Palliativmedizin, Hospiz und Sterbehilfe nicht gegeneinander ausspielen

Palliativmedizin und Hospizangebote sind ein Segen - und beide Angebote haben große Fortschritte vollbracht und werden es weiterhin tun. Ob stationär oder ambulant, vor Ort bei den Leidenden, beide Angebote setzt da ein und an, wo die kurative, heilende Medizin deren Grenzen erreicht, nicht mehr weiterhelfen kann. 
Aber leider ist es so, dass auch die Palliativmedizin an ihre Grenzen stößt und dass dann der Leidensdruck so groß wird, dass in wenigen Fällen – es sind nicht sehr viele, aber in wenigen Fällen – Menschen das nicht mehr aushalten können - überdies gibt es die Fälle die nicht für Palliative Versorgung nicht in Frage kommen und auch die Limits der Kapazitäten, sei es, ob überhaupt Kapazitäten vorhanden sind oder auch die Dauer, in der ein Patient ein Angebot bekommen kann, nicht gedeckt werden kann. Selbiges gilt für die Hospiz. 

Ich glaube zutiefst, dass die Debatte und Reflektion über die schwierigsten Phasen im Leben, schwere Lebensschicksale und das Lebensende einen Wert an sich hat, einen Wert beim Menschsein, als Individuum, als Einzelner in der Gemeinschaft und für die Gemeinschaft und Gesellschaft, weil wir nämlich damit einen tabuisierten Bereich des menschlichen Lebens, das menschliche Sterben aus dem Schweigen herausholen, weil wir dann darüber sprechen, was geschehen muss, zum Beispiel mit unserem System in der Medizin, bei den Ärzten, dass ein Arzt, ein Hausarzt oder eine Hausärztin, die bereit sind, einen Sterbenden zuhause mehrfach zu besuchen, ihn wirklich zu begleiten, ihm Sicherheit und Ruhe zu geben, dass das auch im System der Ärzte und Pflege sich wiederfindet, dass die Palliativversorgung und Hospizangebote nicht nur Leuchttürme hat in verschiedenen Bereichen, wo sie gut funktioniert, sondern dass sie flächendeckend angeboten wird, dass wir miteinander darüber sprechen, dass die Begleitung eines Sterbenden mit die wichtigste menschliche Zuwendung überhaupt ist, und eine wenn nicht die wichtigste Form der würdevollen Zuwendung. 

Deswegen empfinde ich es als so immanent und so wichtig, dass wir als Gesellschaft Palliativmedizin, Hospizpflege und Sterbehilfe nicht gegeneinander ausspielen, sondern dass wir sagen, wir müssen alles tun, Menschen so respektvoll und würdevoll begleiten, dass Betroffene auch zu einem Lebensende noch ganz positiv Ja sagen können und wollen - und dass das Ja zum Leben gestärkt wird.
Aber jeder, die Gesellschaft, und religiöse Vertreter müssen auch anerkennen, dass es Situationen gibt, wo Menschen das dann nicht mehr können, und hier betone ich 'können', und da dürfen wir diesen Menschen, diesen individuellen Menschen, mit persönlichen Lebens- und Leidensgeschichten nicht irgendeine Moral Dritter vorschreiben, sondern da müssen wir diese Menschen Mensch sein lassen, Individuum sein lassen, und selbst entscheiden lassen. 
Und die Wege einer Sterbehilfe die wir in Deutschland und anderen Ländern haben ebnen.


Hier nochmals das Zitat / Worte des Präsident des Bundesverfassungsgerichts ...

"Wir mögen seinen Entschluss (von Sterbewilligen) bedauern, wir dürfen alles versuchen, ihn umzustimmen, wir müssen seine freie Entscheidung aber in letzter Konsequenz akzeptieren". So beendete der Präsident des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Februar 2020 seine Erklärung zur Nichtigerklärung von § 217 Strafgesetzbuch (StGB)

Das Strafrecht schütz Helfer, Sterbebegleiter und Ärzte schon ausreichend, wenn man sich an die bewährten Prozedere orientiert, jedoch die Ärzte, finden in deren Berufsrecht der Ärztekammern unterschiedliche Regelungen. Ärzte überlegen, ob sie ihre Approbation verlieren könnten. 

Im Mai 2021 hat die Bundesärztekammer in ihrer (Muster-)Berufsordnung im § 16 den dritten Satz  "Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten" gestrichen. Dieser Änderung sind alle Landesärztekammern in ihren Berufsordnungen mittlerweile gefolgt. Jedoch ist dieser §16  der Landesärztekammern, in allen Formulierungen auslegbar, vage oder auch sehr vage formuliert, sodass Unsicherheiten bei Ärzten existiert und aufkommen muss - da diese Passagen von juristischen Fachleuten formuliert wurden - kann ich nicht umhin darin eine Intention zu erkennen. 


Unsicherheit für Ärzte und Ärztinnen

Diese Unsicherheit für Ärzte geht zu Lasten der Patienten. Nach dem Strafrecht ist Ärzten die Beihilfe zu einem selbstverantworteten, wohlerwogenen Sterben erlaubt. Das ist eine Unsicherheit für Ärzte, die muss man den Ärzten und Ärztinnen nehmen. Sie werden zwar nicht vom Strafrecht bedroht, aber von ihrem Standesrecht und dann kann es sein, dass es den Beistand, der von ihnen erwartet wird und den sie nach ihrer eigenen Gewissensentscheidung auch geben können und wollen, nicht gibt. Deswegen wäre mein Vorschlag und Überlegung die Arbeit an nicht zielführenden Gesetzentwürfen sein zu lassen und eine zivilrechtliche Grundlage zu schaffen, die die Gewissensfreiheit für Ärzte praktisch auf eine gute Grundlage stellt und die Patienten und Ärzten hier Rechtssicherheit gibt. Wenn dies ergänzt wird durch eine unmissverständliche Regelung in den Berufsordnungen der Ärztekammern, einer Optimierung des Betäubungsmittelgesetz, und klare Regelungen und Fortbildungen für Exekutive in Deutschland (Staatsanwaltschaft, Polizei und Kriminalpolizei) wäre sehr viel oder alles erreicht um Menschen die Wege eines würdigen Sterbens zu gehen oder mit allen offenen Wegen sich für eine Palliative- oder Hospizpflege zu entscheiden.

Nochmals, als Hintergrund zu diesen Überlegungen, es ist so, dass die Ärzte und Ärztinnen, mit denen ich sprechen konnte, sagen, dass ihnen Sicherheit wichtig ist und sie diese nicht haben - und die Gesetzentwürfe aus der Abgeordnetengruppe um Prof. Dr. Lars Castellucci, Ansgar Heveling, Dr. Kirsten Kappert Gonther, Petra Pau, Stephan Pilsinger, Benjamin Strasser, Kathrin Vogler, Katrin Göring-Eckardt, Hermann Gröhe, Hubertus Heil (Peine), Mechthild Heil, Julia Klöckner, Michelle Müntefering, Dr. Rolf Mützenich, und Cem Özdemir,  Claudia Roth (Augsburg), Jens Spahn und weiterer Abgeordneten, welcher das Urteil aus Karlsruhe im Prinzip außer Acht ließ und völlig untauglich und noch weiter Verunsichernd war / ist.
Nahezu ebenso verunsichernd wäre der Gesetzentwurf der Abgeordneten um Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD), Petra Sitte (Linke), Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) und Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen). 

Ärzte und Ärztinnen wollen gar nicht in die Situation kommen, dass sie in einen Prozess hineinkommen könnten, wer will so etwas auch schon, dass die Staatsanwaltschaft gegen einen ermittelt. Zumal es das schon gegeben hat. Es ist zwar so, dass die Gerichte zu aller meist dann den Ärzten recht gegeben haben, aber ein Arzt will gar nicht in so ein Prozessrisiko reingeraten. Das finde ich auch von der Gesellschaft richtig, das können wir nicht auf fremde Schultern abladen. 

Es ist ja so, dass auch einige Repräsentanten der Kirchen dann sagen, was ich einerseits sehr tröstlich finde, es gibt Extremsituationen, gut, die sind halt jenseits des Gesetzes, dann muss der Arzt gucken, ob er das mit seinem Gewissen verantworten kann - oder man hört auf die Worte von Desmond Tutu.

Aber ich will auch die rechtlichen Folgen für jeden Helfer und Ärzt*innen wirklich überschaubar machen und ich will Rechtssicherheit sehen und jedem Helfer geben, und ich finde, das sind wir unserer  Gesellschaft und allen Helfern, Sterbehelfern und Ärzt*innen schuldig, gerade solchen, die mit schwerstkranken und sterbenden Menschen arbeiten, die sie begleiten, die ihnen versuchen zu helfen, die das Ja zum Leben stärken, dass sie auch das Ja der Politik bekommen, dass sie einen rechtssicheren Grund für ihre Gewissensentscheidung haben.


Keine Grauzone, aber auch kein To-Go für Sterbewillige...

Sterbehilfe und auch die Begleitung und Hilfe zum Freitod waren in Deutschland seit der Reichsgründung (1871) stets erlaubt und straffrei, ausser in den Jahren von 2015 bis 2020. 2015 erwirkten Sterbehilfe-Gegner, zum Teil die Abgeordneten die auch nun den oben genannten restriktiven Antrag  einbringen, ein Sterbehilfe-Verbotsgesetz den § 217 StGB. Dieses, dem Grundgesetz widersprechende Gesetz, wurde im Februar 2020 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt.

Entgegen einer weit verbreiteten Lesart enthält die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Verpflichtung oder Anweisung für den Bundestag und den Gesetzgeber, ein Regulierungsgesetz für oder um die Sterbehilfe zu verfassen. Es hat lediglich oder vielmehr dem Bundestag und dem  Gesetzgeber die Option dazu benannt. Wie ich in meiner Analyse zur Rechtslage darlege, besteht auch keine Veranlassung zur Schaffung eines regulierenden Gesetz zur Sterbehilfe - da ...

  • alle Strafrechtlichen Missbräuche abgedeckt sind
  • klare und eindeutige Regelungen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Gewährung einer Freitodbegleitung durch das Bundesverfassungsgericht genannt und festgelegt wurden

Klarer als in dieser Festlegung könnte keine neue gesetzliche Regelung die Voraussetzungen für die Gewährung einer Sterbehilfe, der Hilfe und Unterstützung einer wohlerwogenen Begleitung bei einem Freitod bestimmt werden können.

Es gibt folglich keine „Grauzone“ sondern eine existente klare Regelung wie Ärzte und Sterbehilfevereine helfen können - und hier betone wie ich es in einem der ersten Abschnitte tat - hier betone ich 'können' Ärzte und Sterbehilfevereine helfen. 
Jeder der Helfenden Ärzte und Sterbehilfevereinen, und deren Sterbebegleiter muss sich zu 100% sicher sein und je nach Sterbewilligen, der Situation, das dieser gewünschte ein dauerhaft, stabiler, wohlerwogener, alle Alternativen für ein Leben und optionale Behandlung abgewogene und unumstößliche Entscheidung ist aus dem Leben zu scheiden. 
Darum braucht dies Selbstreflektion, oft Wartezeiten um dann auch Hilfe und Organisation zu einem würdevollen Weg zu finden.




Comments

  1. Hinterlassen Sie Ihre Kommentare - ich lese diese - wenn ich auch keine publiziere.

    ReplyDelete

Post a Comment

Popular posts from this blog

Sterbehilfe bei psychisch kranker Studentin - Berlin 2024

Sterbehilfe - Organisation, Hilfe finden, Kosten

Medikament - Freitod

Leid heißt nicht nur Schmerz - Gedanken zum Freitod

Wie werden in wenigen Tagen die Abgeordneten über die Sterbehilfe abstimmen?