Neuauflage eines § 217 StGB - Nicht Notwendig - Nicht Zielführend

Ich habe in den letzten Monaten häufig erläutert, dass ein wohlerwogener Freitod möglich ist. Das unsere Gesetze eine recht gute, wenn ich nahezu vollkommene gute rechtliche Basis bilden, wenn ...

  • das Betäubungsmittelgesetz optimiert wird,
  • zivilrechtliche Grundlage für Ärzt*innen geschaffen werden und von Ärztekammer un­miss­ver­ständ­lich Regelungen (siehe hierzu auch "Ärztliche Unterstützung bei Sterbehilfe"). Ich denke zum Beispiel an eine Ergänzung in der ärztlichen (Muster-)Berufsordnung wie, dass Sterbehilfe durch Ärzt*innen grundsätzlich zulässig ist, wenn die Entscheidung zu einem Freitod tatsächlich dem freien und wohlerwogenen Willen des Betroffenen entspricht. Sowie, dass die ärztliche Sterbehilfe, nach einer wohlabgewogener Gewissensentscheidung des Arztes / der Ärztin, eine freiverantwortliche ärztliche Entscheidung ist.
  • Exekutive in Deutschland (Staatsanwaltschaft, Polizei und Kriminalpolizei) ebenso klare Regelungen und Fortbildungen erhalten (ich habe bislang nur wenige Beamte erlebt die über die aktuelle Rechtslage seit 2020 aufgeklärt sind - Polizeiliche Ermittlung im Fall eines Freitod
  • Das Beraten und die Durchführung von Sterbehilfe, wie auch die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen, sollte außerdem verbindlicher Bestandteil des Medizinstudiums in Deutschland werden. 
... alle anderen Fälle decken die bestehenden Gesetze und das bestehende Strafgesetzbuch ausreichend ab, wie auch der aktuelle rechtliche Status Quo und die Freitode in dieser Zeit zeigen Zahlen und Fakten zur Sterbehilfe - Diagnosen und Gründe - Zahlen zur Sterbehilfe in Deutschland 2021 aufzeigen. 

"Wir mögen seinen Entschluss (von Sterbewilligen) bedauern, wir dürfen alles versuchen, ihn umzustimmen, wir müssen seine freie Entscheidung aber in letzter Konsequenz akzeptieren". So beendete der Präsident des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Februar 2020 seine Erklärung zur Nichtigerklärung von § 217 Strafgesetzbuch (StGB) - und die Gesellschaft und auch unser Parlament sollte diesem Gedanken weiterverfolgen. Dabei bedaure ich zutiefst, dass noch zu viele Bundestagsabgeordnete wie Lars Castellucci, Ansgar Heveling, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Stephan Pilsinger und weitere, die Selbstbestimmung am Lebensende durch Regelungen im Strafrecht einschränken wollen, weil sie Suizidprävention und menschliche Beihilfe zum Freitod nicht sauber auseinanderhalten, weder in Taten, noch in Worten und auch nicht in deren Gedanken und Motivationen. Hier tut weitere Aufklärung not darum, ergänzend zu meinen vorherigen Artikeln nun dieser.

Mit dem heutigen Artikel gehe ich auf die bestehenden Strafgesetze ein, insbesondere auf die Paragraphen 211 und 216 StGB.

Da nicht nur die Ablehnung oder Nicht-Unterscheidbarkeit von Suizidprävention und menschliche Beihilfe zum Freitod, sondern auch die Unkenntnis unserer vorhandenen Strafgesetze, kann die Verantwortlichen des restriktiven, wieder aufgelegten § 217, auf die Idee und das Verständnis kommen lassen, dass deren Gesetzentwurf ein 'Schutzkonzept' sein könnte.

Bislang habe ich aus verschiedenen Blickwinkel, erläutert wieso ich die ethisch menschliche Motivation des restriktiven Entwurf, auch beim besten Willen, nicht verstehen kann. 
Ich werde auch die offenkundigen Schwächen des restriktiven Entwurf  darlegen - ein Gesetzentwurf welcher wie schon in einem anderen Artikel erläutert, das Urteil des Bundesverfassungsgericht in nahezu allen Punkten nicht beachtet. (Siehe: Wider dem Grundgesetz, Wider dem BVerfG & Wider der Würde vom Januar 2023)


Ein Konzept in Unkenntnis des Deutschen Strafgesetzbuch

Zunächst einmal habe ich mir nochmals die Redebeiträge der Abgeordneten Dr. Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling (CDU/CSU), Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen), Stephan Pilsinger (CDU/CSU), Benjamin Strasser (FDP) und weiteren angetan - wie in einer Dauerschleife kommen die Worte "wer andere zum Suizid drängt", "wer Sterbewillige verleitet" , "wer auf Sterbewillige Druck ausübt", "falsche Einflussnahme", "Drucksituationen", "wer andere zum Suizid drängt", "Einflüsse von außen" bei Stephan Pilsinger innerhalb von wenigen Minuten 6 mal - nun diese Worte hörend, erinnere ich mich am mein Gespräch mit Benjamin Strasser und Ende letzten Jahres mit Herrn Castellucci auf dem Straßenfest in Walldorf, in der er weder die wortgleichen Passagen zu den verbotenen Paragraphen der §§ 217 und 219 kannte noch den Inhalt oder den Zusammenhang zu den §§ 211 und 216 StGB. 


§ 211 Strafgesetzbuch

Der § 211 StGB greift insbesondere zu dem oben genannten Umständen und des äußeren Einfluss - genauer gesagt der § 211 StGB und das nicht seit Kurzem. Ich werde den Eindruck nicht los, dass keiner der entwurfsverfassenden Abgeordneten sich auch nur ansatzweise mit dem § 211 StGB auseinandergesetzt und befasst hat - was mir oben genanntes Gespräch mit Herr Castellucci auf dem Strassenfest bestätigte, bzw er mir.
Der § 211 StGB besteht seit 1872  und in seiner heutigen geltenden Fassung, seit dem 1. Januar 1975, ein Jahr jünger somit als Herr Lars Castellucci selber.
Der § 211 StGB umfasst die äußere Einflussnahme, äußeren Druck und Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit.
Überdies greift der § 211 StGB wenn jemand einen anderen zum Beendigung des Lebens drängt, wie ein Urteil vom März 2022 (LG Limburg, Urteil vom 22.03.2022) aufzeigte und weitere Fälle und Gerichte sehr klar Urteile fällten. 


§ 216 Strafgesetzbuch

Ebenso verhält es sich mit dem Tötung auf Verlangen - Aktive Sterbehilfe - hier drunter fällt nicht die palliative Sedierung (Bei einer palliative Sedierung handelt sich nicht, wie manchmal von Medizinern befürchtet, um eine strafbare Form der aktiven Sterbehilfe, wenn ganz spezifische Prämissen peinlichst genau eingehalten werden.)
Tötung auf Verlangen, wäre zum Beispiel, wenn jemand unheilbar krank ist und ausdrücklichen und ernstlich geäußert hat sterben zu wollen, und bittet ihm eine Überdosis an Medikamenten zu geben, damit er stirbt. Diesem Wunsch nun nachzukommen damit der beste Freund stirbt. Dadurch hat man sich wegen Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB strafbar gemacht und muss mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren rechnen. Das geschützte Rechtsgut beim § 216 StGB ist das Leben.

Zu § 212 StGB (Totschlag) stellt § 216 StGB eine Privilegierung dar und entfaltet eine Sperrwirkung gegenüber den anderen Tötungsdelikten. Liegt also eine Strafbarkeit nach § 216 StGB vor, kann keine Bestrafung wegen eines anderen Tötungsdeliktes mehr erfolgen.


§ 216  vs  eines wieder aufgelegten § 217 StGB 

Wenn man sich den Gesetzentwurf des wieder aufgelegten § 217 StGB der Gruppe um Lars Castellucci, Ansgar Heveling, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Stephan Pilsinger, und das Strafmaß betrachtet, werden Helfer mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft, wenn schon auch nur die Absicht besteht und / oder die Gewährung der Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt wird, die die Selbsttötung einer anderen Person fördert.

Im Falle des § 216 StGB muss ein objektiver Tatbestand vorliegen und nicht nur die Absicht oder die Gewährung der Gelegenheit einer Sterbehilfe. Hätte der Gesetzentwurf eine Mehrheit bekommen wäre das Strafmaß für die Absicht und Verschaffung einer Möglichkeit der Vollendung einer Tötung angenähert oder gleichgesetzt.

Nach § 216 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft, wer zur Tötung eines anderen Menschen durch dessen ausdrückliches und ernstliches Verlangen bestimmt wurde und es zur Tötung eines anderen Menschen gekommen ist. 
Die Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) stellt lediglich ein Vergehen dar und wird mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft.
Der § 216 StGB sieht weiterhin vor, dass die Tötung aufgrund eines ausdrücklichen und ernstlichen Verlangens erfolgt sein muss. Eine beiläufige Äußerung des Wunsches nach der Tötung reicht nicht. Vielmehr ist eine Willensäußerung mit dem Ziel, den Adressaten zur Tötung zu veranlassen (aktives Einwirken auf den Täter notwendig).  


Nochmals zur Abgrenzung Tötung auf Verlangen § 216 StGB und Sterbehilfe

Um die Tötung auf Verlangen von der Sterbehilfe zu unterscheiden, muss zunächst zwischen direkter bzw aktiver, indirekter, passiver und assistierter Sterbehilfe unterschieden werden.  

Formen der Sterbehilfe

  • Aktive oder direkte Sterbehilfe - Als aktive Sterbehilfe bezeichnet man die Tötung eines anderen Menschen auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin. Dies schließt auch jede geringfügige Lebensverkürzung, die durch aktives Tun verursacht wird ein. Dies ist verboten und in der Regel liegt im Ergebnis eine Tötung auf Verlangen nach oben beschriebenen § 216 StGB vor, selbst dann, wenn der „Täter“ durch ein ernsthaftes und ausdrückliches Tötungsverlangen zur Tötung bestimmt wurde.
  • Indirekte Sterbehilfe - Die indirekte Sterbehilfe wiederum bezeichnet einen Fall, in dem Medikamente verabreicht werden, die zur Linderung von Leiden führen sollen wie Schmerzen oder Angst, aber gleichzeitig einen vorzeitigen Tod bewirken können. Ein Beispiel für diese Form ist die Verabreichung von Opium, welche in früheren Jahrhunderten durchgeführt wurde. 
    Die eintretende Lebensverkürzung ist in der Regel als Nebenfolge unbeabsichtigt und unvermeidbar. Das Handeln ist grundsätzlich nach § 34 StGB (Notstand) gerechtfertigt, wenn die medikamentöse Schmerzlinderung im Einklang steht mit dem tatsächlichen Willen des Sterbenden steht.
  • Passive Sterbehilfe - Die passive Sterbehilfe ist das Unterlassen oder Einstellen lebenserhaltender Maßnahmen im Falle einer Krankheit oder nach einem Unfall. 
    Die passive Sterbehilfe kann in den Fällen vorliegen, wo lebenserhaltende Maßnahmen beim Sterbenden unterlassen oder abgebrochen werden. Die passive Sterbehilfe ist im Ergebnis strafbar und es liegt dann ein Totschlag durch Unterlassen nach § 212 StGB vor. Eine eindeutige PAtientenverfügung, klare und gute Dokumentation kann dies sehr gut verhindern.
  • Assistierte Sterbehilfe - Die Beihilfe zur Selbsttötung, auch assistierte Selbsttötung betitelt, oder auch Suizidbeihilfe und assistierter Suizid genannt, ist das Beschaffen und/oder Bereitstellen der Mittel für einen Sterbewilligen. Bis hin zum Anlegen eines Venenzugangs, dem Vorbereiten, Bereitstellen und Anlegen einer Infusion - dies sind alles straffrei vorbereitende Handlungen. (Weitere Informationen hier zur Organisation etc.)


In diesem Kontext die Beiden Artikel zur Abstimmung und zu den Debatten im Bundestag









Comments

  1. Kommentare sind willkommen, auch wenn ich diese nicht veröffentlichen werden.

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