Wer darf Sterbehilfe beanspruchen?

Meine Antwort wäre zunächst einmal Jede und Jeder. Und damit jede Person dies tun kann, geht es um die rechtliche Absicherung vom Gesetzgeber für die verschiedenen Formen der Sterbehilfe und um Absicherung der Ärzte durch die Ärztekammer und alle Landesärztekammern. Absicherung für alle direkt oder indirekt Beteiligten um dann Personen die auf Grund eines unheilbaren und oder unerträglichen Lebenssituation und Leidens über ihren eigenen Tod bestimmen wollen. Und damit auch dieser letzte große Akt eines Menschen auch menschwürdig ablaufen kann sind die Personen auf Hilfe angewiesen um sich sich das Leben nehmen zu können. Die diese Absicherungen brauchen.


Über was reden wir wenn wir über Sterbehilfe sprechen ...

  • Aktive Sterbehilfe - Als aktive Sterbehilfe bezeichnet man die Tötung eines anderen Menschen auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin.
  • Assistierte Sterbehilfe - Die Beihilfe zur Selbsttötung, auch assistierte Selbsttötung betitelt, oder auch Suizidbeihilfe und assistierter Suizid genannt, ist das Beschaffen und/oder Bereitstellen der Mittel für einen Sterbewilligen.
  • Indirekte Sterbehilfe - Die indirekte Sterbehilfe wiederum bezeichnet einen Fall, in dem Medikamente verabreicht werden, die zur Linderung von Leiden führen sollen wie Schmerzen oder Angst, aber gleichzeitig einen vorzeitigen Tod bewirken können. Ein Beispiel für diese Form ist die Verabreichung von Opium, welche in früheren Jahrhunderten durchgeführt wurde.
  • Passive Sterbehilfe - Die passive Sterbehilfe ist das Unterlassen oder Einstellen lebenserhaltender Maßnahmen im Falle einer Krankheit oder nach einem Unfall.

Gegner der Sterbehilfe nennen häufig drei Argumente die da sind ...

  • Dass es denkbar wäre, dass Angehörige einen schwerstkranken Menschen als Belastung empfinden (Mühen der Pflege, finanzielle Lasten) und aus diesem Grund eine Sterbehilfe in Erwägung gezogen und auch angeraten wird.
  • Und auch oft hört man das Argument der psychischen Belastung der "helfenden" Personen, und deren extrem schwierige Entscheidung, und späteren Sorgen, Zweifel vor, während der Sterbehilfe selber und auch im Nachgang, die Tage, Wochen und oft Jahre nach der Sterbehilfe.
  • Oft wird ins Feld geführt, dass chronisch depressiven Personen auf diesem Weg ermöglicht werden würde einen Suizidwunsch umzusetzen zu können.

Als Befürworter sind ein Auswahl meiner Argumente ...

  • Jeder hat das Recht auf Verweigerung ärztlicher oder psychologischer Behandlung, selbst wenn diese Aussicht auf Erfolg haben.
  • Trotz moderner medizinischer Methoden ist es in vielen Fällen nicht möglich, die großen, größtem bis hin zu unerträglichen Schmerzen der Leidenden bis zum Eintritt des Todes zu lindern, sodass diesen Menschen das Leben zur Qual wird.
  • Der aller größte Teil der Menschen empfinden und müssen große Scham, wenn sie bei intimsten Bedürfnissen auf die Hilfe anderer angewiesen sind, täglich mehrfach ertragen. Sie verlieren Würde und ihre Selbstachtung durch diese große empfundenen Peinlichkeiten.
  • Ein Suizidwunsch oder -entschluß ist nicht Krankhaft - es ist zunächst eine natürliche Option des Lebens.


Jetzt möchte ich auf die oben genannten Argumente eingehen ...
Das in Deutschland, Österreich und anderen Ländern vorgeschriebene Gespräch welches die Beweggründe des Sterbewilligen dokumentieren soll und muss geht sowohl auf die Argumente der Gegner und Befürworter ein und klärt diese Punkte in dem die Person Stellung nehmen muss ob der Sterbewillige …

  • wohlerwogen und freiverantwortlich handelt .
  • Über alle medizinischen Angebote (z. B. Psychiatrie, Palliativmedizin, Intensivierung der Pflege, etc.) aufgeklärt ist und diese bedacht hat und für sich ausschließt.
  • frei von krankhafter Störung den Entschluss zum Suizid gefasst haben hat.
  • frei von nötigenden Einflüssen den Entschluss zum Suizid gefasst hat.
  • den Entschluss zum Suizid ernstlich und nachhaltig gefasst hat und für eine längere Dauer schon hat und bestenfalls dieses auch kommuniziert und dokumentiert hat.
Das Argument zur psychischen Belastung der helfenden Personen ist ernst zu nehmen. Aber diese gibt es schon in jeder Hospiz - und Palliativstation ob stationär oder ambulant gibt es jegliche Form der Vorsorge, Vorbereitung, Unterstützung während der Handlungen und in logischer Konsequenz auch Supervision und Betreuungen.



Ich schrieb am Anfang, dass ich eine Sterbehilfe für jede und jeden sehe und zugestehen würde.

Ich habe diesen Konjunktive sehr bewusst in den letzten Satz gesetzt - weil ich an meiner Haltung bei Personen mit psychischen Störungen wanke und zweifele - ABER letztlich bin ich der Meinung dass die Urteilsfähigkeit hinsichtlich des eigenen  Sterbewunsches  bei  Menschen mit  psychischen  Störungen ist  nicht generell verneinbar. Deshalb denke ich, sollte Suizidbeihilfe bei Menschen mit psychischen Störungen nicht generell untersagt werden - in diesen Fällen müssen die ärztlichen Documentation zu den oben genannten ein zwei ebenen tiefer gehen.

Die  Urteilsfähigkeit, wie auch die Fähigkeit in einer konkreten Lebenssituation „vernunftgemäß“ handeln zu können, als auch die Tragweite des eigenen Handelns begreifen zu können und fähig ist, sich entsprechend dieser Einsicht zu verhalten. ist  eine  notwendige Voraussetzung der straflosen Suizidbeihilfe, auch bei Menschen mit psychischen Störungen. Und ja und nochmals ja dies ist aufwändiger und schwieriger bei Personen mit psychischen Störungen - aber muss möglich sein - wenn auch diese Beurteilung der Problematik Suizid  und  Suizidbeihilfe  bei  Menschen mit psychischen Störungen herausfordernder sein werden, da wichtige Elemente wie die Konstanz  des  Sterbewunsches  oder die objektive Prognose eines suizidalen Zustandes darin zu wenig berücksichtigt werden.
Psychische  Störungen  gehen  oftmals  mit  Sterbewünschen einher dies ist auch außerhalb der Fachärztlichen Kreise bekannt.  

Die  meisten  dieser Störungen  sind  prognostisch  günstig und  sprechen  auf adäquate  Therapie gut an. Deshalb ist in diesen Fällen der Sterbewunsch in erster Linie als Ausdruck der psychischen Störung zu interpretieren und zu behandeln. Aber  auch  bei  Menschen  mit  psychischen  Störungen  können  autonome, dauerhafte und wohlerwogene Suizidwünsche  vorkommen.  Und ich glaube dies können oder wollen sich die o.g. Fachärztlichen Kreise all zu oft nicht vorstellen.
Deshalb ist in Fällen, bei welchen ein Mensch wegen  einer  psychischen  Störung  um Suizidbeihilfe ersucht, ein psychiatrisches Gutachten  angeraten.  Diese ist auch erforderlich, um  im  Falle einer  Suizidbeihilfe den  rezeptierenden Arzt vor straf-, zivil- und gesundheitsrechtlichen wie auch Standesrechtliche  Konsequenzen  zu schützen.


Resultat meiner Überlegungen

Als Resultat meiner Überlegungen ergibt sich die Notwendigkeit, Behandlungsmaßnahmen so zu bestimmen und zu begrenzen, dass das Leben und der Sterbeprozess nicht gegen den Willen des Sterbenden verlängert wird. 

Und in dieser Logik und Konsequenz beinhaltet unter Umständen dies auch den Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen und die Priorität der Schmerztherapie. Wodurch dann der Todeseintritt zum direkten Ziel der Handlung und der Unterlassung wird.

Dies kann als ein Punkt angesehen werden wo passive, indirekte, assistierte und auch aktive Sterbehilfe in einander sich überlappen oder verschmelzen - je nach Sicht- und Betrachtungsweise.

Dann ist der Arzt als Sterbehelfer ist nicht nur Instrument dieses Willens, sondern sein Handeln ist selbst ursächlich für den Todeseintritt; er nimmt den Tod nicht in Kauf als Folge von Krankheit oder des Versuchs der Schmerzlinderung. Damit kommt ihm die Verantwortung zu die Echtheit, Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit des Sterbeverlangens zu beurteilen. 


Angesichts dieser Überlegungen glaube ich zu tiefst, dass der Gesetzgeber gut beraten wäre und ist, zwischen aktiv Gewolltem und passiv Hingenommenen, direkt Erstrebtem und in Kauf Genommenen, zwischen bloßer Unterstützung und eigenem Tun gut abgewogen zu unterscheiden oder in der Summe zu erlauben und damit auch die aktive Sterbehilfe. Und dadurch die Grundlage für die Anwendung des Prinzips der Selbstbestimmung und des Prinzips der Verantwortung zu bereiten. 


Und wenn wir nun uns die ganz ehrliche die Frage stellen: 

Wie stellt sich die Suizidbeihilfe im Vergleich zur aktiven Sterbehilfe dar?  

Insbesondere wenn sie an völlig immobile Menschen denken die die nicht mehr fähig sind die letzte zum Tode führende Handlung - und sei es die geringste Hand-, Fingerbewegung noch ausführen zu können.

Was ist der Unterschied für den Arzt, was für die Betroffenen, was für die Angehörigen und was für die Gesellschaft? 

Hier wird auch künftig ein Blick auf die Dokumentation der Entwicklungen in den Niederlanden nützlich sein, wo beide Sterbehilfe-Praktiken rechtlich gleichbehandelt werden. 


Ja auch hier bin ich mir selber unsicher ...

weil ich bei allem, eben gesagten / geschrieben eine wesentliche Unterscheidungen aus ethischer Sicht mache und dies mir wichtig ist. Insbesondere für den Arzt und alle Helfenden.

Die Etablierung eines umfassenden Systems der Palliativmedizin, der Hospizbetreuung und von Orten humaner Sterbebegleitung einerseits - sowie die politische, rechtliche, sowie verfahrensmäßige Klärung und institutionelle Sicherung eines Rechtes auf aktive Sterbehilfe oder der Suizidbeihilfe andererseits - sind Antworten auf dieselbe Situation und Herausforderung - des würdevollen Lebens. würdevolles Sterben und den Tod.


In diesem Context relevante Artikel:

Recht auf selbstbestimmtes Sterben in Deutschland - Stand Dezember 2021

Regelungen zur Sterbehilfe - Gesetzesentwürfe verschiedener Parteien - Stand September 2021

Gedanken zur Sterbehilfe und zur aktiven Sterbehilfe

Kritische Betrachtung des neuen Sterbehilfegesetz in Österreich ab 2022







Comments

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