Suizid - Sterbehilfe und psychische Erkrankungen
Der strafrechtliche und damit staatliche Lebensschutz soll sich nicht gegen jene wenden, die ihr eigenes Leben beenden wollen. Hier geht das Selbstbestimmungsrecht vor - So lautete auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2020: "Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen."
In der ausführlichen Urteilsbegründung geben die Richterinnen und Richter dem Gesetzgeber die Aufgabe ein Schutz- und Beratungskonzept zu entwickeln. Vor allen Dingen sollten damit Menschen geschützt werden, deren Sterbewunsch nicht ganz so freiwillig erscheint, weil sie zum Beispiel anderen schlicht nicht zur Last fallen wollen – aber auch im Falle von psychischen Erkrankungen.
Es liegen nun Gesetzesvorlagen vor die aber gerade das Thema psychischen Erkrankungen entweder umschiffen oder generell diesen Menschen deren allgemeine Persönlichkeitsrecht und deren persönlicher Autonomie absprechen oder vorenthalten wollen.
Urteilsfähigkeit
Grundsätzlich gilt für jeden, dass beim Erstellen einer Willenserklärung oder auch ‚nur‘ der Patientenverfügung ist eine erhaltene Urteilsfähigkeit erforderlich. ( Gesetzestext bezüglich der Patientenverfügung siehe § 1827a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 1827 BGB - Patientenverfügung; Behandlungswünsche oder... - dejure.org )
Bei Personen die eine psychischen Erkrankungen haben, wird somit ein 'Psychiatrisches Gutachten über Urteilsfähigkeit' unabdingbar sein – da schon für eine Patientenverfügung solch ein Gutachten über Urteilsfähigkeit nötig ist – wenn es um einen Freitod, Sterbebegleitung und Sterbehilfe gehen soll.
Das Gutachten und die psychologische Bestätigung soll verhindern, dass eine entsprechende Willenserklärung nicht später infolge vermuteter psychischer Störung als nichtig angezweifelt werden könnten ( Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 104 Geschäftsunfähigkeit ).
Somit liegt im Falle von einer psychischen Erkrankung die Aufwände nun einmal höher – letztlich geht es aber um die Urteilsfähigkeit – die im Zweifelsfall jeder haben muss und sollte, dem geholfen werden soll.
Urteilsfähigkeit ist nicht generell verneinbar
Ich bin zu tiefst davon überzeugt, dass die Urteilsfähigkeit hinsichtlich des eigenen Sterbewunsches bei Menschen mit psychischen Störungen nicht generell verneinbar ist. Was in den Augen der Masse der ‚Fachleute der Psychiatrie‘ überwiegend genau andersrum betrachtet und beurteilt wird, nämlich dass bei Vorliegen eines Sterbewunsches bis zum Beweis des Gegenteils von einer psychischen Störung ausgegangen werden muss. Ich frage mich woher diese Weltbild kommt?
Die psychiatrische Argumentation hat, meines Wissens, folgenden Gedankenansatz. Nämlich, dass Suizidalität sich in Suiziddrang, Suizidgedanken oder Suizidwünschen und somit ein 'Symptom' einer psychischen Störung ist. In meinem Verständnis ist dieser Gedankenansatz der selbe wie, dass Deprimiertheit Symptom einer Depression sind. Mein Verstand sagt mir "Wie bitte? Schlussfolgern Fachleute der Psychiatrie wirklich so platt und einfach?" Wichtig zu wissen ist - dass in dieser Logik der Psychiater - diesem Gedankenansatz auch gleich eine Behandlungspflicht folgt. Um einen Menschen vor Schaden, in diesem Fall den Tod, zu bewahren. Soweit in Ansätzen und mit viel gutem Willen nachvollziehbar. Aber dieser pauschale Gedankenansatz erinnert mich etwas sehr an die Psychiatrische Behandlungsmethodik wie vor Jahrzehnten.
Allerdings, und davon bin ich überzeugt, gibt es neben Suizide auch bei Menschen mit psychischen Störungen einen / den Freitod, die unabhängig von deren krankheitswertigen Störungen vorgenommen werden. Hierzu gehören wie bei gesunden Menschen eine persönliche, selbstkritischen Reflexion und Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenssituation, Lebensaussichten sowie individuelle Beurteilung von Qualität des eigenen Lebens und eigenen Definition von würdigem Leben.
Ich denke dies ist für viele dieser Fachleute vor lauter Fachwissen nicht mehr im Bewusstsein. Somit und in meinen Augen und meinem Verständnis kann der Wunsch nach einem Freitod bei Menschen mit psychischen Störungen auch in relativer Unabhängigkeit von dieser und deren eigenen andauernden oder episodenhaften Störung auftreten und getroffen werden.
Der Freitod erscheint und ist dann als Konsequenz einer nicht durch Krankheitssymptome bestimmten Auseinandersetzung mit der eigenen psychischen Störung zu verstehen und anzuerkennen, wie auch bei jedem Anderen / einem ‚Gesunden‘ als ein Ergebnis einer selbstkritischen Reflexion mit dem eigenen Leben, und damit mit und als Würde und Selbstverständnis anzusehen und zu akzeptieren.
Schlussfolgerung
Deshalb sollte und darf die Sterbebeihilfe bei Menschen mit psychischen Störungen nicht generell unmöglich oder strafbar sein.
Die individuelle und persönliche Urteilsfähigkeit eines jeden Menschen sollte die Richtschnur sein – diese Urteilsfähigkeit wird auch darüber dann die Waagschalen bestimmen einen Arzt oder anderen Helfer zu finden der eine Freitodbegleitung machen und unterstützen würde.
Wie schon gesagt ich sehe die individuelle und persönliche Urteilsfähigkeit eines jeden Menschen als die Richtschnur gepaart mit einer autonomen, dauerhaften und wohlerwogenen Sterbewunsch.
Aber diese Autonomie, Dauerhaftigkeit und insbesondere die Wohlerwogenheit wird ja auch jeder anderen Person abverlangt.
Voraussetzungen für jeden Sterbewillige ist ...
- dass der / die Sterbewillige wohlerwogen und freiverantwortlich handelt.
- über alle medizinischen Angebote (z. B. Psychiatrie, Palliativmedizin, Intensivierung der Pflege, etc.) aufgeklärt sein muss.
- muss frei von krankhafter Störung den Entschluss zum Sterben gefasst haben.
- muss frei von nötigenden Einflüssen den Entschluss zum Sterben gefasst haben.
- muss den Entschluss zum Sterben ernstlich und nachhaltig gefasst haben und für eine längere Dauer haben und bestenfalls kommuniziert haben.
Definition zur Wohlerwogenheit
Ich bin bereits mehrfach gefragt worden was Wohlerwogen bedeuten könnte – hierzu kommt mir in den Sinn, dass die betreffende Person
- die eigene Lebenssituation angemessen versteht und beurteilt
- die wichtigsten Alternativen, Möglichkeiten von Lebensformen und Therapien kennt, abgewogen hat und zu einem in sich schlüssigen Beurteilung gekommen ist.
- die Alternativen und Optionen vor dem Hintergrund der eigenen Überzeugung, Erfahrungen, Verständnis von Würde und persönlichen Überzeugungen geprüft hat.
Auf Grund vielfacher Nachfrage
Ein psychiatrisches Gutachten kann jeder Psychiater erstellen - es ist eine fachliche Expertise, Gutachten welches durch jede Fachärzt*in der Psychiatrie erstellt werden - eine spezielle Zulassung für Gutachten wie für Gerichte ist NICHT notwendig, so mein Wissensstand durch eine Fachanwältin Stand Juni 2021 und nochmals bestätigt Dezember 2021. Kostennote berechnet sich als private Rechnung die NICHT von der Krankenkasse getragen wird - jedoch in meinen beiden Fällen lag die Kostennote einmal bei etwas über 160,-Euro und beim anderen Fall 250,-Euro.
Bei der Suche nach eim Psychiater für ein Psychiatrisches Gutachten über Urteilsfähigkeit ist nicht leicht oder genauso schwer wie einen Arzt zu finden der einem diese Ärztliche Hilfe zuteil werden lassen will oder kann. Mit dem 'kann' geht es um die Ethisch Moralische Seite. Und im Dialog und im Erstkontakt um Emphatie (bitte lesen Sie hierzu den Artikel "Empathie ist wichtig - Mitgefühl und Mitleid hat wenig oder keinen Platz"). Da wie gesagt es ohnehin schwer ist jemanden zu finden für die Sterbehilfe - ist ein gangbarer Weg, im Bedarfsfall einen Psychiater um ein Psychiatrisches Gutachten über Urteilsfähigkeit für eine Patientenverfügung zu bitten - wie oben geschrieben die Erstellung einer Patientenverfügung benötigt ebenso im Zweifelsfall (Krankheitsbild/-historie) genau solch ein psychiatrisches Gutachten über Urteilsfähigkeit. Kosten für ein Psychiatrisches Gutachten über Urteilsfähigkeit sollten mit 150,- bis 500,- abgedeckt sein - in meinen beiden Fällen lag die Kostennote einmal bei etwas über 160,-Euro und beim anderen Fall 250,-Euro.
Informationen zum Finden von Ärztliche Hilfe und weitere Hilfen und Verständnis finden habe ich hier zusammengestragen Hilfe zur Sterbebegleitung finden - Lebensbericht - Persönlicher Brief(e)
Im Falle von psychischen Erkrankungen ist eine Psychiatrische Patientenverfügung ergänzend zur Patientenverfügung mehr als anzuraten - weitere Infos zu einer Psychiatrische Patientenverfügung hier.
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