Leben, Sterben und Tod - Medizinischer und ethischer Umgang mit Sterbenden und Sterbewilligen
Ärzte, unterschiedlich je nach Fachbereich, Pflegekräfte, Pflegende Angehörigen, und selbstredend leidende und schwersterkrankte Menschen haben um so mehr und um so intensiver mit schwierige Grenzsituationen und Entscheidungen zu tun - wenn es um Leben, Sterben und Tod geht.
Allgemeingültige Regeln oder Richtlinien können nicht aufgestellt werden - wenn auch Regeln und Gesetze zur Rechtssicherheit unterstützen.
Jeder Patient muss in seiner gesamten Individualität, seiner sozialen Situation, seinen Wertvorstellungen und seiner Lebensgeschichte verstanden und gesehen werden.
Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten ist bzw, sollte es grundsätzlich sein, unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten, das Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden beim Sterben und bis zum Tod beizustehen.
Diese Aufgabe und Verpflichtung hat seine Grenzen - die Grenze der Menschlichkeit und Wertschätzung und der eigenen Persönlichkeit und Wert- und Würdevorstellungen des betroffenen Menschen. Jeder Arzt kennt und kann Situationen nennen, in denen sonst angemessene Diagnostik- und Therapieverfahren nicht nur nicht indiziert sind, sondern eine Begrenzung oder Beendigung einer Behandlung die gebotene ärztliche Maßnahme ist. Ärztliches, rettungsdienstliche und pflegerisches Handeln ist auf Lindern und Heilen ausgerichtet - aber es darf nicht nur und ausschließlich darauf ausgerichtet sein und nur auf das 'Mögliche' als die einzige Leitlinie - weil dieses Handeln scheitert am Sterben und macht Blind dafür - nicht wahr haben wollen und ausblenden - führt zum Scheitern. Ärztliches Handeln, das den Tod einbezieht, sieht den Menschen und kann Menschen helfen. Eine reine Existenz- und Lebensverlängerung kann nicht das Ziel sein - da es ein lebenswertes und individuelles Dasein und Leben ausblendet.
Alexis Carrel (französischer Chirurg - Nobelpreis für Medizin und Physiologie 1912) sagte den wahren Satz: „Es kommt nicht darauf an, dem Leben mehr Jahre zu geben, sondern den Jahren mehr Leben zu geben.“
Medizinischer und ethischer Ziel ist die Selbständigkeit, Selbstwahrnehmung des Patienten, mit einer Lebensqualität die Patienten und der / die Betroffene zu beurteilen hat - und nicht Dritte Personen.
Schaut man, denkt man die großen, apparativ gut ausgerüsteten, und Medikamentösen Optionen kann die Ärztin / der Arzt oft gewollt oder getrieben durch Erwartungen von vielen Seiten, da wäre das eigene Berufliche Umfeld, aber auch Angehörigen leicht der Versuchung erliegen, das gesamte Repertoire der möglichen Diagnostik und Therapie einzusetzen, einer übertriebenen und oft menschlich unbegründeten illusionären Möglichkeits- und Fortschritts-Wunder-Gläubigkeit zu verfallen und den ärztlichen Auftrages zu vergessen - Menschlichkeit.
Dies gibt mir Gelegenheit nochmals auf den Eid des Hippokrates (oder Hippokratischer Eid, auch Schwur des Hippokrates) und das Genfer Gelöbnis zu verweisen. Bei dem Ärzt*innen bei der Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand geloben deren Wissen und Tätigkeit in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen, sowie mit Gewissenhaftigkeit und Würde auszuüben.
Im Wandel der Zeit, müssen Mediziner*innen schon lange nicht mehr den Hippokrates ablegen. Als Deklaration von Genf hat der Hippokratische Eid jedoch einen modernen Nachfolger erhalten. Der kurze aber bedeutende Halbsatz "Ich verspreche, die Autonomie und Würde meines Patienten zu respektieren." , macht stellvertretend gut das gewandelte ärztliche Selbstverständnis deutlich. Während der / die Patient*in im Hippokratischen Eid eine rein passive Rolle eingenommen hat, ist der Patientenwille in der modernsten Version, dem Genfer Gelöbnis, des Ärztegelöbnisses eine feste Größe - Menschlichkeit und Würde.
In Deutschland werden heute weder der Hippokratische Eid noch seine moderne Version, das Genfer Gelöbnis, nach der Approbation verpflichtend geleistet. In vielen Ländern ist es Teil der ärztlichen Berufsordnung, in manchen hat es sogar Gesetzescharakter. In Deutschland ist das Genfer Gelöbnis Bestandteil der Berufsordnungen der Ärzte.
Es ist unzweifelhaft, dass Entscheidung, etwas nicht zu tun, sehr viel schwerer auszuhalten ist als der Entschluss, noch das Letztmögliche zu versuchen.
Als Grundlage einer Entscheidung, einer Therapie, muss in jedem Einzelfall der Mensch gesehen werden, dessen Wünsche, dessen Werte und Verständnis von Würde - und was für den Betroffenen, und nicht dessen Angehörigen, oder das eigene Wertesystem, was wichtiger ist, dem Leben mehr Zeit und ein längeres Existieren zu geben oder doch eher dem Leben mehr Leben, Qualität, Freude und dann doch weniger Momente aber dafür bessere und freudvollere. Nutzen und Risiko von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen müssen in jedem Einzelfall sorgfältig abgewogen werden. Eine Pflicht zur Maximaltherapie in Lebens- und Grenzsituationen gibt es nicht und mehr noch sie ist auch ethisch oft unvernünftig.
Diese Fragen stellen sich vor allem bei Patienten, deren Sterbevorgang unwiderrufbar und unaufhaltsam begonnen hat, wenn diese Menschen individuell, schlüssig begründen weshalb keine Freude mehr sie länger leben wollen, das physisches oder auch psychisches Leiden allgegenwärtig ist und ein Begleiter wie ein Schatten.
Dann sollten wir als Gesellschaft, Ärzte, Pflegekräfte und Angehörige – uns zu der Erkenntnis durchringen, dass hier der Heilauftrag des Arztes endet und die Menschlichkeit über das medizinisch Möglich obsiegt.
Die Entscheidung „Sterben“ muss besprochen werden, damit sich jeder wirklich bewusst machen kann und werden kann, was sie denken und fühlen. Dieses fordert ein offenes Gespräch unter allen Beteiligten.
Das neue Behandlungsziel, das Ziel der Sterbebegleitung ob passiv, assistiert oder indirekt (siehe auch Ärztliche Unterstützung bei Sterbehilfe) ... heißt dann: Empathie für den Patienten, den Sterbenden, den Sterbewilligen zu haben, ihm das Sterben so erträglich wie möglich zu machen. Sterben in Würde ermöglichen.
Die Anforderungen an die Sterbebegleitung sind hoch, erfordern höchste Empathie- Herz, Hand und Kopf - Menschliche Zuwendung, würdige Körperpflege, Schmerzlinderung, Symptomkontrolle - Leiden ist subjektiv und kann nur vom Leidenden selbst beurteilt werden. Ärzte, Pflegekräfte und Angehörigen können deshalb nicht entscheiden, ob etwas erträglich oder unerträglich ist.
Zur Begleitung des Sterbenden gehört auch die Begleitung der Angehörigen über den Tod hinaus - Trauer und Beisetzung.
Abschließend mein Appell an alle reden Sie mehr über Sterben und Tod - und kümmern sie sich frühzeitig um Vollmachten und Patientenverfügung und weiterführende Dokumente wie man selber über Sterben und Tod denkt und in Grenzsituationen behandelt werden möchte.
Und nun wünsche jedem der einen Suizid begehen will Hilfe, Hoffnung und Lebenssinn zu finden. Und jedem der einen Freitod wünscht Hilfe, Frieden und würdig gehen zu können.
Und nun zum Todestag meiner Frau ein Zitat von ihr:
» Mein Leben ist abgelebt - ich hatte soviel - Ich hatte ein Leben – ich habe jetzt kein Leben mehr, weil ich meine Bedürfnisse nicht mehr selbstbestimmt ausleben und leben kann. Ich will nicht mehr abhängig sein, will nicht in einem Pflegeheim betreut werden und den Verfall meines Körpers weiter erleiden. Ich will dieses Leben endlich beenden, will in Würde sterben! «
RiP wir sehen uns auf der anderen Seite 🤍
Kommentare sind willkommen, wenn auch ich keine veröffentlichen werde. Ich lese diese und antworte bei Bedarf und Möglichkeit. Danke für Ihr Verständnis.
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