Die Macht der Worte - Bedeutung der Wahl eines Vokabulars für das Sterben und Hilfe beim Sterben

Die Macht der Worte - Worte wirken - Um so mehr bei kontroversen und kritischen Themen

Sprache hat einen verblüffenden Einfluss auf das Denken - unsere Muttersprache oder eine Sprache die wir gut beherrschen beeinflusst sogar, wie wir die Welt sehen
In meinem Fall noch mehr zumal ich in Bildern und Grafiken denke und damit jedes Wort erst in 'Bilder' und dann wieder diese 'verstandenen' Bilder in Worte zum Antworten, transferieren muss.


In diesem Artikel soll es wieder einmal um Worte und Wortwahl gehen.

Worte haben nicht nur einen verblüffenden Einfluss, sondern einen sehr logischen Einfluss auf das Denken:
Andere können uns durch Wörter subtil manipulieren aber wir uns selber auch. Die Kraft und Macht von Worten sollte nicht unterschätzt werden, da sie sowohl trösten als auch tiefe Wunden verursachen können. Einige Worte können uns tagelang, vielleicht sogar jahrelang verfolgen. Es ist auch wichtig darauf hinzuweisen, dass unsere eigenen Worte nicht ohne Einfluss auf uns bleiben. Zum Beispiel kann das Aussprechen eines Tabuwortes physische Anzeichen von Stress in uns selbst auslösen.


Wortbedeutung / Wortgeschichte

Auch wer nicht in Bildern denkt verknüpft mit Worten immer Bedeutungen - das kann nicht anders sein da Worte nur das Transfermittel zur Kommunikation ist. 
Darum ist mir eine gute Sprache und Wortwahl wichtig. Wer meinen Blog schon länger kennt erinnert sich ggf. an ...

Antonymie - Freitod + Suizid

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Suizid & Freitod - Unterschiedliche Worte, Anlässe und Unterschiedliche Bedeutungen

Euthanasie und assistierter Sterbehilfe sind zwei Themen und damit Bedeutungen, die im Laufe der Geschichte und immerfort diskutiert wurden und werden, vor allem, weil sie in den Rahmen des Lebens als Menschenrecht fallen, das seit vielen Jahren verteidigt wird.

Die Bedeutung des Wortes Euthanasie als guter Tod erzeugt jedoch Konflikte auf sozialer, moralischer und ethischer Ebene - und für Leute die sich nie oder selten mit Wortbedeutung und Wortgeschichte befasst haben der Hinweis - Sprache und Worte sind in stetigem Wandel.


Euthanasie (altgriechisch εὐθανασία; von εὖ eu, „gut, richtig, schön“, und θάνατος thánatos, „Tod, Sterben“)

Das Wort Euthanasie leitet sich vom griechischen Wort „eu“ ab, das gut bedeutet, und dem Wort „thanatos“, das Tod bedeutet; daher ist die etymologische Bedeutung dieses Wortes „guter Tod“.
Im Laufe der Zeit hat sich die Bedeutungsentwicklung verändert; wie wir weiter unten sehen werden, wurde es sogar als eine Form der Ausrottung von Menschen betrachtet, die unter der Bezeichnung ein weniger würdiges Leben führten. 

Zusammenfassend:

  • ursprünglich: ein aus der Sicht des Sterbenden und seiner Angehörigen „guter Tod“, „schöner Tod“ oder „gutes Sterben“
  • veraltet: Sterbehilfe, die Unterstützung von Sterbenden in der letzten Lebensphase oder bei der vom Sterbenskranken oder unheilbar Kranken gewünschten Herbeiführung des Todes zur Vermeidung eines qualvollen Sterbens
  • veraltend: Einschläferung oder sonstige möglichst schonende Tötung von Tieren zur Verhinderung unnötiger Leiden

Vor allem ist der Begriff Euthanasie, weil der Tod ein Verlust ist, ist es schwierig, ihn als etwas Positives zu begreifen. Darüber hinaus brachten mehrere historische Ereignisse, wie die Jahre von 1933 bis 1945, den Begriff Euthanasie mit Mord in Verbindung als mit einer freundlichen und mitfühlenden Taten - siehe ursprüngliche altgriechische Bedeutung.


Verwendung des Wortes Euthanasie

Wissenschaftliche, medizinische Texte und seltener Rechtstexte erwähnen, dass Euthanasie der Prozess ist, bei dem durch die Anwendung oder Unterlassung klinischer Maßnahmen der Tod eines unheilbaren oder unheilbaren Patienten beschleunigt werden kann, um übermäßiges Leiden zu vermeiden.

Der Unterschied zwischen Euthanasie und assistiertem Sterben besteht darin, dass bei letzterem der Patient die letzte Handlung ausführt; beide Praktiken können und werden jedoch unter dem Begriff Sterbehilfe zusammengefasst - was aber kritisch ist, da nun einmal ein Gegensatz zwischen Aktiv und Passiv besteht.

Ich gehe auch gerne tiefer auf die Definition ein und meine, dass für die Bedeutung von Euthanasie wesentliche Elemente des Wortes berücksichtigt werden müssen, wie etwa die Tatsache, dass es sich um eine Handlung handelt, die den Tod herbeiführen soll und die durchgeführt wird, um das Leiden des Sterbenden zu beenden.

In diesem Zusammenhang ist mir wichtig ...
Andere Elemente mit sekundären Charakter in der Definition sind die Einwilligung des Patienten (die unter Achtung der Autonomie und Freiheit im positiven und negativen Sinne erteilt werden muss; das heißt, die Handlung darf in keiner Weise erzwungen werden).
Ein weiteres Element ist der tödliche Charakter der Krankheit mit einem irreversiblen Ausgang, der zu Unsicherheit und einem Verlust der Würde führt.
Das dritte sekundäre Element ist die Abwesenheit von Todesschmerz durch den Einsatz von Medikamenten wie hochwirksamen Analgetika, einschließlich Opioiden, hochwirksamen Muskelrelaxantien und sogar Narkosemitteln.
Das letzte Element ist schließlich der gesundheitliche Kontext, in dem die Handlung durchgeführt wird.

Laut der Weltgesundheitsorganisation stellt die Vereinigung dieser beiden Komponenten die aktuelle Definition der Euthanasie dar, die sie beschreibt als „die von einer Person vorgenommene Handlung, um den schmerzlosen Tod eines anderen Menschen herbeizuführen oder den Tod im Falle einer unheilbaren Krankheit oder eines irreversiblen Komas nicht zu verhindern. Darüber hinaus unter der ausdrücklichen Voraussetzung, dass der Patient körperlich, emotional oder spirituell leidet und dass dieses Leiden mit herkömmlichen Maßnahmen wie medizinischen Behandlungen, Schmerzmitteln usw. nicht beherrschbar ist; dann besteht das Ziel der Euthanasie darin, dieses Leiden zu lindern“.

Man könnte sagen, dass leider der Begriff Euthanasie im Laufe der Jahre missbraucht wurde und andere "Praktiken" und Gedanklicheverknüpfungen wurden mit diesem Wort verbunden, aber ich sehe es auch positiv so können wir besser kommunizieren und gewaltsame Tode, Brutalsuizide von wohlerwogenen, selbstbestimmten, wohldurchdachten Freitoden unterscheiden.
Generell ist es merklich, das weltweit, primär im Deutschsprachigen und Englischsprachigen Raum das Wort Euthanasie vermieden wird. Wenn es gebraucht wird, dann als Wortbestandteil bei Aktiver Sterbehilfe. Oder um eine klare oder tendenziöse Haltung gegen ein wohlerwogenen, selbstbestimmten, wohldurchdachten Sterben zu kommunizieren.


Standpunkte:

Es ist wichtig, den Standpunkt von Ärzten, Gesprächspartnern zu Euthanasie und assistiertem Sterben / Sterbehilfe zu kennen. Vor vor allem wenn es um Sterbehelfer und Sterbebegleiter geht und man berücksichtigt, dass diese Fachkräfte die Patienten in diesem Moment betreuen und begleiten, die medizinische Gemeinschaft sowohl des öffentlichen als auch des privaten Gesundheitssystems einbeziehen würden.
Es ist zwar einfach anzunehmen, dass Ärzte eine Position zugunsten der Sterbehilfe einnehmen, da sie in direktem und kontinuierlichem Kontakt mit Situationen am Lebensende stehen, wie etwa in der Palliativpflege, mit unheilbar Kranken und Schwerstkranken.
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass der hippokratischen Ärzteeid, die bei der Graduierung der Ärzte abgelegt wurden, meist als kategorisch Ablehnung Sterbehilfe verstanden wirdund zum Ausdruck bringen. 

Darüber hinaus ist es auch wichtig festzustellen, dass viele der ältesten Universitäten der westlichen Welt aus der katholischen Kirche hervorgegangen sind; und eben dieser Glaube verurteilt die Praxis der Sterbehilfe und verurteilt sie bis zum heutigen Tag.
Diese Situation führt dazu, dass viele Medizinstudenten an diesen Schulen ein Verhalten an den Tag legen, das auf humanistischen Prinzipien im Schutz des Glaubens und der Religion beruht, und deshalb die Möglichkeit der Sterbehilfe ablehnen.

Ich sprach im ersten Satz von 'wichtig sie zu kennen' - wenn es nicht der Fall ist, dass man sie kennt, dann erkennt man die Haltung des / der Gesprächspartner oft an der Wortwahl.


Entwicklung und Akzeptanz der Sterbehilfe

Derzeit entkriminalisieren oder erlauben mehrere Länder Sterbehilfe, darunter Deutschland seit etwa 1871 (sehr blockiert von 2015 bis 2020), die Schweiz, Niederlande, Luxemburg, Belgien, Spanien, Kolumbien, Chile, Kanada und verschiedene Bundesstaaten der Vereinigten Staaten, nämlich Oregon, Vermont, Washington, Kalifornien und Montana. (Sterbehilfe - Was ist erlaubt?)

Ergänzend ist es interessant die Benamung der Gesetze zu kennen - Gesetze zur Regelung der Sterbehilfe haben weltweit unterschiedliche Namen; in den 

  • Niederlanden ist das Gesetz als „Gesetz zur Lebensbeendigung“ bekannt,
  • in Belgien und Frankreich heißt es „Euthanasiegesetz“ (in Belgien existiert aber auch die aktive Sterbehilfe, in Frankreich soll es dazu im Mai 2024 einen Gesetzentwurf geben, in der Niederlande die auch aktive Sterbehilfe erlauben 'Lebensbeendigung')
  • in Oregon (USA) heißt es „Death with Dignity Act“, 
  • in Kalifornien „End of Life Option Act“. 
  • In Kanada heißt es „Medical Assistance in Dying Act“. 
  • In Victoria (Australien) gibt es das „Volunteer Assisted Dying Bill“,

Mein Favorit ist die Bezeichnung von Oregon da dort die Würde im Vordergrund steht.

Die Tatsache, dass sich immer mehr Länder der Gesetzgebung zur Sterbehilfe anschliessen, bedingt auch die Diskussionen und Meinung von Denkern, Politikern, Philosophen und Ärzten ans Licht gebracht.
Und es ist wichtig, dass wir im Dialog bleiben, bei einer abgewogenen und gut gewählten Wortwahl.

Eine offene und authentische Gespräch ist ein wesentlicher Faktor im zwischenmenschlichen Austausch, der sowohl zu Misserfolgen als auch zu Erfolgen, Unruhe oder Harmonie, Konflikten oder Kooperation führen kann.
Die Dynamik eines Dialogs ist ein komplexes Zusammenspiel aus vielen sich ständig überschneidenden Komponenten. In der Kommunikation teilen wir Informationen, fordern andere zum Handeln auf und drücken unsere Gefühle aus. Kommunikation erfordert Gegenseitigkeit, da wir eine Reaktion auf unsere Aussagen erwarten.
Gesprächspartner interagieren miteinander, indem sie Wörter, Betonungen, Sprechpausen, aber auch Gesichtsausdrücke und Gesten als kommunikative Werkzeuge verwenden. Die Ausgestaltung dieses Prozesses ist von allen Beteiligten abhängig.



In Addition ...
Einer meiner Leser schrieb mir und zitierte Mark Twain, und das Zitat passt sehr gut, zumindestens in meinem Verständnis. 

"The difference between the almost right word and the right word is the difference between the lightning-bug and the lightning."

„Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen dem Glühwürmchen und dem Blitz.“




Quellen:

Psychologe: Warum Selbstmord und ärztliche Sterbehilfe wirklich unterschiedlich sind – Jeff Gardere 2021

Die Bedeutung der Wahl eines Vokabulars für das Sterben – André Picard 2012






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