Suizidprävention

Menschlich ist es, leben zu wollen. Doch zur Kulturgeschichte der Menschheit gehört auch der die Intention, der Impuls, der Wunsch, oder auch die Entscheidung sich das Leben selbst zu nehmen - dies kann wohlerwogen, wohl abgewogen, wohldurchdacht sein wie es bei einem Freitod ist oder zum Anderen bei einem Suizid unkontrolliert, zwanghaft, oder bedingt durch ein anderweitig psychisches Erlebens und Verhalten.

Auch wenn sich die Selbstmordzahlen sich in den letzten zehn Jahren auf einem relativ konstanten Niveau zwischen der 9.000er und 10.000er-Marke halten und der Langzeittrend eine deutliche Abwärtsbewegung anzeigt ist das Vorhaben des Bundestag eine vernetzte gut Suizidprävention 2024 anzugehen mehr als gut und begrüßenswert- wenn auch lange, sehr lange überfällig.

9.215  Suizide
2.562  Verkehrsunfälle

Wenn man sich fragt wie sind denn die Zahlen ausserhalb von Deutschland - Die Suizidrate lässt sich nur annähernd bestimmen und der Vergleich zwischen verschiedenen Ländern ist schwierig. Die Bestimmungen für die Klassifizierung eines Todes als Suizid variieren von Land zu Land. Es gibt nicht die einheitliche Norm oder Definition. Kulturelle und soziale Aspekte spielen dabei zum Beispiel eine Rolle - dazu muss man sich nur die missbräuchliche Verwendung des Worte Suizid bei einem Freitod vergenwärtigen. In einigen Ländern ist ein„Selbstmord“ stigmatisiert, ein gesellschaftliches Problem, nicht anerkannt sein - schau man sich an was für Mythen in der katholischen Kirche verbreitet sind. 

In einer Statistik der Statista GmbH Hamburg aus 2017 der Suizidrate in ausgewählten Ländern Europas wird Deutschland als der 20zigster Staat mit 17.25 Suiziden auf 100.000 Einwohner genannt. Die WHO nennt Deutschland als 42zisten Staat in einer Statistik zur Suizidrate je 100.000 Einwohner im Jahr 2019


Suizidprävention 

Aber weg von Zahlen - hin zu Menschen und Einzelschicksalen. und damit zur Prävention.
Bei der Suizidprävention geht es vor allem um die Vermeidung solcher Lebenslagen, in denen sich Menschen genötigt fühlen, einen temporären oder subjektiv als unerträglich erlebten Lebenssituation durch Suizid ein Ende zu setzen.

Ich sehe drei zu stärkende Präventionsfelder:

  1. Die akute Prävention fokussiert auf die einzelne Person, den ganz aktuellen Fall und Hilfsnotwendigkeit(en), bei denen in Folge unterschiedlicher Begebenheiten oder Ereignisse eine unmittelbare Suizidgefährdung offenkundig ist
  2. Die allgemeine und übergreifende Prävention zielt auf alle, gerichtet an und in die Gesellschaft mit der Intention und Aufgabe über Aufklärungskampagnen, niedrigschwellige Beratungs- und Kontaktangebote oder allgemeine Strategien einem suizidalen Verlangen vorzubeugen. Und über dies Stigmatas zu eliminieren oder zu dämpfen.
  3. Das dritte Präventionsfeld würde ich mit meiner Designersprache 'Zielgruppen' oder betroffenengruppengerechte Prävention nennen -  Angebote an Gruppen - konzentriert, zielgruppenadäquate Informationen und Hilfs- und Gesprächsangebote - an Gruppen und Menschen mit einem typischerweise und signifikant erhöhten Suizidrisiko.

Phasen bei Betroffenen

Oft durchleben Menschen die sich Gedanken machen zu einem Suizid verschiedene Phasen. In Zeit und Phase des Abwägens und Erwägens sit dies eine Gedankenspiel und ein Balancieren, wie ich es umschreiben würde. Oft geht dies mit deprimierten Gedanken einher. Umfeld - hier kann jedem zum guten Umgang ein MHFA Wissen helfen, und in jedem Fall behandelnde Ärzte wie Hausärztinnen und Hausärzte sollten solche Menschen / Patienten*innen fragen, ob sie einen Suizid erwägen. Meist suchen Betroffene in dieser Phase aber nicht Hilfe bei Ärzten bzw. viele Ärzt*innen haben dafür kein 'Ohr' ioder auch keine Empathie.
In darauffolgenden Phasen, einer fortgeschrittenen Krise, einen fortgeschrittenen, gleichzeitigem Vorhandensein zweier gegensätzlicher Gefühle, Gedanken und Emotionen, suchen die Menschen meist eher ärztliche Hilfe. Sie fühlen sich oft sehr getrieben und sehr unruhig. Sie leiden massiv. Es gibt eine Ambivalenz zwischen "Ich will eigentlich leben, aber so wie es ist, will ich nicht mehr leben."

nochmals möchte ich betonen icht nur Ärzt*innen darauf achten, ob ein Mensch suizidgefährdet ist. Auch Laien sollten aufmerksam sein. Es gibt den Mythos, auch unter Ärzt*innen, wenn jemand über Suizidalität spricht, dass er sich nicht wirklich selbst tötet. Das ist falsch wie alle Studien und Erfahrungen dazu klar ausweisen. In der Regel ist es ein Ruf nach Hilfe und Unterstützung.
Denn in der Regel wird eine geplante Selbsttötung mitgeteilt. Direkt und oft auch indirekt, indem ein Betroffener sagt, wir sehen uns nicht mehr und ähnliche Andeutungen macht. Wieder andere ziehen sich zurück, brechen den Kontakt komplett ab. Auch da sollte man hinschauen.
Hellhörig werden sollte man auch, wenn jemand über Tage deprimiert wirkt oder viel weniger als sonst sagt, ohne dass ein Grund erkennbar ist. 
Wir alle können und sollten 'Gate Keeper' sein – Torwächter - Wir alle können Tore, Türen, Wege und Ausblicke weisen. Gate Keeper sind natürlich neben uns allen auch Ärzt*innen sowie Pfleger*innen  die mit vielen Menschen zu tun haben, denen es nicht gut geht.

Aber letztlich kann jede und jeder in diese Lage kommen - betroffen zu sein
und 
jede und jeder ist in diese Lage zu helfen.


Die Deutsche Depressionshilfe hat Alarmzeichen zusammengestellt, die Angehörige und Freunde ernst nehmen sollten:

  • Suiziddrohungen und -ankündigungen. Das Vorurteil, dass sich ein Mensch, der von Selbsttötung spricht, nichts antut, ist falsch.
  • Große Hoffnungslosigkeit und Äußerungen wie: "Es hat ja doch alles gar keinen Sinn mehr ...", "Irgendwann muss auch mal Schluss sein"", "Es muss jetzt was passieren ..." Gerade bei depressiven Menschen sind das Hinweise auf eine ernste Gefährdung.
  • Viele Menschen möchten vor einem Suizid ihre Angelegenheiten ordnen. Beispielsweise verschenken sie Wertgegenstände, setzen ihr Testament auf oder verabschieden sich von ihren Freunden und Verwandten.
  • Achtung: Wer fest zum Suizid entschlossen ist, wirkt oft ruhiger, gefestigter und weniger verzweifelt. Das kann zu dem trügerischen Schluss führen, es gehe dem Betroffenen endlich besser.

Was können Sie konkret tun, um Selbsttötungen vorzubeugen?

  • Sprechen Sie die suizidgefährdete Person darauf an. Die Befürchtung, man könne dadurch den Suizid erst provozieren, ist falsch. In aller Regel stellt es eine Entlastung dar, mit einer anderen Person über die quälenden Gedanken sprechen zu können.
  • Ziehen Sie professionelle Hilfe hinzu! Hilfe können Sie bei einem Arzt, Psychotherapeuten oder in einer Klinik suchen.
  • Zeigen Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie für ihn da sind. Begleiten Sie die gefährdete Person zum Arzt oder in die Klinik. Nachts kann das die psychiatrische Notfallambulanz sein, aber auch der ärztliche Notdienst.
  • Wenn ein Mensch unmittelbar von Suizid bedroht ist, er aber nicht mehr ansprechbar ist, dann sollte zu seinem Schutz der Notarzt verständigt werden. Wichtig: lassen Sie den betroffenen Menschen bis zum Eintreffen des Notarztes nicht allein.

Hinweise und Tipps für ein Gespräch

Um Menschen Hinweise und Tipps für das Gespräch mit einer suizidgefährdeten Person zu geben habe ich zum Welt-Suizid-Präventionstag einige Empfehlungen zusammen gefasst die helfe, die richtigen Worte zu finden um ein Gespräch zu führen.


https://de.statista.com/statistik/daten/studie/318378/umfrage/anzahl-der-suizide-in-deutschland-im-vergleich-zu-ausgewaehlten-todesursachen/

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/585/umfrage/selbstmordmethoden-in-deutschland-2006/


Noch einmal ein paar Worte und Fakten zum Freitod und der klaren Unterscheidung

Nach den ersten vorläufigen Ergebnissen überstieg die Zahl der Sterbefälle in Deutschland im gesamten Jahr 2021 mit 1 016 899 Fällen die Marke von einer Million.
In der Anzahl der obengenannten 9215 Suizidfälle sind die Freitodfälle in Ermangelung einer eigenen Statistik und separate Zählung eingegangen bzw untergegangen - die Anzahl der Freitode lag 2021 bei 346 Fällen - was weniger als 4% der selbstgetätigten Sterbefälle ausmacht - bzw wenn man alle Sterbefälle in 2021 von  1.016.899 Sterbefällen betrachtet etwa 0,03% Freitode.
Diese Verhältnis ist geringer als der Anteil der sich für das Stadtgebiet München errechnen läßt welcher bei etwa 0,08% lag.
 

Ich nenne diese Zahlen weil ich die Gewichtung der Diskussion um die Notwendigkeit einer guten und vernetzten Suizidprävention gegenüber eines Ermöglichen und der Hilfe bei wohlerwogenen, würdevollen, freigewählten, freiverantwortlichen Ablebefälle von leidenden Menschen betonen will.

Die Zahlen zur Sterbehilfe in Deutschland 2021 war bei 346 Sterbehilfe / Sterbebegleitungen die durch Dignitas oder der DGHS unterstützt wurden - unbekannt ist die Zahl derer die selbst-organisiert Sterben konnten.
Kürzlich wurden Zahlen veröffentlicht / recherchiert für das Stadtgebiet München. Die Gesundheitsämter sichten ca 45.000 archivierten Todesbescheinigungen der Jahre 2020 bis 2022 im Münchener Stadtgebiet und haben dabei 37 Sterbehilfe Fälle gefunden und recherchiert.

Diesen 346 Freitod Begleitungen die 2021 in Deutschland durchgeführt wurden, stehen über 9000 Brutal. und Verzweiflungssuizide und, nach seriösen Schätzungen, mehr als 180.000 Suizidversuche pro Jahr gegenüber.
Meiner Ansicht nach, würden viele dieser Fälle mit einer geeigneten Prävention vermieden werden. Und nur ein kleiner Anteil zu dem Entschluss zu einem selbstbestimmten und würdigen Freitod zu kommen.

Und nochmals den Hinweis / Klarstellung

Ein Freitod ist etwas völlig anderes als ein Suizid - beide Bereiche haben keine Schnittmenge. Siehe hierzu vorangegangene Artikel - Antonymie - Freitod + Suizid.





Kontakte - Hilfe Im Fall von psychiatrischer Krisen

Notfall

Notaufnahme in der Akutpsychiatrie: In größeren psychiatrischen Kliniken existieren Notaufnahmen mit Fachärzt*innen, die ähnlich funktionieren wie die körperliche Notfallmedizin. Diese sind 24 Stunden täglich erreichbar.
Schnelle Hilfe im Notfall: 112 (Rettungsdienst)

Bei Vergiftungen:

Bei lebensbedrohlichen Symptomen wie Bewusstlosigkeit, Krampfanfällen etc. rufen Sie bitte direkt den Notarzt – in Deutschland über die Nummer 112

Giftnotruf

Kostenfreie Informationen bei Verdacht auf Vergiftungen geben rund um die Uhr folgende Giftnotrufe:

Giftnotruf der Charité: 030 19240

Giftnotruf der TU München: 089 19240

Vergiftungs-Informations-Zentrale: 0761 19240



Hilfe - Rufnummern und Websites

Sozialpsychiatrische Dienste
Die Sozialpsychiatrischen Dienste unterstützen in der ambulanten Versorgung und Hilfe von Menschen mit chronischen psychischen Störungen. Sowohl Betroffene als auch Angehörige können sich beraten lassen. Die Psychiatrischen Dienste sind lokal organisiert und am besten durch eine Eingabe über eine Suchmaschine wie google.com mit den Suchbegriffe:
  • Sozialpsychiatrischer Dienst
  • eigenen Wohnort


SeeleFon/Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V. (BApK)
Bundesweite Telefon- und Mail-Beratung für Angehörige von psychisch erkrankten Menschen. Die beratenden Personen, die selber Angehörige sind, können aus eigener Erfahrung viele nützliche Hilfestellungen geben und wissen, wie wichtig es ist, verständnisvoll zuzuhören. 
Telefon: 0228 71002424


Telefonseelsorge, bundeseinheitliche Nummern
Die Telefonseelsorge bietet kostenfreie Beratung per Telefon, Mail, Chat oder vor Ort. Sie ist für jeden da, für alte und junge Menschen, Berufstätige, Nicht-Berufstätige, Auszubildende, Rentner, für Menschen jeder Glaubensgemeinschaft und natürlich auch Menschen ohne Kirchenzugehörigkeit. Die Gespräche sind anonym und die Mitarbeiter*innen rund um die Uhr erreichbar.
Telefon. 116 123

http://www.telefonseelsorge.de/

Evangelisch.: 0800  111 0 111 

Katholisch: 0800  111 0 222


Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche und Eltern
Nummer gegen Kummer e.V. hat sich zum Ziel gesetzt, Kindern, Jugendlichen und Eltern ein kompetenter Ansprechpartner zu sein bei kleinen und großen Sorgen, Problemen und Ängsten. 
Telefon Beratung für Kinder und Jugendliche: 116 111
Elterntelefon: 0800 111 0 550

https://www.nummergegenkummer.de/


Nationale Kontakt- und Informationsstelle (NAKOS) zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen
Die NAKOS ist die zentrale bundesweite Anlaufstelle in Deutschland rund um das Thema Selbsthilfe. Als Knotenpunkt vernetzt NAKOS die relevanten Akteure. Interessierte, Betroffene und Angehörige finden hier alle notwendigen Informationen. Dabei zeigt NAKOS die Vielfalt und Möglichkeiten gemeinschaftlicher Selbsthilfe auf und fördert und vertritt sie gegenüber Politik und Gesellschaft.
Telefon: 
030 - 31 01 89 60

https://www.nakos.de/



Weitere Hilfe - Gesprächsangebote und Suizidprävention

Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis sonnabends von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Sonnabend nehmen die jungen Berater des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an. nummergegenkummer.de.

Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 - 443 509 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de

Hebräischsprachige Hotline "Matan": ‚Matan‘ ist ein Projekt der Beratungsstelle ‚OFEK‚ e. V. und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).  Telefonnummer: 0800  - 000 16 42  Hotline-Zeiten: Jeden Tag der Woche 20:00-22:00 - Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Kirchlichen Telefonseelsorge (KTS) durchgeführt und durch die Deutsche Fernsehlotterie gefördert.

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de








Comments

  1. Hinterlassen Sie mir Ihren Kommentare - ich werde diese nach Möglichkeit lesen, nach Möglichkeit in neue Artikel einarbeiten und zur Inspiration nutzen - Kommentare werden aber nicht veröffentlicht

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