apotheker, überdies sehe ich es als notwendig an auch eine Anpassungen des Betäubungsmittelrechts vorzunehmen.
Der Gesetzgeber und die Bundesärztekammer und auch den Landesärztekammern sollten nach nun fast 2 Jahren handeln und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden.
ES WIRD ZEIT!
Weitere Links auf dem Deutsches Ärzteblatt
Ärzte diskutieren Neuregelung der Sterbehilfe (aerzteblatt.de)
Onkologen sehen Regelungsbedarf beim ärztlich assistierten Suizid (aerzteblatt.de)
Regelungen und Gesetze
Regelungen zur Sterbehilfe - Gesetzesentwürfe verschiedener Parteien
Recht auf selbstbestimmtes Sterben in Deutschland
Mein Verständnis zur Sterbehilfe
Wer darf Sterbehilfe beanspruchen?
Bis wohin reicht mein Leben, und wo beginnt die Nacht
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