Antonymie - Freitod + Suizid

Wir sollten auf unsere Worte achten, denn sie werden Gedanken, Verständnis und Wahrnehmung. 

Worte spiegeln wider, was man fühlt und denkt und ebenso in dem Moment, in dem Menschen etwas sagen, gestalten, bilden sie bereits unweigerlich Gefühle beim Leser und Zuhörer.


Worte und Sprache hat Einfluss auf  Weltbild und Emotionen

Als Designer weiß ich, und eigentlich wissen wir alle, Worte und Gefühle sind in uns, sind im Gehirn miteinander verbunden - verbunden mit anderen Worten, verbunden mit Bildern, verbunden mit Emotionen. Jedes Mal, wenn wir eine emotionale Erfahrung machen, sind auch die neuronalen Regionen beteiligt, die die Semantik von Wörtern verarbeiten und vice versa.

Dies ist mir nochmals in meiner Mental Heath Ausbildung sehr klar geworden. Wenn es um Trauer geht sind feinste Nuancen so wichtig und entscheidend - wenn es um Leben, Sterben und den Tod geht, wen würde es wundern, ebenso. Und darum tut es mir wirklich weh, wenn wieder und wieder von Suizidhilfe oder gar unspezifisch und irreführend von "aktiver Sterbehilfe" gesprochen und geschrieben wird - immer und immer wieder in Beiträge selbst von Juristen, Politikern und Personen die von sich sagen, sich mit den Thema und den Themen seit Jahren zu befassen - das kann ich kaum fassen.

Wenn Laien die Worte Sterbehilfe und Aktive Sterbehilfe synonym verwenden schmerzt mich dies - aber ich kann drüber hinwegsehen - nach einer kurzen Erläuterung und Klarstellung.
Aber wenn Fachleute, oder Personen die sich mit dem Begriffe, Worten, Bedeutungen und Inhalten beschäftigt haben, ebenso diese vertauschen, begriffsfern und inhaltsfern verwenden, kann dies nur bedacht und mit Absicht geschehen.
Ich kann dabei nur von einem  Beeinflussung, einer 'in eine bestimmte Richtung drängen' ausgehen - dass ideologisch, und oder politisch indoktriniert werden soll - und damit die Indoktrination im Vordergrund steht, bei deren Wortwahl.


Antonymie  -  Suizid und Freitod

Da sich verschiedene Arten von Antonymie unterscheiden - will ich betonen, dass ich hier auf die Inkompatibilität und konverse Relation von Suizid zu einem Freitod eingehe.

Schon vor einiger Zeit habe ich semantisch und wortgeschichtlich die Deutung von Suizid und Freitod dargelegt. Und das man diese Begriffe nicht vertauschen sollte. Und das man diese Worte nicht analog und synonym verwenden kann und darf. Suizid und Freitod sind antonyme Wörter mit grundsätzlich gegensätzlicher Bedeutung (Inkompatibel und konverse Relation). 

Die lateinische Bezeichnung "Suizid" (Suicid = Tötung seiner / selbst  =  sui „seiner [selbst]“ und caedere „töten, morden“)  hat nun einmal seine begriffliche Nähe zur Suizidalität. Suizidalität der psychischen Zustand, in dem Gedanken, Phantasien, Impulse und Handlungen anhaltend, wiederholt oder in krisenhaften Zuspitzungen darauf ausgerichtet sind, durch den eigenen Tod sich dem Leben zu entziehen / zu fliehen.

Ein Freitod ist eine andere Gedankenwelt und Weltbild, sowie Wahrnehmung des Leben und Sterben. Die Bezeichnung Freitod steht dafür, dass sich ein Mensch im Bewusstsein seines Geistes, Wohlerwogenheit und selbstbestimmt ableben will - Beendigung des eigenen Lebens, welche unter vollstem Bewusstsein und durch den eigenen, freien Willen vollzogen wird / werden soll. 

Im Zusammenhang mit einem Freitod würde man Formulierungen wie "sich das Leben nehmen" oder "Hand an sich legen" nutzen. "nehmen" und "legen" symbolisieren zwei von Würde und Respekt getragene Vorgänge.
Im Vergleich zum Suizid bei dem man von "morden", "töten" oder ähnliche mit Gewalt verbundene Verben findet. 


Philosophie

Meines Wissens gründet sich das Wort "Freitod" auf das philosophische Werk "Also sprach Zarathustra" (1884) von Friedrich Nietzsche. Darin heißt es: "Meinen Tod lobe ich euch, den freien Tod, der mir kommt, weil ich will."  und  "Den freien Tod predige ich Euch, der nicht heranschleicht wie Euer grinsender Tod, sondern der da kommt, weil ich es will." 

Berühmte Stoiker sagten in verschiedenen Kontexten, dass ein gutes Leben sei nicht unbedingt ein langes Leben (ich habe erst im Alter erfahren, dass ich, in Unkenntnis der Bedeutungen die Stoizismus, ein Stoiker bin). Wer unter Krankheit und Schmerzen leide, Armut, Hunger oder die Herrschaft eines Tyrannen ertragen müsse, solle lieber freiwillig aus dem Leben scheiden, lehrten die Stoiker. Sidenote: Eine Denkweise die ich nicht so stehen lassen kann, ohne zu sagen, diese gilt nicht für alle Stoiker, und so auch nicht für mich. Aber wir sollten akzeptieren, dass andere Menschen so denken mögen und handeln wollen, ob man dabei dann helfen will, ist ebenso eine andere Frage. Auch hier gilt was das Bundesverfassungsgericht sagte jeder ist frei im Helfen oder nicht.

Sein Leben zu einem Ende führen zu wollen, weil lebenswerte Aspekte nicht mehr bemerkbar sind, weil der Würdeverlust unerträglich ist, die negative Seite des Lebens stärker wiegt als die positive, oder weil man sein Leben als abgelebt erlebt, sind Fragen und Aussagen, die kommen wenn man sich tief und intensiv sich mit sich selber beschäftigt, als Mensch, seine Umstände und die Welt betreffend.
Sidenote: In der Soziologie nennt man das oft ein "Bilanz-Selbstmord" ein Ausdruck dem ich nur sehr sehr schwer folgen kann und auch in keiner Weise unterstützen - aber nennen will ich ihn einzig aus dem Grund der Vollständigkeit halber.


Problematik der Debatten - und von welchem Geist sind manche Worte und Argumente getragen?

Die Debatten insbesondere im Bundestag zeichnen sich durch viel benutzte polemische Schlagworte und Sprüche aus. Etwa: "Menschen sollen an der Hand, nicht durch die Hand eines anderen Menschen sterben" oder "Sterbehilfe soll nicht zum Normalfall werden". Wortspiele und Behauptungen sind aber keine oder meist schlechte oder durchsichtige Argumente.
Zudem passen sie nicht zum Thema: Bei einem begleiteten Sterbehilfe stirbt niemand durch die Hand eines anderen, sondern stets durch die eigene.

Die Debatten und insbesondere die Redebeiträge im Bundestag zeigen leider überdeutlich, dass immer noch nicht wahrgenommen wurde oder nachvollzogen wurde was das Bundesverfassungsgericht unzweifelhaft deutlich gemacht hat, und dass die höchste menschenrechtliche Instanz in Europa, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, für jeden Menschen, der entscheidungsfähig und in der Lage ist, seinen Willen frei zu bilden und danach zu handeln, das Recht auf Sterben ausdrücklich bestätigt hat.

Und was bei so vielen beim Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 nicht verstanden wird ist, dass ‚nur‘ verlangt wird, was in Deutschland mindestens seit 1871* zulässig ist, die Beihilfe zum Sterben, zu einem Freitod, und dass dieser von Ärzte und oder damit erfahrenen Organisationen gesichert stattfinden kann und nicht eingeschränkt wird. (*Mit dem Gesetz zur Strafbarkeit der Sterbehilfe., gelabelt als geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, im §217 in den Jahren 2015 bis 2020, wurde erstmals seit der Einführung einer einheitlichen Strafrechtsordnung in Deutschland im Jahre 1871 die Teilnahme an der Selbsttötung einer eigenverantwortlich handelnden Person in einem wesentlichen Teilbereich unter Strafe gestellt.)

Die Debatten sind oft stark eingeengt. Sie thematisiert vorwiegend Fragen wie:

  • Soll "organisierte" Sterbehilfe verboten werden?
  • Und: Sollen Ärzte bei einem selbst gewählten vorzeitigen Lebensende Hilfe leisten dürfen?
  • Und fragen, was religiöse Glaubens-Statuten dazu sagen.

Die Debatte fragt oder beleuchten nicht nach dem wirtschaftlichen Interesse von Pharma-Industrie und Krankenhäusern an deren rein monetären Interessen der Weiterexistenz von leidenden, schwerstkranker Menschen sowie an gescheiterten Suizidversuchen. Mir ist dies zuwider, daran denken zu müssen, dass es genau das gibt. Und Banken die hohe Renditen bei Anlageformen im Gesundheitswesen und Pflegeinstitutionen versprechen, die nur das Leid der Betroffenen und er Mitarbeiterschaft möglich sind.

Krankenhäuser und die entsprechenden Pharmafirmen verdienen ausgesprochen gut an der Betreuung terminal Erkrankter in deren letztem Lebensjahr.  In einer ehrlichen Debatte müsste dieser Aspekt zumindest thematisiert werden



Schlussgedanke

Ich denke für alle Helfer, wie auch mir, wenn ich um Hilfe angefragt werde, denke ich ist es Konsens, dass die / der Sterbewillige über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte informiert ist. Ich bin mir nicht ganz sicher ob dafür der Titel, das Wording, wie Aufklärung oder Beratung treffend und gut beschreibend ist (wie es im Gesetzentwurf von Frau Helling-Plahr und Frau Künast tituliert war).

Es geht doch um eine bestmögliche Begleitung und Unterstützung am Lebensende nach den Wünschen des / der Betroffenen - dafür setzt sich die Hospiz- und Palliativversorgung ein. Aber aus den hier und anderen Stellen in meinem Blog genannten Gründen und Denkansätzen, gibt es Menschen die dies nicht wollen und ihr Recht auf Selbstbestimmung für das Leben und für das eigene Sterben ausüben wollen.

Und ich denke, dass Einigkeit besteht darüber, dass eine psychische Erkrankung das Recht auf Hilfe beim Sterbehilfe nicht grundsätzlich ausschließt und Einrichtungen wie Pflegeheime transparent machen sollten, wie sie mit Sterbewünschen umgehen, bevor jemand dort seine Pflege sucht und hoffentlich findet.



Hier finden man Hilfe in einer suizidalen Krise

In Deutschland existiert eine Vielzahl verschiedener Hilfsangebote, an die sich Betroffene wenden können. Neben den Angeboten von lokalen Einrichtungen hier ein paar Rufnummern.

Telefonseelsorge, bundeseinheitliche Nummern

http://www.telefonseelsorge.de/

Tel. 0800 -111 0 111 Evang.

Tel. 0800 -111 0 222 Kath.

Tel. 116 123

Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche

https://www.nummergegenkummer.de/

Tel. 116 111

Nummer gegen Kummer für Eltern

https://www.nummergegenkummer.de/

Tel. 0800 - 111 0 550


Nationale Kontakt- und Informationsstelle (NAKOS) zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen

https://www.nakos.de/

Tel. 030 - 31 01 89 60





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