Über den Wunsch zu Sterben - Über Freitod und Suizidgedanken reden

Äußert ein Mensch einen Gedanken zum Sterben ist dies in unserer Gesellschaft etwas 'nicht normales', aber Sprechen über Sterben und den Tod sollte wenn nicht normal so dann doch akzeptiert sein. 
Sprechen über den eigenen Tod ebenso - Motivation dafür kann vielfältig sein.

Über das Sterben und den Tod sprechen wir nicht gern. Dabei könnten wir genau damit helfen, dem Abschied, einer vorausgehenden Trauer und der Trauer einen Platz in unserem Leben einzuräumen und uns die Angst davor zu nehmen. Die allermeisten mit den ich dazu spreche, sind der Meinung, Gespräche über Tabuthemen wie dem Ende des Lebens würden sich wie eine bleierne Decke über einen sonnigen Tag legen, doch das Gegenteil ist der Fall, wie wieder rum die allermeisten recht schnell feststellen und äußern: Oft können führt es dazu, dem Tod seine Schwere zu nehmen. Der Tod gehört zum Leben. Wir alle müssen eines Tages sterben. Oder wie Heiner Geißler mal sagte: "Der Tod ist demokratisch. Von hundert Menschen sterben hundert."


Gedanken zum Sterben

Äußert ein Mensch einen Gedanken zum Sterben, insbesondere wenn sie oder er ein schwerkranker oder sterbender Mensch ist, insbesondere in einer palliativen Situation, oder auch einen Todeswunsch, sollte man zuhören, wirklich zuhören.
Empathisch und wertfrei über Ausprägung und Hintergründe dieses Wunsches sprechen. Es ist wertvoll diese Gedanken festzuhalten und auch zu dokumentieren - wertvoll bei einer Suizidprävention, als auch bei einem Freitodwunsch und späterer Sterbehilfe, Sterbebegleitung. Dies ist angeraten im Familienumfeld aber um so mehr wenn es das Gespräch mit einem Arzt / einer Ärztin ist. (bezüglich Dokumentation, Lebensbericht, etc. siehe hier)

Insbesondere wenn die Situation von dem sterbewilligen Menschen als sehr belastend erlebt wird bzw. diese von sehr tiefen, wohlerwogenen Gedanken getragen sind, den Todeswunsch umzusetzen, verbunden sind, sollte man als Familie, Partner und der Arzt*in gemeinsam mit dem Menschen nach Lösungen suchen, wie das unerträglich erlebte Leid oder die Beschwerden gemindert oder gelöst werden können. 
Dies kann in einer end-of-life-Situationen auch durch Therapiebegrenzung und palliative Sedierung 
geschehen. Solcher Art von Maßnahmen sind aber nicht nur auf Einrichtungen der Palliativ- und Hospizversorgung beschränkt, sondern sind im Prinzip in allen Bereichen umsetzbar (siehe mein Artikel zu stationärer und ambulanter Hospiz - und Palliativversorgung)


Äußert ein Mensch den Wunsch zu sterben oder Suizidgedanken, ...

... muss man diesem Menschen mit Gesprächsbereitschaft begegnen und Anlass, Motive und Hintergründe zu ergründen suchen - dies gilt für jeden der mit so einer Situation in Kontakt kommt.
Dies gilt und dies möchte ich hier herausstellen, gilt um so mehr für das vertrauensvolle Gespräch über den Wunsch eines Patienten mit seinem Arzt / seiner Ärztin, zu 
sterben oder sein Leben zu beenden, und meines Erachtens gehört dies zum Kern der ärztlichen Tätigkeit und zwar nicht nur im Rahmen der Begleitung kranker oder sterbender Menschen, sondern auch bei suizidalen Gedanken, wie auch zum Wunsch eines wohlerwogenen Freitod. 
Einem schwerkranken oder sterbenden Patienten sollte ein/e Arzt*in zudem frühzeitig und wiederholt die ausdrückliche Bereitschaft vermitteln, auch über das Sterben an der Erkrankung und den Tod zu sprechen - wer wäre kompetenter, vertrauenswürdiger und näher am Menschen, am Patienten und der Lebens- und Krankheitsgeschichte.
Überdies ist der Arzt zur Beratung und Aufklärung über bestehende Erkrankungen und ihren voraussehbaren Verlauf, über Therapien und alternative (z. B. palliativmedizinische oder psychotherapeutische) Angebote verpflichtet, um dem Patienten eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen und ggf. mit ihm gemeinsam ein Behandlungskonzept zu entwickeln und dieses umzusetzen oder auch gut informiert sich dagegen zu entscheiden.

Nochmals - ein Gespräch über Suizidalität und Todeswünsche ist eine ärztliche Aufgabe. Es stellt keine Mithilfe zu oder bei einem Suizid dar. Keine Mitwirkung beim Sterben stellt es auch dar, wenn ein Arzt einem sterbenden Patienten beisteht, Sterben erleichtert und sein Leid mindert. 

Sterbebegleitung und Leidminderung gehören unabhängig von der Ursache des Sterbens zu den ärztlichen Aufgaben – dies ist nicht nur meine Betrachtung sondern auch die wiederholte Aussage der Ärztekammer.

Jedoch betont die selbe Ärztekammer leider auch, aus nicht vollziehbaren Gründen. Verwendet dazu auch eine Wortwahl die dem Leiden der Patienten nicht entsprechen. Die Ärzte spricht von Suizid oder Selbsttötung, beide Worte werden werden üblicherweise mit Brutalität und Gewalt verbunden. Im Falle eines Freitod geht es hindoch um Würde und Leidminderung und Beendigung von physischem und oder psychischem Leiden - auch Laien erkennen, dass die Wortwahl der Ärztekammer bei der Aussage: "Die Hilfe zur Selbsttötung gehört nicht zur Ausübung des ärztlichen Berufs." vom Terminus weder der Situation noch dem Patienten repsektvoll entgegen kommt, noch den Sachverhalt entspricht.
Gebeten wird um Hilfe für ein würdevolles, respektvolles, und menschliches Sterben - nicht die Hilfe zur Selbsttötung.

Das Bundesverfassungsgericht hat sehr deutlich ausgesagt, dass kein Arzt / keine Ärztin verpflichtet ist, Hilfe zur Leidensbeendung in Form einer Sterbehilfe zu leisten.
Es bleibt eine freie und individuelle Entscheidung, ob sich eine Ärztin / Arzt in einem individuellem Einzelfall dazu entschließt, Hilfe zum Freitod zu leisten oder mitzuwirken.

Die ärztlichen Tätigkeiten beim Umgang mit Todeswünschen oder Freitod gehören anerkanntermaßen zu den Aufgaben von Ärzt*innen. Darin liegt keine Mitwirkung beim Sterben - wenn die finale zum Tode führende Handlung durch den Sterbewilligen stattfindet.

Kriterien des Bundesverfassungsgerichts für ein freiverantwortliches Sterben

Die Mitwirkung bei einem Freitod , basierend aufgrund einer individuellen Entscheidung eines Arztes setzt stets voraus, dass der Sterbewunsch und Sterbeentscheidung freiverantwortlich begangen wird. Ist der Sterbeentschluss da gegen nicht freiverantwortlich gefasst, ist ein Arzt – ebenso wie jeder Andere – zur Intervention (Lebensrettung) verpflichtet.
Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zum Verbot des § 217 StGB betont, dass es bei einem freiverantwortlichen Sterben um das Recht des Einzelnen geht, selbstbestimmt zu entscheiden, sein Leben eigenhändig, bewusst und gewollt zu beenden. 
Der vom BVerfG  ebenfalls genannte Aspekt der eigenhändigen Durchführung des Freitod betrifft nicht seine Freiverantwortlichkeit, sondern die Abgrenzung der Sterbehilfe von der Tötung auf Verlangen 

Ein freiverantwortlicher Sterbewunsch und -entschluss liegt nach dem BVerfG vor, wenn der Entschluss auf dem freien Willen des Sterbewilligen beruht, der zur Selbstbestimmung und Eigenverantwortung fähig ist, sowie bewusst und gewollt auf der Grundlage einer realitätsbezogenen, am eigenen Selbstbild und Würdeverständnis, Selbstwahrnehmung ausgerichteten Abwägung die Für und Wider getroffen hat. (Siehe hierzu auch den Artikel zu Einwilligungsfähigkeit, Einsichts- und Urteilsfähigkeit, und Freiverantwortlichkeit)


Individuelle Entscheidungen der Ärztin / des Arztes - aber ich denke die Ärztekammern sollten dies auch Individuelle Entscheidungen sein lassen.

Die ärztliche Position zur Sterbehilfe bei einem und damit auch zur Assistenz beim Sterben sollte dem grundsätzlichen Paradigma der Hilfe und der Unterstützung für leidende Menschen in 
allen Lebenslagen bis hin zum Sterben unterliegen. 

Bei Suizidwünschen, ob in psychischen oder 
körperlichen Notlagen geäußert, bieten Ärzte die direkte, persönliche und professionelle Zuwendung an. Je nach Problematik besteht ein breites Angebot an Möglichkeiten medizinischer und 
psychosozialer, insbesondere palliativmedizinischer, hospizlicher, psychotherapeutischer, psychiatrischer und psychosomatischer Behandlungen. Diese sind allerdings zum Einen nicht Und zum Anderen geht es im Rahmen der individuellen Suizidprävention um das Verständnis der individuellen Umstände und der Differenzierung ob es sich um einen Suizid oder einen Freitod Anliegen, Wunsch geht.
Bei allen Therapie und Behandlungsangeboten obliegt es immer dem Einzelnen was gewünscht ist und was nicht und ob anderweitige Hilfe gebeten wird bis hin zu einer Sterbehilfe.

Meiner Ansicht und meiner Überzeugung nach gehört zur ärztlichen Tätigkeit, sensibel und offen auf die von Patienten geäußerten Todes- und Sterbewünsche zu reagieren, ggf. auf entsprechende Alternativen und palliativmedizinischer Versorgung und der ärztlich unterstützten Suizidprävention 
hinzuweisen - aber bei Einsichts- und Urteilsfähigen Patienten und Menschen liegt die Entscheidung, welchen Weg ein Leben nehmen soll, bei dem Menschen und das Recht und die Freiheit um Hilfe zu bitten - und bei Ärzt*innen das Recht und Freiheit Hilfe leisten zu dürfen und zu können.

Dieser Artikel ist an Menschen gerichtet die sich mit dem Gedanken tragen einen Freitod zu wählen und Ärzt*innen die helfen wollen. 

Bei einem Gespräch über Sterben, oder auch einem selbstbestimmten Sterben ist von allen Seiten, vom Redner und von dem Gegenüber Einfühlung und Empathie gefragt und notwendig - zuhören und nicht nur hören. Einfühlen in die Familie, Einfühlen in den Sterbenden, Einfühlen in die die um Hilfe angefragt werden, Einfühlen in die nach einem Sterben mit Emotionen kämpfen und arbeiten müssen, auch jede/r Arzt und Ärztin ist Mensch und muss mit dem was getan oder nicht getan wurde später leben, sich verantworten, ... und diese Liste ist sehr lange fortsetzbar.





Hilfe - Suizidprävention

Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis sonnabends von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Sonnabend nehmen die jungen Berater des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an. nummergegenkummer.de.

Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 - 443 509 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de

Jüdische Bundesweite telefonische Hotline folgt asap

Hebräischsprachige Hotline "Matan": ‚Matan‘ ist ein Projekt der Beratungsstelle ‚OFEK‚ e. V. und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).  Telefonnummer: 0800  - 000 16 42  Hotline-Zeiten: Jeden Tag der Woche 20:00-22:00 - Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Kirchlichen Telefonseelsorge (KTS) durchgeführt und durch die Deutsche Fernsehlotterie gefördert.

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de









Comments

  1. Sie sind eingeladen zu kommentieren, aus verständlichen Gründen werden Kommentare nicht veröffentlicht. Lesen werde ich diese immer, antworten wenn nötig - und lernen und wachsen mit Sicherheit. Danke.

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