Sterbehilfe - Herausforderungen - Psychische Störungen

Im April in Berlin wird nun das Urteil zu Dr. Turowski gesprochen werden. Im Februar endete das Verfahren gegen Dr. Spittler in Essen (Arzt leistete einem psychisch kranken Mann Sterbehilfe – Urteil: Totschlag in „minderschweren Fall“) - 

Beide Ärzte kamen vor Gericht, da sie Patienten mit psychischen Krankheiten, die den Wunsch zu sterben begründeten, bei ihrem Tod unterstützten. Beide sollen gegen den Facharztstandard zur Sicherung der Freiverantwortlichkeit verstoßen haben.

Im Fall von Spittler, der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie ist, entschied das Gericht, dass die psychische Krankheit Oliver H.'s, dem an Wahnvorstellungen litt, seinen „freien Willen“ aufhob. Daher hätte Spittler ihm keine Infusion zur Verfügung stellen dürfen, die Oliver H., wie das Gesetz es auch vorschreibt, selbst aktiviert, geöffnet hat.

Dr. Turowski, 74, steht vor Gericht, weil er einer stark depressiven Patientin half, sich das Leben zu nehmen, ob durch deren Krankheit deren Fähigkeit zum „freien Willen“ eingeschränkt steht im Zentrum des Verfahren.

Spittler erhielt eine Gefängnisstrafe von drei Jahren wegen indirekten Totschlags, und Turowski droht eine ähnliche Strafe.

Der Sachverhalt dieser beiden Ärzte zeigt weniger die rechtlichen Grauzone auf, mehr sehe ich da Konflikt zwischen emphatischen Denken und Tun und dem was rechtliche Rahmenbedingungen nun einmal sind, in der diese und alle Ärzte, die Sterbehilfe leisten, tätig sind. 


Rechtliche Situation

Wie schon so oft hier in meinem Blog beschrieben und beleuchtet, die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2020 eingetretene Liberalisierung trifft in der Praxis auf strafrechtliche Beschränkungen.

In Bezug auf autonomen freien Willen erklärte das Verfassungsgericht, dass unter anderem der Entschluss zur Selbsttötung auf einem „autonom gebildeten freien Willen“ beruhen muss, um straffrei zu bleiben. Eine freie Entscheidung setzt voraus, dass man in der Lage ist, den Willen „frei und unbeeinflusst von einer akuten psychischen Störung“ zu bilden.

Auch der Deutsche Ethikrat meint, dass „psychische Störungen“ nicht automatisch die Fähigkeit für eine selbstverantwortliche Entscheidung zum selbstverantwortlichen Sterben ausschließen. Es kommt darauf an, wie stark die Erkrankung ausgeprägt ist. Bei affektiven Störungen wie schweren Depressionen liegt normalerweise eine „normativ relevante Beeinträchtigung der Selbstbestimmungsfähigkeit“ vor, so die Stellungnahme des Ethikrats.


Herausforderung - Psychische Störung

Ich habe ja schon mehrfach dargelegt wann Hilfe und Ärztliche Hilfe zum Sterben straffrei ist, wenn sich jemand aus freiem Willen das Leben nehmen will. Dies ist immer herausfordernd, aber um so mehr wenn jemand eine psychische Störung hat, dabei aber kognitiv uneingeschränkt und auch handlungsfähig ist.

Nach wie vor sehe ich Keine Notwendigkeit eines Gesetz zur Sterbehilfe – Nach wie vor sehe ich aber einen Bedarf von Initiative zur Fortbildung, Sicherung des Status Quo zur Straffreien Hilfe, Prinzipien der Hilfe.

Gerade bei psychische Störungen, denke ich wäre ein Vier-Augen-Prinzip von zwei Ärzt*innen - dabei denke ich keinesfalls ausschließlich an, aus psychiatrischer Sicht, erstellte Leitlinien, ich denke da vielmehr an Leitlinien die nicht starr sind, die vielmehr auf die individuelle Person und Situation auch individuell eingehen kann, die interdisziplinär sind.

Die Situation von Patient*innen mit einer lebensbegrenzenden Krebserkrankung oder stetig fortschreitenden Erkrankungen, die aus Sicht der Betroffenen deren selbstverstandenen Lebensqualität nehmen wird, unterscheidet sich beispielsweise von der eines hochaltrigen Menschen in einer Pflegeeinrichtung, unterscheidet sich von jungen Menschen die keine Lebensperspektive sehen. 

Es gebe allerdings gemeinsame Aspekte, die Leitlinien bilden die übergreifend gelten, die in allen Situationen erfüllt sein müssten – hier sehe ich den Aspekt des Informationsverständnisses hinsichtlich der Handlungsoptionen und deren Konsequenzen, die Fähigkeit, diese Informationen vor dem Hintergrund persönlicher Wertvorstellungen und Werthaltungen, der persönlichen Würde, der individuellen Definition und Verständnis von Leben und Lebensqualität abzuwägen sowie die Kommunikation einer Entscheidung.

Die Entwicklung solcher Leitlinien, sehe ich als wichtiger an als das Entwerfen von einem neuen Gesetzrahmen getrieben von unterschiedliche professionsethische konservativen Haltungen, die dann nur in einem Verbotsgesetz enden wie er letztes Jahr durch die Abgeordnetengruppe um Prof. Dr. Lars Castellucci, Ansgar Heveling, Dr. Kirsten Kappert Gonther, Petra Pau, Stephan Pilsinger, Benjamin Strasser, Kathrin Vogler, Katrin Göring-Eckardt, Hermann Gröhe, Hubertus Heil (Peine), Mechthild Heil, Julia Klöckner, Michelle Müntefering, Dr. Rolf Mützenich, und Cem Özdemir,  Claudia Roth (Augsburg), Jens Spahn und weiterer Abgeordneten ersonnen wurde.
Der Gemeinschaftsentwurf von Frau Katrin Helling-Plahr und Frau Renate Künast und deren Abgeordnetengruppe war schon besser, aber auch nicht das was wirklich hilfreich war. Ob der Entwurf der unter der Federführung von Prof. Dr. Armin Grau entsteht läßt mich zweifeln, weil das was ich lesen konnte ist eher ernüchternd.

Leitlinien die Anfragen nach Assistenz und Hilfe zu einem Freitod, bei Ärztinnen und Ärzten sowie Vertretern weiterer Gesundheitsberufe keine Fragen aufkommen lassen, als die Fragen die man der / dem Sterbewilligen stellen würde – Leitlinien die zu einem professionellen und rechtssicheren Umgang helfen würden sehr hilfreich. Und wie ich oben schon schrieb eine Neuauflage eines § 217 StGB, wie ihn die Abgeordneten Prof. Dr. Lars Castellucci, Ansgar Heveling, Dr. Kirsten Kappert Gonther, Petra Pau, Stephan Pilsinger, Benjamin Strasser, und Co wollen ist in keiner Weise zielführend


Mein Fazit

Die Entscheidung eines Menschen, aus dem Leben gehen zu wollen, ist in unserer Gesellschaft nicht respektiert auch oft nicht toleriert. Wer Leid oder Schmerz nicht mehr ertragen kann, wer seine Würde derart verletzt sieht, wer auch bei bester Pflege und Hilfe wohlerwogen sagt, dass das eigene Leben abgelebt ist, dass man Lebenssatt ist, muss endlich mit Respekt behandelt werden - darf und sollte Andere um Hilfe zum Sterben bitten können. 
Wer die Zügel seines Lebens in den Händen hält, will dies und möchte dies auch bis zum Schluss und die Gangarten des Lebens spüren bis man für sich zum Halt kommt und kommen will. Mehr dazu in diesem Artikel



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