Einwilligungsfähigkeit, Einsichts- und Urteilsfähigkeit, und Freiverantwortlichkeit

Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Patientenwillen ist die Einsichts- und Urteilsfähigkeit, Einwilligungsfähigkeit, und Freiverantwortlichkeit der betreffenden Person zum Zeitpunkt der Entscheidung. Dazu zählt auch schon die Erstellung einer Patientenverfügung und mehr als dies im Falle des Wunsches eines Freitod.

Ärztinnen und Ärzte müssen Patienten hinsichtlich der Einwilligungsfähigkeit beurteilen

Die Helfer, und Ärztinnen und Ärzte müssen den Patienten hinsichtlich der Einwilligungsfähigkeit beurteilen. Daraus ergeben sich rechtliche und ethische Probleme. Dies kann sein, wenn die Patientin / der Patient fälschlicherweise als nicht einwilligungsfähig eingestuft wird. Denn dann setzen sich Ärztin, Arzt, Betreuer oder Vertreter über den Willen des Patienten hinweg. Aber auch der Gegenfall kann der Fall sein, dass der Patient fälschlicherweise für einwilligungsfähig gehalten wird, ist problematisch. Denn möglicherweise willigt er in etwas ein, das er gar nicht erfassen konnte. Beides stellt einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Patienten dar. Einwilligungsfähigkeit und die Urteilsfähigkeit als Fähigkeit, vernunftgemäß zu handeln, ist eine Voraussetzung für die Selbstbestimmung und wird bei erwachsenen Personen vermutet.
Und wie oben schon angerissen, ist bei begründeten Zweifeln eine orientierende Abklärung und gegebenenfalls eine vertiefte Evaluation vorzunehmen und sehr angeraten. Aber im Regelfall und Grundsätzlich gilt jeder erwachsene Patient als einwilligungsfähig, soweit nicht festgestellt wird, dass eine Einwilligungsfähigkeit bei der Patientin oder Patienten im konkreten Fall trotz individueller und patientengerechter Aufklärung nicht gegeben ist. Das heißt, der Arzt kann im Normalfall von der Einwilligungsfähigkeit seiner volljährigen Patienten ausgehen. Die Feststellung, ob ein Patient einwilligungsfähig ist, ist eine Ja- oder Nein-Entscheidung. Ein bisschen einwilligungsfähig gibt es nicht. Einwilligungsfähig ist ein Patient nach deutschem Recht, wenn er auf der Grundlage der ärztlichen Aufklärung


Zur Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit hat der Patient in der Lage zu sein ...

  • die vermittelten Informationen und medizinische Aufklärung in Grundzügen zu verstehen, und die wesentliche Informationen mit eigenen Worten wiederzugeben,
  • die Konsequenzen, möglichen Wechselwirkungen und Folgen der Erkrankung, Behandlung oder der vorgeschlagenen Maßnahme und oder Nicht-Behandlung für die eigene Lebensführung und Lebensqualität bewusst zu sein
  • die situativadäquate Einschätzung der eigenen Krankheit, Situation und Perspektiven (Schwere der Krankheit, Behandlungsoptionen und -bedürftigkeit)

... dabei ist es ganz wesentlich, dass die Patientin der Patient ...

  • das Für und Wider der vorgeschlagenen Maßnahme gegeneinander abwägen kann,
  • in dieser Abwägungen und Überlegungen die Haltung zur Würde, Werte im und am Leben und eigenen Überzeugungen in Bezug bringen kann,
  • der Situation angemessene emotionale Gefühlsäußerungen im Entscheidungsprozess und bei der Entscheidung zu zeigen, und die eigene Entscheidung schlüssig und verständlich zu kommunizieren,
... wesentlich ist aber auch ...

  • Impulse, Zwänge oder Ängste, die ihn daran hindern, die getroffene Entscheidung umzusetzen, zum Ausdruck zu bringen und zu kontrollieren,
  • die eigene Entscheidung gegenüber widersprechenden Meinungen anderer zu behaupten.

Die Einwilligungsfähigkeit ist nichts Fixes, sondern dynamisch. Und die Einwilligungsfähigkeit ist nicht gleich Geschäftsfähigkeit. Überdies ist die Einwilligungsfähigkeit abhängig von der Komplexität der Entscheidung und vom jeweiligen Zeitpunkt. 

Bei der Einwilligungsfähigkeit von Jugendlichen kommt es, gemäß unseres Deutschen Rechts darauf an, ob der Jugendliche nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite der Behandlung oder Nicht-Behandlung zu ermessen vermag. Der Minderjährige muss also eine eigenständige, individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung vornehmen können. Der Beginn der Einwilligungsfähigkeit ist nicht an ein Mindestalter geknüpft. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass Minderjährige unter 14 Jahren nur in Ausnahmefällen einwilligungsfähig sind. Bei schweren Eingriffen müssen beide Elternteile / Sorgeberechtigten ihre Einwilligung erklären.

Und ganz ausdrücklich wiederhole ich, dass Patienten auch Entscheidungen treffen dürfen die anderen Personen für unver­nünftig oder nicht deren Welt- und Wertebild entsprechend sind.



Einwilligungsunfähigkeit 

Eine Einwilligungsunfähigkeit ist KEINE andauernd innewohnende Eigenschaft eines Menschen. Man kann nicht automatisch davon ausgehen, dass jemand, der psychisch erkrankt oder geistig behindert ist, nicht in der Lage ist, seine Zustimmung zu geben. Eine psychiatrische oder neurologische Diagnose allein ist nie ausreichend, um anzunehmen, dass jemand nicht zustimmen kann.
Nochmals - Die Einwilligungsfähigkeit eines Menschen stellt eine notwendige Voraussetzung für die Durchführung einer medizinischen Maßnahme dar, ist Voraussetzung der Gültigkeit einer Patientenverfügung, Befreiung / Modifizierung der Garantenpflicht, oder weitergehenden Wünsche und damit Dokumente. Jeder Helfer, Arzt MUSS sich der Einwilligungsunfähigkeit absolut gewiss sein.

Anhaltspunkte, die auf eine eingeschränkte oder gar fehlende Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit hinweisen und damit Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit des Patienten begründen können wären - Mögliche Hinweise auf eine 

eingeschränkte Einsichtsfähigkeit - dass man den Eindruck hat , dass der Mensch trotz Erläuterung und Aufklärung nicht in der Lage ist,

  • die gegebenen Informationen im Wesentlichen zu begreifen,
  • wichtige Informationen mit eigenen Worten zu wiederholen,
  • sich der möglichen Auswirkungen der Krankheit oder der vorgeschlagenen Maßnahme(n) auf das eigene Leben und die Lebensqualität bewusst zu sein,
  • ein passendes Verständnis für die Art der eigenen Krankheit zu haben,
  • sich der Schwere der eigenen Krankheit und dem Bedarf an Behandlung bewusst zu sein.


eingeschränkte Steuerungsfähigkeit - dass man den Eindruck hat , dass der Mensch trotz Erläuterung und Aufklärung nicht in der Lage ist,

  • die Vor- und Nachteile der vorgeschlagenen Maßnahme(n) zu vergleichen,
  • die eigenen Gedanken dazu mit den persönlichen Werten und Meinungen zu verbinden,
  • emotional an dem Entscheidungsprozess beteiligt zu sein, wie es in der Situation angemessen ist,
  • eine Entscheidung zu fällen und diese klar zu vermitteln,
  • Schwierigkeiten wie Drang, Zwang oder Angst, die die Umsetzung der getroffenen Entscheidung behindern könnten, zu erkennen und zu bewältigen,
  • die eigene Entscheidung zu verteidigen, auch wenn andere anderer Meinung sind.



Patientenverfügung 

Die Einwilligungsfähigkeit, Einsichts- und Urteilsfähigkeit, und Freiverantwortlichkeit ist, auch wenn es in meinem Blog oft um den Freitod und Sterbehilfe geht, nicht nur auf diesen Willen beschränkt.
Bei jeder Patientenverfügung sind diese Fähigkeiten laut unserem Recht notwendig und gegebenenfalls zu assistieren.
Bei einer Patientenverfügung handelt es sich um eine Erklärung bzw. Verweigerung einer Einwilligung (§1827 BGB) zu einem ärztlichen oder pflegerischen Eingriff in bestimmten Krankheitssituationen bzw. Krankheitsstadien ist jedoch hier beschränkt auf Volljährige. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung ist die Einsichts- und Urteilsfähigkeit der betreffenden Person zum Zeitpunkt der Errichtung.

Was nannte unser Bundesverfassungsgericht zur als notwendige Voraussetzungen als Aspekte / Kriterien für eine freie Entscheidung für einen Freitod ...

  • Fähigkeit, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer akuten psychischen Störung zu bilden und nach dieser Einsicht zu handeln (Rn 241, 245),
  • Tatsächliche Informiertheit über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte (Rn 242, 246),
  • Freiheit von unzulässiger Einflussnahme oder Druck (Rn 243, 235, 247, 250),
  • Dauerhaftigkeit und innere Festigkeit des Entschlusses (Rn 244, 340).

In diesem Kontext

Freiverantwortlichkeit - Einsichtsfähigkeit, Urteilsfähigkeit und Entscheidungsfähigkeit

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 630d Einwilligung

Patientenverfügung und Sterbehilfe

Patientenverfügungen - Vorsorgemappe


Artikel die auf Menschen mit psychische Erkrankungen eingehen ...




Quelle - bzw auch sehr lesenswert






Comments

  1. Kommentare lese ich und beantworte ich nach Möglichkeit - Kommentare werden nicht veröffentlicht.

    ReplyDelete

Post a Comment

Popular posts from this blog

Sterbehilfe bei psychisch kranker Studentin - Berlin 2024

Sterbehilfe - Organisation, Hilfe finden, Kosten

Medikament - Freitod

Leid heißt nicht nur Schmerz - Gedanken zum Freitod

Wie werden in wenigen Tagen die Abgeordneten über die Sterbehilfe abstimmen?