Wenn Trauer mit zur Arbeit kommt – und kaum jemand vorbereitet ist

Trauer am Arbeitsplatz – Zwischen Menschlichkeit und Verantwortung

Wer mit Menschen arbeitet, im Team arbeitet, kann und wird es wahrnehmen, wir sind mit allem was wir haben bei der Arbeit.
Alle unseren Stärken und dem was dem gegenübersteht, damit sind wir auch bei und in der Arbeit.
Und wenn uns etwas bewegt oder erschüttert kommt dies auch mit zur Arbeit. Bevorstehende Ereignisse, wie die Information einer Krankheit oder anderen Schicksalswendung (Antizipatorische Trauer), geschehene und aktuelle Ereignisse.

Wir erlebt es regelmäßig:
Trauer ist da.
Manchmal greifbar.
Manchmal verborgen.
Aber immer mächtig.

Und auch wer selbst trauert, weiß:
Der Verlust eines geliebten Menschen, Lebewesen, der Verlust einer Sache die im am Herzen lag -  verändert alles – auch, wie wir arbeiten. Wie wir denken. Fühlen. Reagieren.
Trauer macht nicht an der Bürotür halt.

Was viele Betroffene und Fachkräfte längst spüren, wird zunehmend auch wissenschaftlich untersucht. Aktuelle Studien bestätigen:

  • Trauer ist real – auch am Arbeitsplatz.

  • Viele Unternehmen sind nicht vorbereitet.

  • Es fehlen Strukturen, Wissen und Handlungsspielraum.

  • Aber es gibt Konzepte, die helfen – wenn sie umgesetzt werden.




Fürsorgepflicht – die oft vergessene Grundlage eines gesunden Miteinanders

Häufig ist der Begriff „Fürsorgepflicht“ im Unternehmenskontext nicht sehr präsent. Dabei ist sie die Grundlage für ein gesundes Arbeitsumfeld – und dafür, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Mitarbeitende psychisch und körperlich gesund arbeiten können.

Als Arbeitgeber:in oder Führungskraft trägst du eine Fürsorgepflicht – also die Verantwortung, die Gesundheit, Sicherheit und Würde deiner Mitarbeitenden zu schützen: körperlich, psychisch und sozial.
Das bedeutet konkret:

  • faire Behandlung und respektvoller Umgang

  • sichere und gesunde Arbeitsbedingungen

  • Schutz vor Überlastung, Mobbing & Diskriminierung

  • Unterstützung in Krisen & Raum für Entwicklung

Die Fürsorgepflicht ist sogar gesetzlich verankert (§ 241 Abs. 2 BGB & Arbeitsschutzgesetz).
Aber vor allem ist sie ein Zeichen echter Verantwortung und Menschlichkeit im Arbeitsalltag.

Gerade im Umgang mit Trauerfällen zeigt sich, wie ernst diese Pflicht genommen wird.
Denn Fürsorge endet nicht beim Arbeitsschutz – sie beginnt dort, wo Menschen verletzlich sind.
Wenn Führungskräfte, Teams und Organisationen in solchen Momenten Haltung zeigen, entsteht eine Kultur, in der Menschsein Platz hat – auch in schwierigen Zeiten.



Was macht Trauer im Job mit uns?

Ein Todesfall verändert die eigene innere Welt – oft radikal. Konzentration fällt schwer, Routinen bröckeln, Emotionen schwanken, Sinnfragen tauchen auf. Gleichzeitig läuft das Berufsleben scheinbar ungerührt weiter: Mails, Deadlines, Meetings. Die Diskrepanz ist oft schmerzhaft.

Und: Die Reaktionen aus dem Umfeld sind entscheidend.
Wird mein Verlust anerkannt – oder übergangen?
Fühle ich mich gehalten – oder verlassen?

Hier setzt ein wachsendes Forschungsfeld an: Trauer und Arbeit.
Fünf Studien zeigen eindrücklich, woran es mangelt – und was möglich wäre.




1. Schulungen für Führungskräfte: Mehr als nur "Nice to Have"

Eine britische Studie (2025) untersuchte, ob spezielle Trainings für Vorgesetzte im Umgang mit Trauerfällen am Arbeitsplatz sinnvoll sind.
Spoiler: Sie sind es.

Erkenntnisse aus 105 Betrieben und Interviews:

  • Viele Führungskräfte fühlen sich hilflos, wenn Mitarbeitende einen Trauerfall erleben.

  • Ohne Schulung neigen sie dazu, das Thema zu vermeiden – oft aus Unsicherheit.

  • Mit Schulung dagegen entsteht mehr Sicherheit, Verständnis und Struktur im Umgang.

Empfohlen wird ein mehrstufiges, anpassbares Training – je nach Branche, Position und Bedarf.

Zur Studie auf PubMed




2. Das C.A.R.E.-Modell: Vier einfache Buchstaben mit Wirkung

Wie sieht gute Unterstützung konkret aus?
Ein Team von Forschenden hat mit trauernden Mitarbeitenden gesprochen – und daraus das C.A.R.E.-Modell entwickelt:

  • Communication – den Verlust benennen, echtes Interesse zeigen

  • Accommodation – flexible Rückkehr, Homeoffice, reduzierte Stunden

  • Recognition – keine Floskeln, sondern echte Anerkennung des Schmerzes

  • Emotional Support – Begleitung anbieten, nicht nur erwarten

Auch hier zeigt sich: Es sind oft kleine Gesten, die große Wirkung entfalten – wenn sie echt sind.

Details zur Studie




3. Wenn Führung fehlt, wird Trauer zur doppelten Last

Eine ältere, aber sehr relevante Studie (2013) beschäftigte sich mit der Rolle von Führungskräften in Trauersituationen.

Kernpunkte:

  • Viele Betriebe haben keine klaren Regeln oder Prozesse, wie mit Trauerfällen umzugehen ist.

  • Trauer wird oft als Privatsache behandelt – das lässt Mitarbeitende allein.

  • Führungskräfte brauchen nicht nur Empathie, sondern auch strukturelle Unterstützung: Leitfäden, Gesprächsschulungen, Handlungsspielraum.

Die Studie plädiert für einen kulturellen Wandel – hin zu mehr Menschlichkeit am Arbeitsplatz.

Zur Studie auf PubMed




4. Wer selbst hilft, trauert oft mit – und schweigt

Eine neue Scoping Review (2025) beleuchtet die Erfahrungen von Fachkräften im sozialen Bereich – also Menschen, die mit benachteiligten, oft vulnerablen Klient:innen arbeiten.

Viele dieser Fachkräfte erleben wiederholte Verluste: Klient:innen sterben, Beziehungen brechen ab, Lebensgeschichten enden tragisch.
Doch diese Art von beruflicher Trauer bleibt häufig unthematisiert – sie hat keinen Platz in Teamsitzungen, keine Sprache, keine Supervision.

Die Studie fordert:

  • Regelmäßige Trauer-Supervision für soziale Berufe

  • Anerkennung dieser stillen Form von Verlust

  • Sensibilisierung auch in Ausbildung und Organisation

Zum Scoping Review




5. Deutschland: Zwischen Rechtsrahmen und Realität

Ein juristisch fundierter Beitrag von Fröhlingsdorf (2021) zeigt, wie wenig in Deutschland zum Thema „Trauer am Arbeitsplatz“ tatsächlich geregelt ist.

Zwar gibt es:

  • das Arbeitsrecht (z. B. Sonderurlaub im Todesfall),

  • das Betriebliche Gesundheitsmanagement,

  • und Betriebsräte als mögliche Akteur:innen.

Aber:

  • Es gibt keine verbindlichen Vorgaben, wie z. B. Rückkehrgespräche, Trauerleitfäden oder Schulungen für Vorgesetzte zu gestalten sind.

  • Trauer wird meist nur „am Rande“ mitgedacht – selten als zentrale Herausforderung.

Zur Fachpublikation als PDF




Was können wir daraus lernen?

Trauer ist nicht das Problem - Trauer ist mehr als Natürlich - Das Problem ist oft der Umgang damit – oder das komplette Nicht-Hinschauen - Und das macht Trauer dann Unnatürlich.

Ob als Betroffene, Kolleg:innen oder Führungskraft: Wir brauchen Räume, um Trauer sichtbar und besprechbar zu machen.

Das geht nicht immer um oder mit einem großen Programm.
Aber es beginnt mit Haltung. Und es geht mit dem Wissen:
Wer trauert, ist nicht schwach – sondern menschlich – in einem sehr realen und wichtigen Prozess.




Quellen

  1. Dewhurst et al. (2025): Bereavement training in the workplace

  2. Holtom et al. (2021): The C.A.R.E. model

  3. Peters et al. (2013): Loss and leadership

  4. Barclay et al. (2025): Scoping review on grief in social work

  5. Fröhlingsdorf (2021): Tod und Trauer am Arbeitsplatz (PDF)




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