Arztgespräch zur Sterbehilfe
Dieser kann Bedenkzeit erbitten, depressive Phasen ausschließen, vor allem die Schmerztherapie verbessern und als Ultima Ratio kann sie oder er die Sterbehilfe anbieten.
Bei Befolgung der nachfolgenden Hinweise muss der Arzt*in keine juristischen Konsequenzen befürchten müssen.
Frage der Medikamentation
Zwar haben Bundesverwaltungsgericht bis hin zum Bundesverfassungsgericht entschieden, dass unheilbar Kranken ein Betäubungsmittel nicht verwehrt werden dürfe, das "eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht" aber einen Anspruch auf Natrium-Pentobarbital gibt es nicht. Ist auch nicht notwenidig da es alternativen gibt die sicher und zuverlässig sind.
Natrium-Pentobarbital gehört aber zu jenen Betäubungsmitteln, deren Erwerb ohne ärztliche Verschreibung und behördliche Erlaubnis verboten ist. Das BfArM kann eine Erlaubnis zum Erwerb solcher Medikamente erteilen, wenn dies nicht dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zuwiderläuft
Dementsprechend lehnte das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bisher alle Anträge für eine solche Maßnahme ab. ( siehe auch Medikamente für den Freitod )
Wichtig - Aktive Sterbehilfe ist und bleibt verboten
Aktive Sterbehilfe bleibt auch nach der heutigen Rechtsprechung in Deutschland weiterhin verboten und kann als "Tötung auf Verlangen" bestraft werden. Hierunter fällt z.B. eine Todesspritze, aber auch eine nicht indizierte „Wunschsedierung", in der der Patient an Flüssigkeitsmangel verstirbt.
Wenn dies auf Wunsch des Patienten geschieht, ist dies nach § 216 des Strafgesetzbuches als Tötung auf Verlangen strafbar.
Eine palliative Sedierung, in der der Patient letztlich an Flüssigkeitsmangel verstirbt ist ohne Strafbarkeitsrisiko nur möglich, wenn es eine entsprechende Indikation gibt, also entweder nur damit zu lindernde körperliche Leiden oder auch die Feststellung eines „unerträglichen seelischen Leidens" als Indikation vorliegen. Dies muss sich dann klar aus der Dokumentation als ärztlicherseits festgestellte Indikation ergeben.
Sterbehilfe
Die Beihilfe zum Sterbehilfe ist dagegen ein bewusstes, gewolltes Helfen bei einem Freitod, ohne die „letzte" Handlung selbst auszuführen. Diese führt der Sterbewillige selbst aus und dies führt ohne weiteres Zutun zum Tod (zum Beispiel das Trinken eines tödlichen Medikaments oder das Aufdrehen einer entsprechenden Infusion).
Die Abgrenzung zur strafbaren Tötung ist klar: führt diese letzte Handlung eine andere Person aus, macht sich diese der Tötung (auf Verlangen) schuldig.
Man kann sich das Leben nehmen bzw. den Tod geben durch Tun aber auch durch Unterlassen lebenswichtiger Verhaltensweisen. So wird z. B. beim Verzicht auf Essen und Trinken ebenso wie bei aktiver Sterbehilfe ein eigener, ggf. von einer bestehenden Erkrankung unabhängigen Kausalverlauf in Gang gesetzt, der zum vorzeitigen Tod führt. Rechtlich ist beides Selbsttötung. Nur verläuft die passive Sterbehilfe als langsamer Vorgang und verlangt eine Willenskonstanz des Sterbewillige.
Eine passive Selbsttötung sollte unbedingt palliativärztlich, pflegerisch oder seelsorgerisch begleitet werden, damit der Patient ebenso human sterben kann wie bei der ärztlich begleiteten Einstellung künstlicher Ernährung. (siehe hierzu auch den Artikel zum Sterbefasten - FVNF - Freiwillige Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit )
Nachdem das Bundesverfassungsgericht 26.2.2020 den 2015 eingeführten § 217 StGB für verfassungswidrig erklärt hat, ist die professionelle Beihilfe weder zum aktiven noch zur passiven Sterbehilfe strafbar, wenn folgende Voraussetzungen bei der Sterbewilligen erfüllt sind:
- Sie handelt wohlerwogen. Er muss über alle medizinischen Angebote (z. B. Psychiatrie, Palliativmedizin, Intensivierung der Pflege, etc.) aufgeklärt sein. Hier ist ein Gutachten notwendig - welches meist in einem oder zwei Gespräch-Sitzungen gut machbar ist. (Kosten: siehe hier Sterbehilfe - Organisation, Hilfe finden, Kosten)
- Die / der Sterbewillige muss frei von krankhafter Störung den Entschluss zum Freitod gefasst haben.
- Die / der Sterbewillige muss frei von nötigenden Einflüssen den Entschluss zum Freitod gefasst haben.
- Der Entschluss zum Freitod muss ernstlich und nachhaltig gefasst worden sein und für eine längere Dauer bestehen
Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, handelt der Sterbewillige freiverantwortlich und übt sein Grundrecht auf Sterbehilfe aus. Sprich dann darf ihm von Ärzt*innen und Helfern ohne Strafbarkeitsrisiko geholfen werden, solange die Vorgaben des ärztlichen Standards und des Betäubungsmittelrechts (das, siehe oben, aktuell den Einsatz von Natriumpentobarbital zur Sterbehilfe verbietet) eingehalten werden.
Wichtig! Verbindlich für einen Arzt ist die Berufsordnung der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Und der entsprechende Paragraph 16 ist in den Landesärztekammern nicht identisch und nicht immer eindeutig. (Siehe hier § 16 Beistand für Sterbende - in den 16 Landesärztekammern - unterschiedlich geregelt )
Nochmals den Hinweis
Wer aber einem handlungswilligen Sterbewilligen Hilfe leistet, der nicht freiverantwortlich, nicht wohlerwogen, nicht frei von krankhafter Störung oder nicht frei von Zwang von außen ist, war, ist und bleibt durch § 212 StGB mit bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht. Denn dies ist eine Tötung des Sterbewilligen in sogenannter „mittelbarer Täterschaft". Täter ist in juristischer Betrachtungsweise der Helfende zu einem Freitod, sog. „willenloses Werkzeug" die / der Sterbewillige, deshalb liegt keine Selbsttötung, sondern rechtlich eine Fremdtötung vor!
Garantenpflicht
Wichtig ist auch - nach dem Verlust der Handlungsfähigkeit ist z. B. ein Arzt oder Angehöriger in der Garantenpflicht. Diese umfasst aber nicht mehr die Pflicht zur Rettung des Lebens sondern die Pflicht zur Beachtung des Patientenwillens.
Um hier von vornherein der Gefahr zu begegnen, dass der Arzt, der die Sterbephase ab jetzt palliativ begleitet, wegen Tötung durch Unterlassen einer Rettung strafrechtlich verfolgt wird, ist es mehr als angeraten eine schriftlichen Modifizierung der Garantenpflicht zu haben. ( Siehe hierzu - Befreiung / Modifizierung der Garantenpflicht
Voraussetzung ist eben allein die Freiverantwortlichkeit des Patienten / Sterbewilligen. Sein Sterbewunsch darf nicht auf krankhafter Störung der Willensbildung beruhen. Deshalb raten wir beweissichernd durch kompetente ärztliche Bewertung (Hausarzt, ggf. aber nicht zwingend notwendig Facharzt für Psychiatrie) zu dokumentieren, dass der Sterbewillige sich nicht in einer Depression oder sonstigen krankhaften Störung, die seine freie Willensbildung ausschließt, befindet.
Werden diese Voraussetzungen beachtet, ist eine legale Begleitung eines freiverantwortlichen Sterbewunsch von den ersten Vorbereitungshandlungen über die eigentliche Tötungshandlung (die der Sterbewillige natürlich selbst vornehmen muss) bis zum Versterben strafrechtlich unbedenklich,
Zur Ergänzung hier noch die Leitsätze des Urteils des Bundesverfassungsgericht vom 26.2.2020 im Originalwortlaut:
- „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 11. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst als Ausdruckpersönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
- Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.
- Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.
- Auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, können Grundrechtebeeinträchtigen und müssen daher von Verfassungswegen hinreichend gerechtfertigt sein. Das in §217 Abs. 1 StGB strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung macht es3 Suizidwilligen faktisch unmöglich, die von ihnen gewählte, geschäftsmäßig angebotene Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen.
- Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ist am Maßstab strikter Verhältnismäßigkeit zu messen. Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass die Regelung der assistierten Selbsttötungsich in einem Spannungsfeld unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Schutzaspekte bewegt. Die Achtung vor dem grundlegenden, auch das eigene Lebensende umfassenden Selbstbestimmungsrechtdesjenigen, der sich in eigener Verantwortung dazu entscheidet, sein Leben selbst zu beenden, und hierfür Unterstützung sucht, tritt in Kollision zu der Pflicht des Staates, die Autonomie Suizidwilliger und darüber auch das hohe Rechtsgut Leben zu schützen. Der hohe Rang, den die Verfassung der Autonomie und dem Leben beimisst, ist grundsätzlich geeignet, deren effektiven präventiven Schutz auch mit Mitteln des Strafrechts zu rechtfertigen. Wenn die Rechtsordnung bestimmte, für die Autonomie gefährliche Formen der Suizidhilfe unter Strafe stellt, muss sie sicherstellen, dass trotz des Verbots im Einzelfall ein Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe real eröffnet bleibt. Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in § 217 Abs. 1 StGB verengt die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung in einem solchen Umfang, dass dem Einzelnen faktisch kein Raum zur Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlich geschützten Freiheit verbleibt.
- Niemand kann verpflichtet werden, Suizidhilfe zu leisten."
Abschließend für das Arztgespräch und für die Suche eines Arztes
Fast jeder zweite Arzt hält Sterbehilfe grundsätzlich für zulässig und kann sich in bestimmten Situationen vorstellen, persönlich Sterbebeihilfe zu leisten. Wie der geneigte Leser gelesen hat beruht die Erlaubnis und Möglichkeit der ärztlichen Hilfe darauf, dass kein Gesetz dagegen spricht oder der Arzt damit mit keinen rechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat - wenn sich alle Beteiligte an oben genannte Punkte hält.
Bedenken und Sorgen bleiben, und dies kann ich nachvollziehen. Und für Ärztinnen und Ärzte kann es bei jedem Umgang mit schwierigen Einzelfällen zu Dilemma-Situationen kommen - dafür muss der Patient Verständnis haben. Und um so dauerhafter, um so klarer und schlüssiger der Wunsch sei es zum Leben und wie leben, und um so mehr zum Sterben und dem wie sterben. (Siehe hierzu auch Hilfe zur Sterbebegleitung finden - Lebensbericht)
Wenn ihr Arzt / ihre Ärztin ihnen helfen will, aber rechtliche Sorgen hat, dann bieten sie dem Arzt an, bei einem Juristen der sich mit dem Ärzterecht und dem Strafrecht auskennt, eine oder zwei Konsultationsgespräche zu bezahlen - meiner Erfahrung nach nehmen dies die meisten Ärzte an und werden in den meisten Fällen danach für weitere Schritte / Hilfen bereit sein.
Schlussgedanke
Ich wünsche allen Kraft, intensive Überlegungen ob sie den Weg gehen wollen und rate an auch mit allen anderen Helfern, Freunden und Familie sich zu beraten.
Alles Gute!
Kommentare sind willkommen, ich lese nach Möglichkeit die Kommentare und beantworte wenn Bedarf besteht - veröffentlicht werden keine Kommentare.
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