Leid heißt nicht nur Schmerz - Gedanken zum Freitod

Mittlerweile erkennen und sehen es die meisten Menschen als unzweifelhaft an, dass man als Menschen ganz selbstverständlich für sich selbst verantwortlich ist "Eigentümer des eigenen Lebens und Körpers' ist und frei über sich selber entscheiden kann, als Individuum und Teil einer Gemeinschaft. (Zahlen und Fakten)

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Art.1 GG

Jeder Mensch möchte leben.

Ethiker, Ärzte, Juristen und Theologen streiten heftig darüber, inwiefern Suizid und Suizidbeihilfe moralisch legitim sind - ich denke viel von diesem Streit kommt daher, dass die Gedankenwelt und Wortwahl zu diesem Streit führt - SUIZID. Aber es geht bei der Hilfe zum Sterben NICHT um einen Suizid, nicht im Ansatz und nicht in der Ausführung. Bei der Hilfe zum Sterben geht es um Freiheit - darum gibt es den Begriff und das Verständnis von Freitod. Und nicht um Suizidhilfe sondern um Sterbehilfe. 
Es geht sich nicht um Gewalt gegen sich selber, wie bei einem Suizid (Suicid; lateinisch sui „seiner selbst“ und caedere „fällen, niederhauen, erlegen, vernichten, zerschlagen“). Diese gewaltsamen Gedanken bestehen NUR bei einem Suizid / einem Selbstmord - und hier ist jeder Aufgerufen diesen Menschen zu helfen, dem Leben eine Chance zu geben, sich selber eine Chance zu geben - zu überlegen, welche Möglichkeiten es geben könnte, um zu Verbesserungen zu kommen. 

Und diese Ethiker, Ärzte, Juristen und Theologen streiten ebenso, wie eine ganze Reihe Anstrengungen und  Überlegungen machen, wie stark die mittlerweile wieder erlaubte Beihilfe, durch Sterbehelfer in Deutschland, gesetzlich eingeengt, reglementiert und in engste Bahnen reglementiert werden soll. Primär wegen unpassenden Weltbildern und Artikulationen, aber auch und hier haben wir es überalterten Weltbildern und theoretischen oder theologischen Weltanschauungen zu tun, weil eine übergeordnete Geistige Macht oder geistig, religiöser Lehrende es so diktieren (Antonymie - Freitod + Suizid) und die Individualität und Freiheit des Einzelnen nicht realisieren wollen.

Bei Ärzten und Psychologen besteht die Herausforderung den Menschen und nicht die Symptome zu sehen. Wer sich 'umbringen' will, befindet sich nach Ansicht von Ärzten oft in einer psychischen Notlage oder sogar in einem pathologischen Zustand. Hier kommt erneut und wiederholt in der Wortwahl die Wahl der Gedanken zum Vorschein.
Meine Erfahrungen im Gespräch mit Personen mit Suizidgedanken, ist dies, nur bei diesen Personen fallen Worte wie 'umbringen' oder 'sich ermorden' - hingegen bei Sterbewilligen die den Freitod haben wollen werden Wort geäußerte worden wie "sterben", "ableben", "gehen-lassen", "dauerhaft einschlafen" ... Worte die eigentlich jedem zeigen und signalisieren, dass es nicht um Gewalt gegensich selber handelt - sondern um Selbstwahrnehmung und Wohlerwogenheit.
Es gibt vermehrt die vorgefertigte, vorgefasste Auffassung von Gruppen und Weltanschauungen, dass Menschen mit Absicht und Gedanken Sterben zu wollen - Gewalt gegen sich selber verüben wollen - und müssten deshalb vor sich selbst geschützt werden – notfalls auch mit Zwang durch die Einweisung in eine psychiatrische Klinik. Der Mensch wird dabei willentlich, wissentlich oder nur durch Gleichmacherei abgefertigt und nicht gesehen - geweige hin seine Seele und Würde.

Doch nicht nur seit den letzten Jahren / Jahrzehnten machen sich Menschen Gedanken über ein freigwähltes Ableben. Der Streit über die moralische Bewertung der Beendigung des eigenen Lebens geht weit zurück in die Vergangenheit. Schon in der Antike haben Philosophen dies sehr unterschiedlich gesehen. Im ersten Jahrhundert nach Christus betont der berühmte römische Philosoph Seneca das Recht, frei über den eigenen Tod zu bestimmen. Als Stoiker fürchtete er ein 'schäbiges Leben' mehr als den Tod.

Dauerhaftigkeit und die Wohlerwogenheit

In Deutschland begehen jedes Jahr etwa 10 000 Menschen Suizid - siehe letzter Artikel. Deshalb hat die Gesellschaft dem Suizid längst den Kampf angesagt. Sie forschen, klären auf, bieten Therapie und Hilfe in Krisensituationen an. Eine unbestrittenes wichtiges Thema und Arbeit. Auch ich als jemand der das frei verantwortliche Sterben unterstütze - kann bei weitem nicht jeder Wunsch zu Sterben gutheißen oder als  akzeptabel einordnen - darum braucht es die Dauerhaftigkeit und die Wohlerwogenheit - die so gut im Urteil des Bundesverfassungsgericht niedergeschrieben und ausgesprochen wurde - wenn dies vorhanden ist und für Helfer, wie mich, und Ärzte meist nur wenig was gegen eine Hilfe zum Sterben Bestand hat, zuwiderspricht. Aber hier fehlt es bei vielen Sterbewilligen so sehr wie bei Helfenden sich mit dem Thema und dem Einzelfall zu beschäftigen.

Ein Wunsch zu Sterben, ein Freitod ist nach meiner Ansicht dann frei verantwortlich und akzeptabel, wenn dieser Wunsch, der individuelle Gedankengang frei von augenblicklichen aussichtslosen oder temporär hoffnungslosen Motiven, keinen Täuschungen, Druck von Dritten ist.
Wichtig ist mir, dass die Gründe für einen Wunsch zu Sterben, einem Freitod unzweifelhaft nachvollziehbar, in sich und für die individuelle Person schlüssig und rund ist, fassbar und dauerhaft stabil ist. Dann versuche ich zu helfen, sollte die Familie, Freunde und Gesellschaft den Freitod akzeptieren.

Jeder Mensch möchte leben. Würdevoll leben ohne Leiden am Körper und der Seele. Mensch sein, Lebendig sein. Nicht jeder Todkranke, leidende Mensch ob es Krankheit ist oder Lebenssattheit  bekommt einen Palliativ- oder Hospizplatz oder möchte sediert in den Tod dämmern. Einige Menschen wollen ihr Leid abkürzen, gut Abschied nehmen, bewußt letzte Erlebnisse haben und damit sich würdevoll empfinden und damit auch seinen Liebsten gut in Erinnerung bleiben. Und um wieder einmal meine verstorbene Frau zu zitieren nicht wie ein 'Stück Fleisch" im Bett, oder hilflos in einem Patientenlifter wie ein "Stück Fleisch" am Haken.
Leid heißt nicht nur Schmerz - der durch ein Schmerzmittel behandelbar ist. Es gibt Leiden, das kann man auch als Ärztin / Arzt nicht beheben. Also Leiden am eigenen Verfall oder an dem Verlust dessen, was man selbst als die eigene persönliche Würde empfindet. 

Siehe auch Freiverantwortlichkeit - Einsichtsfähigkeit, Urteilsfähigkeit und Entscheidungsfähigkeit


'Dammbruch'

Das Szenario eines 'Dammbruch', welches so gerne genannt wird, gestützt wird von Statistiken und selektiven Annahmen und der Ausblendung einer holistischen Betrachtung sehe und höre ich als sehr problematisch an da irreführend, aber ggf ist genau das die alleinige Absicht derjenigen die diesen 'Dammbruch' nennen, weil es eine Zwangsläufigkeit unterstellt, die nicht haltbar ist und nicht belegbar oder prüfbar ist oder werden kann. Gerade dabei darf nicht vergessen werden, niemand kann verpflichtet werden, so das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, weder Arzt / Ärztin oder sond ein Helfer, gegen seine Überzeugung Sterbehilfe zu leisten. Umgekehrt darf aber niemand einem Sterbewilligen den eine frei verantwortliches Sterben und Suizidbeihilfe verbieten, wie es die AfD will, oder einschränken, oder auch soweit einzuschränken bis hin zum Verbot von Informationen zur Sterbehilfe wie es der Gesetzentwurf von der Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci will.

Niemand, weder 'guter Freund' oder Lebenspartner, noch Ärzte oder Theologen steht es zu, von außen oder von oben herab zu urteilen / zu belehren:

  • 'Du willst doch gar nicht sterben, ich weiß das besser."
  • "Leben ist immer und zu allen Zeiten zu leben."
  • "Es ist Gott gegeben. Leiden gehört zum Leben."

Das ist übergriffig und anmassend und geht an den innersten Bereich der autonomen Persönlichkeit und tangiert damit die menschliche Würde. 

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Art.1 GG



Artikel in diesem Kontext:

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Notwendigkeit der Einwilligungsfähigkeit, Einsichts- und Urteilsfähigkeit, und Freiverantwortlichkeit

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Suizid & Freitod - Unterschiedliche Worte, Anlässe und Unterschiedliche Bedeutungen


Auslegung von Gesetzen - Allgemein und mit Blick auf die Sterbehilfe

Der Gesetzentwurf von der Abgeordnetengruppe um Prof. Dr. Lars Castellucci, Ansgar Heveling, Dr. Kirsten Kappert Gonther, Petra Pau, Stephan Pilsinger, Benjamin Strasser, Kathrin Vogler, Katrin Göring-Eckardt, Hermann Gröhe, Hubertus Heil (Peine), Mechthild Heil, Julia Klöckner, Michelle Müntefering, Dr. Rolf Mützenich, und Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Jens Spahn und weiterer Abgeordneten 

Umgang mit dem Tod bei den fünf Weltreligionen - Was kommt im Tod








Comments

  1. Ihre Kommentare sind mir willkommen, da sie mir helfen mich selber zu reflektieren, Nach Bedarf und Möglichkeit antworte ich Ihnen. Publizieren werde ich keine Kommentare.

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