Mehr Menschlichkeit im Abschied – Rheinland-Pfalz reformiert das Bestattungsrecht
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Wenn ein Mensch stirbt, beginnt für Angehörige ein Weg des Abschieds, der Trost, Halt – und oft auch neue Entscheidungen braucht. Mit dem neuen Bestattungsgesetz geht Rheinland-Pfalz einen mutigen Schritt in Richtung individueller Trauerkultur. Erstmals öffnet ein deutsches Bundesland in diesem Ausmaß den Raum für neue Formen des Gedenkens – und stellt dabei den Willen der Verstorbenen konsequent in den Mittelpunkt.
Ein Gesetz, das Nähe zulässt
Der klassische Friedhof verliert seit Jahren an Bedeutung. Immer mehr Menschen wünschen sich eine andere Form des Abschieds – stiller, persönlicher, naturverbundener. Das neue Bestattungsgesetz trägt diesem Wandel Rechnung:
Künftig darf Totenasche – unter Auflagen – im Rhein, der Mosel oder der Lahn beigesetzt werden. Auch die Aufbewahrung der Urne zu Hause wird erlaubt, ebenso das Verstreuen der Asche im eigenen Garten. Voraussetzung: Der verstorbene Mensch hat dies zu Lebzeiten schriftlich festgelegt.
Rheinland-Pfalz geht mit diesen Regelungen deutlich weiter als andere Bundesländer – und schafft neue Möglichkeiten, die Nähe zu Verstorbenen im Alltag spürbar werden zu lassen. Was früher nur über Umwege im Ausland möglich war, wird nun rechtlich und gesellschaftlich anerkannt.
Selbstbestimmung auch im Tod
Im Zentrum des Gesetzes steht der erklärte Wille der verstorbenen Person. Nur wenn dieser schriftlich dokumentiert ist, können die neuen Möglichkeiten genutzt werden. Ohne eine solche Verfügung bleibt es bei der traditionellen Beisetzung auf dem Friedhof.
Die Landesregierung stellt dabei klar: Die Reform gilt ausschließlich für Menschen, deren letzter Wohnsitz in Rheinland-Pfalz lag. Ein sogenannter „Bestattungstourismus“ soll verhindert werden.
Die Verantwortung für die Umsetzung liegt dabei – nach aktuellem Entwurf – bei den Erben. Ein Punkt, der von Fachverbänden wie Aeternitas kritisch gesehen wird, da Erben oft erst spät feststehen. In anderen Bundesländern sind die sogenannten „Bestattungspflichtigen“ in einer festen Reihenfolge bestimmt – eine Regelung, die aus Sicht vieler Praktiker auch hier sinnvoll wäre.
Neue Formen, klare Grenzen
Neben der Fluss- und Gartenbestattung erlaubt das Gesetz künftig auch neue Formen des Gedenkens: Ein Teil der Asche darf etwa in ein Erinnerungsstück – wie einen Diamanten oder ein Amulett – eingearbeitet werden. Auch die sogenannte Tuchbestattung, bei der der Körper ohne Sarg nur in ein Tuch gehüllt wird, ist nun allgemein erlaubt – bisher war das fast ausschließlich aus religiösen Gründen möglich.
Kritik kommt unter anderem von kirchlicher Seite und aus Teilen der Bestattungsbranche: Man befürchtet, die neue Freiheit könne die Bedeutung von Friedhöfen als öffentliche Erinnerungsorte schwächen. Auch der Umgang mit Urnen im häuslichen Umfeld wird kritisch betrachtet – aus Sorge, sie könnten verloren gehen oder banalisiert werden.
Das Gesundheitsministerium hält dagegen: Im Mittelpunkt müsse der Wille der Verstorbenen stehen – nicht die Konvention.
Ein Spiegel gesellschaftlichen Wandels
Die Reform ist deshalb auch eine Antwort auf den Wandel im gesellschaftlichen Umgang mit Tod und Trauer. Sie schafft Spielraum für persönliche Wünsche – und räumt auf mit alten Tabus.
Neue Möglichkeiten der Bestattung
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Flussbestattung: Die Asche kann in Rhein, Mosel, Saar oder Lahn in einer sich auflösenden Kapsel beigesetzt werden – eine Praxis, die in Ländern wie den Niederlanden bereits üblich ist.
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Urne im Wohnbereich: Wenn schriftlich festgelegt, darf die Urne im häuslichen Umfeld – z. B. bei einem Angehörigen – aufbewahrt werden. Nicht erlaubt ist die Bestattung im Garten.
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Asche als Erinnerungsstück: Ein kleiner Teil der Asche kann zu einem Diamanten gepresst oder in ein Schmuckstück eingearbeitet werden.
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Ascheverstreuung außerhalb des Friedhofs: Rheinland-Pfalz geht weiter als andere Bundesländer – auch der eigene Garten kann erlaubt sein, wenn der Wunsch klar dokumentiert wurde.
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Tuchbestattungen: Wie sie etwa im Islam praktiziert werden, sind künftig für alle möglich – aber ebenfalls nur mit vorheriger schriftlicher Verfügung.
Seebestattung – also das Beisetzen der Totenasche einer eingeäscherter Person auf dem Meer – grundsätzlich erlaubt. Allerdings hängt es nicht davon ab, in welchem Bundesland man wohnt, sondern ob das jeweilige Landes-Bestattungsgesetz solche Seebestattungen vorsieht bzw. Ausnahmen vom Friedhofszwang erlaubt.
Schleswig‑Holstein
Seebestattung ist ausdrücklich zulässig (§ 15 Abs.1 BestattG Schleswig‑Holstein).Niedersachsen
Auch hier ist Seebestattung möglich (§ 12 Abs. 5 BestG Niedersachsen).Mecklenburg-Vorpommern
Ebenfalls erlaubt (siehe Bestattungsgesetz Mecklenburg‑Vorpommern).Bayern
Seebestattungen sind auch in Bayern möglich, allerdings selten und mit besonderen Voraussetzungen (z. B. dass der Wille des Verstorbenen klar dokumentiert ist).
Klare Bedingungen
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Totenfürsorgeverfügung: Wer eine alternative Bestattung wünscht, muss dies selbst zu Lebzeiten schriftlich festlegen – einschließlich der Person, die sich darum kümmern soll.
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Letzter Hauptwohnsitz: Der oder die Verstorbene muss zuletzt in Rheinland-Pfalz gelebt haben. So soll Bestattungstourismus verhindert werden.
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Keine nachträglichen Entscheidungen: Hinterbliebene dürfen nicht eigenmächtig über alternative Bestattungsformen entscheiden.
Bedeutungswandel der Bestattungskultur
Die gesellschaftliche Entwicklung zeigt klaren Trend:
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78 % aller Bestattungen in Rheinland-Pfalz 2023 waren Urnenbeisetzungen.
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Nur 14 % wünschen sich noch ein klassisches Urnengrab.
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24 % bevorzugen alternative Orte wie Bestattungswälder oder Verstreuung in freier Natur.
Würde für die Kleinsten: Neue Rechte für Sternenkinder
Ein besonders sensibles Thema greift eine neues Bundesgesetz auf: den Umgang mit Sternenkindern – also Kindern, die mit einem Gewicht unter 500 Gramm tot geboren werden oder vor der 24. Schwangerschaftswoche versterben.
Was lange im rechtlichen Niemandsland lag, erhält nun einen festen Platz: Eltern haben künftig ein Anrecht auf eine würdevolle Bestattung ihres Kindes – unabhängig davon, ob sie dies beantragen. Auch Sammelbestattungen müssen nun unter würdigen Bedingungen erfolgen und dokumentiert werden.
Darüber hinaus wird es erlaubt sein, Mutter und Kind gemeinsam zu bestatten – etwa, wenn beide bei der Geburt versterben.
Auch die Sprache ändert sich: Der Begriff „Fehlgeburt“ wird im Gesetz durch „Sternenkind“ ersetzt – ein Zeichen für mehr Mitgefühl und Respekt in einer oft sprachlosen Zeit.
Was bleibt, ist der Wunsch vieler Betroffener nach mehr Raum für Trauer – auch für Väter, die in ihrer stillen Trauer oft übersehen werden. Vereine und Beratungsstellen leisten hier wichtige Arbeit. Doch auch die Gesellschaft ist gefordert, ihre Haltung zu hinterfragen.
Siehe weitere Artikel zu Sternenkindern
Fazit: Ein Abschied, der näher rückt
Mit dem neuen Bestattungsgesetz hat Rheinland-Pfalz einen tiefgreifenden und mutigen Schritt gewagt. Es gibt den Menschen mehr Freiheit, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen – in der Form, die ihnen entspricht.
Nicht jeder wird alle Veränderungen begrüßen. Doch in einer Zeit, in der das persönliche Gedenken immer wichtiger wird, schafft das Gesetz vor allem eines: mehr Raum für Würde, Nähe und Menschlichkeit – dort, wo der Abschied beginnt.
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