Ein Brief - Brief einer Frau die in Würde gehen möchte

In aller erster Linie teile ich über meinen Blog Hilfe, Unterstützung, aber ich denke hier und da ist es wichtig den Betroffenen eine Stimme zu geben.

Vor eineinhalb Jahren durfte ich die Geschichte einer Sterbebegleitung veröffentlichen und nun diesen Brief.
Ohne lange Vorworte und ohne eine Schlusswort, nur weiterführenden Informationen zu im Brief genannten Aspekten der Brief einer Frau, die in Würde gehen möchte.

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Sehr geehrter Herr Maassen,

Ich bin eine 49-jährige Frau und leide an zwei der schmerzhaftesten Krebsarten, die man sich vorstellen kann. Ich habe Rippenfellkrebs, der sich an der Lungenschleimhaut festsetzt und unvorstellbare Schmerzen verursacht. Vor drei Wochen erhielt ich die Nachricht, dass sich der Krebs auf meine Rippe ausgebreitet hat, sodass ich nun auch an Knochenkrebs erkrankt bin.

Bevor bei mir 2015 Lungenkrebs diagnostiziert wurde, war ich Ballettlehrerin und eine sehr aktive, gesellige Person. Ich musste zwei große Operationen an meiner linken Lunge und dem Brustfell über mich ergehen lassen. Bei der zweiten Operation wurden zwei Teile der Rippen entfernt, um einen Tumor zu entfernen, was mir quälende Schmerzen bereitete. In den letzten Jahren wurde mir zweimal Entwarnung gegeben, aber der Krebs ist zurückgekehrt. Anfang 2020 wurde mir mitgeteilt, dass der Krebs unheilbar sei und ich ohne Behandlung wahrscheinlich nur noch maximal zwei Jahre zu leben hätte.

Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt von einer Dosis Schmerzmittel zur nächsten lebe. Eine Strahlentherapie zur Schmerzlinderung hatte nur begrenzten Erfolg. Meine Lebensqualität ist gleich null und mein Gesundheitszustand wird sich nicht verbessern. Ich lebe nicht nur mit den Schmerzen, sondern wache auch jeden Tag mit Angst vor der qualvollen Zukunft auf, die mich erwartet.

Ich habe mich über Dignitas informiert, aber das Verfahren ist anspruchsvoll, zeitaufwändig und würde eine Menge Energie erfordern, die ich nicht habe. Ich habe niemanden, der mir beim Papierkram helfen könnte, und in jedem Fall würden sie riskieren, wegen ihrer Hilfe strafrechtlich verfolgt zu werden. Ich kann mir die Kosten auch nicht leisten – ich bin eine alleinstehende Frau, die derzeit von einer Erwerbsunfähigkeitsrente lebt. Derzeit kann ich ohne Hilfe gehen, oft nur noch mit Stöcken oder Rollator, aber ich fürchte, dass mir diese schreckliche Krankheit dies irgendwann nehmen könnte.

Ich möchte sterben, wenn ich es möchte, zu Hause, im Kreise meiner Lieben. Ich möchte mich keinem langwierigen und qualvollen Tod stellen. Ich kann das einfach nicht ertragen. Ich möchte nicht mit Medikamenten und Schläuchen vollgestopft und so sediert werden, dass ich kaum noch bei Bewusstsein bin. Meine einzige Option ist am Ende Selbstmord, aber ich habe schreckliche Angst davor, was passieren könnte, wenn der Versuch schiefgeht. Warum sollte ich mich auch noch mit dieser Angst auseinandersetzen müssen? Das alles ist so unmenschlich.

Diejenigen, die sich einem Gesetz oder Regelung widersetzen, wie zum Beispiel die religiösen Gruppen, die der Meinung sind, dass es nicht Gottes Wille ist, mir diese Wahl zu lassen, sind ganz offensichtlich nicht in der wenig beneidenswerten Lage, jeden Tag unerträgliche Schmerzen zu erleiden. Ich versichere Ihnen, wenn sie in meinem Körper lebten, würden sie ihre Meinung blitzschnell ändern. Sie haben nicht das Recht, diese Regeln zu machen. Sie können diese Urteile nicht fällen, ohne in der Haut eines Menschen gesteckt zu haben, der jeden Tag qualvolle Schmerzen erleidet.

Ich bin ein spiritueller Mensch und ich weiß, dass viele gläubige Menschen das genauso empfinden. Erzbischof Tutu war sehr eindeutig, dass es richtig und gerecht ist, Menschen am Ende ihres Lebens die Möglichkeit zu geben, sich für Sterbehilfe zu entscheiden. Ich möchte einen schönen Tod, nach meinen eigenen Vorstellungen – ich glaube, das würde meinen Glauben ehren und einer höheren Macht Respekt zollen.

Ich finde eine Palliativversorgung als eine gute und richtige Option. Für mich kommt diese nicht in Frage wegen der Unabsehbarkeit der Dauer und des Verlaufs meiner Erkrankungen. Wer wie ich keine Palliativversorgung will oder bekommen kann, ich will mich auch nicht einem Pflegeheim oder in Zukunft einem Hospiz ausliefern, ich und Andere brauchen die Sterbehilfe als zusätzliche Option.

Ich bin dankbar, dass Sie bereit sind, mich anzuhören. Dankbar für Ihre Arbeit, auf deren Grundlage Debatten und Öffentlichkeit geschaffen werden, Beweise und Belege des Willen von Vielen, mein Wille öffentlich wird. Ein Teil dieser Beweise sollten die Erfahrungen von Menschen wie mir sein.
Ich erlaube Ihnen, meinen Brief zu veröffentlichen, um eine Änderung zu unterstützen, die sich so viele Menschen in meiner Lage so sehr wünschen.
Ich fürchte, ich werde die Hilfe bald brauchen.

Mit freundlichen Grüßen,

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In diesem Kontext:

Das Leben bis zuletzt in Würde leben – Sterben in Würde

Sterbehilfe - Was ist erlaubt?

Zahlen und Fakten zur Sterbehilfe - Diagnosen und Gründe - 2021-2024

Hilfe finden - Verschiedene Artikel und Guidelines

Meine Serie - Questions and Answers Q&A


Da in dem Brief´ Desmond Tutu erwähnte wurde - hier Zitate von ihm:

Desmond Tutu - Emeritierter Erzbischof von Kapstadt und Friedensnobelpreisträger:

"Ich hatte das Glück, mein Leben damit zu verbringen, für die Würde der Lebenden zu arbeiten. Nun möchte ich mich der Frage der Würde des Sterbenden widmen."

"Ich verehre die Heiligkeit des Lebens – aber nicht um jeden Preis. Ich bestätige, dass ich nicht möchte, dass mein Leben verlängert wird. Ich kann sehen, dass ich wahrscheinlich dem Argument der Lebensqualität zuneige, während andere sich mit Palliativmedizin wohler fühlen. Ja, ich denke, viele Leute wären verärgert, wenn ich sagen würde, dass ich Sterbehilfe wünsche. Ich würde sagen, eigentlich hätte ich nichts dagegen."

"Wir brauchen einen Bewusstseinswandel in unseren Gesellschaften. Wir müssen nachdenken. Wir müssen hinterfragen. Was ist Leben? Und ist der Tod nicht ein Teil des Lebens – ein natürlicher Teil des Lebens?"


Und ein Artikel welches ich zu  Desmond Tutu schrieb:
We should give dying people the right to leave this world with dignity - Desmond Tutu

Nutzen Sie gerne die Option ihres Internet Browsers zur Übersetzung - in der Regel sind diese wirklich gut!




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