Auslegung von Gesetzen - Allgemein und mit Blick auf die Sterbehilfe

Gesetze sind auslegungsbedürftig. Nicht nur weil die Sprache, in der sie verfasst wurden, oft nicht präzise genug ist, um den Absichten ihrer Schöpfer vollständig zu entsprechen, alle Umstände, Rahmenbedingungen und Situationen vollständig abzudecken. Damit ist es notwendig, dass die Wortlaut und Intention des Gesetzes interpretieren und eine angemessene Kontext und Anwendung bei der Auflösung der jeweiligen Problematik finden.

Ich schreibe dies, bzw der Artikel ist motiviert aus der Erfahrung die ich machte, bei der Unterstützung bei Sterbewilligen, bei Ärzten die den Landesärztekammern angehören die den Satz "Es ist ihnen verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten." oder einen ähnlichen Satz in deren Berufsordnungen  des §16 (Beistand für den Sterbenden) stehen haben. (Hier ein Link zu den Berufsordnungen  in den Bundesländern). Auch wenn mein Verständnis, diese Satzes, der ist, dass der Satz "Es ist ihnen verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten." (und ähnliche) auf und nur auf Aktive Sterbehilfe abzielt. (Siehe unten eine Erläuterung der Sterbehilfeformen). Und diese Verständnis ist konform mit den Juristen, von denen ich mich aktuell beraten lassen, die auch das Verfahren über die Verfassungsbeschwerde zum nun seit Februar 2020 verbotenen §217 STGB angestrengt und durchgeführt haben.

Aber zurück zur Wichtigkeit und Notwendigkeit, der Auslegung von Gesetzen. Diese sind deshalb besonders wichtig, da Gesetze nun einmal abstrakt formuliert sind, und auf einen Einzelfall nicht eingehen und erfassen können - und dass damit der oben genannte Satz, Ärzte die verständlicherweise Sorgen und Ängste zu Rechtmäßigkeit und beruflicher Sanktionen haben, entweder bei diesen Satz ins Stocken geraten oder mit dem Thema Sterbehilfe nicht tangiert werden wollen. 
Wenn sie dies bei ihrem Arzt bei einem Vorgespräch zur Sterbehilfe, oder Offenheit einen Freitod zu begleiten verspüren (Emphatie ist wichtig Arztgespräch zur Sterbehilfe) - dann bereiten sie sich und den Arzt vor um die faktische und reale Auslegung zu klären. Ich habe im Einzelfall den Ärzt*innen angeboten auf meine Kosten bzw des Sterbewilligen eine Fachanwaltliche Beratung zu finanzieren. Um die Auslegung auf den konkreten Einzelfall zu prüfen.


Was verstehe ich unter Auslegung eines Gesetzes?

Grundsätzlich, bzw. im Regelfall gibt es, wie ich während meinem Architektur- und Stadtplanung-Studium lernte, bei Gesetzen immer die Problematik der Frage nach dem Auslegungsziel.
Im Baurecht wurde uns gesagt, dass man nie ein Paragraphen lesen sollte ohne auch die Kommentare zu einem Paragraphen zu lesen.
Sowie Sichtweisen der subjektiven Theorie und der objektiven Theorie, beide Theorien fragen zwar nach dem Sinn und Zweck des jeweiligen Paragraphen und Gesetzes.

  • Subjektive Theorie fragt nach dem Willen des Gesetzgebers - hiermit kommen Probleme auf ...
    • Der Wille des Gesetzgebers oft unklar
    • Wille und Normen wandeln sich mit der Zeit - wurde ggf etwas nicht bedacht, und heute hineininterpretiert  

  • Objektive Theorie hingegen fragt nach dem „Willen“ des Gesetzes - welchen es nicht geben kann - darum fragt die objektive Theorie nach dem Willen des Auslegers ...
    • Jetzt wird es endgültig problematisch, da es keinen „Willen“ des Gesetzes gibt. Es gibt nur den Willen des Gesetzgebers und den des Auslegers. Da es in der subjektiven Theorie auf den Willen des Gesetzgebers ankommt, fragt die objektive Theorie nach dem Willen des Auslegers.

Bei der Auslegung von Gesetzen geht es auch um die Ermittlung des / der Zwecke:

Zwecke der einzelnen Vorschrift

  • Konkretes Regelungsbedürfnis
  • Konfliktlage
  • Motiv und Motivation des Gesetz

Zwecke des Gesetzes / Rechts

  • Sachgerechtigkeit
  • Praktikabilität und Effektivität
  • Schaffung von Ordnung
  • und schließlich 'Gerechtigkeit' und 'Gleichbehandlung' - aber da Gerechtigkeit stark subjektiv ist - fragt sich ob ein Gesetz überhaupt 'Gerechtigkeit' schaffen kann? (Naturrecht im gesetzten Recht)


Debatte um Gesetzesentwürfe

Wie man in diesem Artikel sieht - ich habe meine Kritik und Probleme mit Gesetzen im Allgemeinen (das mag teilweise an meiner MC Geschichte liegen) auch wenn mir klar ist, dass man Gesetze braucht, aber dass Gesetze immer Problembehaftet sind, auszulegen sind oder auslegbar sind.

Ebenso kann man meinen Artikel, klar geäußert oder mitschwingend, erkennen, dass ich einerseits denke, dass eine Neuregelung der Sterbebeihilfe nicht zwingend erforderlich ist - im Grunde auch unnötig, da es in den letzten drei Jahren mehr oder minder gut möglich war Sterbehilfe zu bekommen und zu geben - aber auch immer mit Unsicherheiten behaftet.
Ich schau skeptisch in die Zukunft mit den geplante Neuregelung und Hürdenlaufen zu einer Sterbehilfe. Nochmals ich denke eine Neuregelung der Sterbebeihilfe ist nicht zwingend erforderlich wenn ...

  • In jedem Fall das Betäubungsmittelrecht angepasst wird.
  • Ärzt*innen brauchen von Ärztekammer unmissinterpretierbare Regelungen (siehe hierzu auch "Ärztliche Unterstützung bei Sterbehilfe")
  • Exekutive in Deutschland (Staatsanwaltschaft, Polizei und Kriminalpolizei) brauchen ebenso klare Regelungen und Fortbildungen (ich habe bislang nur wenige Beamte erlebt die über die aktuelle Rechtslage seit 2020 aufgeklärt sind - Polizeiliche Ermittlung im Fall eines Freitod)


Abschließend bin ich der Meinung

Eine ethisch und moralische  'richtige' Entscheidung über die Ausführung einer Sterbehilfe kann nur mit genaue Kenntnis der individuellen Sachlage getroffen werden und ganz gleich welche ethischen Grundsätze eine Argumentation stützen und ein Gesetz einen Rahmen setzt, so kann, so notwendig die vorgenannten Argumente und Rahmenbedingen auch sind, eine allgemeine Beurteilung doch niemals den individuellen Ansprüchen der Betroffenen gerecht werden. Sterbehilfe eine ethische Zwickmühle



Und nochmals (früher Artikel hier auf meinem Blog) in diesem Zusammenhang zur Auslegung des Gesetzentwurf der Abgeordnetengruppe um ...

Prof. Dr. Lars Castellucci, Ansgar Heveling, Dr. Kirsten Kappert Gonther, Petra Pau, Stephan Pilsinger, Benjamin Strasser, Kathrin Vogler, Katrin Göring-Eckardt, Hermann Gröhe, Hubertus Heil (Peine), Mechthild Heil, Julia Klöckner, Michelle Müntefering, Dr. Rolf Mützenich, und Cem Özdemir,  Claudia Roth (Augsburg), Jens Spahn und weiterer Abgeordneten.

Die Vertreter des restriktivsten Gesetzentwurf nennen als Begründung, als Ausrede wiederholt, dass deren Entwurf ja faktisch möglich ist , damit dem Urteil des Bundesverfassungsgericht gerecht werden und damit faktisch ermöglichen. Den Vertretern des restriktiven Gesetz, wie Herrn Castellucci, ist sehr wohl bewusst, dass deren Hürden ein würdevolles Sterben nur faktisch möglich macht, aber im Regelfall kaum bewältigbar ist. Darum bin ich der Ansicht, dass diese  den Begriff 'faktisch' mit dem / den Begriffen 'rechtlich' bzw 'rechtsförmlich'  bewusst verwechseln. Weil 'faktisch' im eigentlichen Sinne bedeutet tatsächlich, und in Abgrenzung zu rechtlich bzw rechtsförmlich genutzt wird.


Formen der Sterbehilfe

  • Aktive Sterbehilfe - Als aktive Sterbehilfe bezeichnet man die Tötung eines anderen Menschen auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin.
  • Assistierte Sterbehilfe - Die Beihilfe zur Selbsttötung, auch assistierte Selbsttötung betitelt, oder auch Suizidbeihilfe und assistierter Suizid genannt, ist das Beschaffen und/oder Bereitstellen der Mittel für einen Sterbewilligen.
  • Indirekte Sterbehilfe - Die indirekte Sterbehilfe wiederum bezeichnet einen Fall, in dem Medikamente verabreicht werden, die zur Linderung von Leiden führen sollen wie Schmerzen oder Angst, aber gleichzeitig einen vorzeitigen Tod bewirken können. Ein Beispiel für diese Form ist die Verabreichung von Opium, welche in früheren Jahrhunderten durchgeführt wurde.
  • Passive Sterbehilfe - Die passive Sterbehilfe ist das Unterlassen oder Einstellen lebenserhaltender Maßnahmen im Falle einer Krankheit oder nach einem Unfall.



Comments

  1. Kommentare sind willkommen. Ich lese diese, beantworte bei Bedarf und Notwendigkeit, aber ich publiziere keine. Danke für Ihr Verständnis.

    ReplyDelete

Post a Comment

Popular posts from this blog

Sterbehilfe bei psychisch kranker Studentin - Berlin 2024

Sterbehilfe - Organisation, Hilfe finden, Kosten

Medikament - Freitod

Leid heißt nicht nur Schmerz - Gedanken zum Freitod

Wie werden in wenigen Tagen die Abgeordneten über die Sterbehilfe abstimmen?