Gesicht der Pflege zwischen Ideal und Überforderung - Internationaler Tag der Pflege und Unterstützung (2/3)
Internationaler Tag der Pflege und Unterstützung - Ein Tag, der uns alle betrifft / betreffen wird - 29. Oktober 2025
Pflege betrifft uns nicht erst, wenn wir selbst alt oder krank sind. Pflege ist mitten in unserer Gesellschaft, leise und oft unsichtbar – und sie geschieht jeden Tag, in Familien, in Wohnungen, in Pflegeeinrichtungen. Für mich ist dieser Tag besonders bedeutsam: Ich habe meine Frau elf Jahre lang täglich begleitet, unterstützt und gepflegt. Diese Zeit hat mir gezeigt, wie viel Stärke, Mut und Liebe in Pflege steckt – aber auch, wie viele Entscheidungen, Sorgen und Herausforderungen damit verbunden sind.
Wenn Menschen pflegebedürftig werden, verändert sich nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer Angehörigen grundlegend. Eine der schwersten Entscheidungen ist oft die Frage: Wie soll Pflege organisiert werden?
Bleibt die Pflege zu Hause, ambulant unterstützt?
Kommt ein Pflegedienst ins Haus?
Oder ist eine stationäre Versorgung notwendig?
Wie kann für den individuellen Menschen und Situation ..
Sicherheit
und professionelle Betreuung
... gewährleistet werden?
Jede dieser Optionen bedeutet mehr als nur eine organisatorische Entscheidung. Sie verlangt, sich mit Themen wie Selbstbestimmung, Würde, Nähe, Entlastung und nicht zuletzt den finanziellen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ – es gibt nur Entscheidungen, die Betroffene und Angehörige gemeinsam sich fragen, dann tragen und dann gehen müssen. Und es braucht Unterstützung, damit diese Entscheidungen nicht zu einer Überforderung für den / die Zupflegende*n werden und für den / die Zupflegende*n OK und Würdevoll ist.
Das Dilemma der Pflege – zwischen Ideal und Realität
Pflege wird oft romantisiert, insbesondere von denen, die sie mit religiösen Vorstellungen oder traditionellen Rollenbildern verbinden – als selbstverständliche Aufgabe von Frauen, als Ausdruck von Liebe, Fürsorge und Verantwortung.
Pflege ist keine Frage des Geschlechts und keine religiöse Pflicht. Sie ist eine menschliche und gesellschaftliche Aufgabe.
Pflege heißt: sich kümmern, weil man Mensch ist – unabhängig davon, wie jemand sich definiert.
Wie ich bereits im gestrigen Artikel beschrieben habe, spiegelt sich in der Art, wie wir Pflege verstehen und leben, der Zustand unserer Gesellschaft wider. Sie zeigt, wie wir miteinander umgehen – mit den Schwächsten, aber auch mit den Starken, die tragen, begleiten und aushalten.
Doch Pflege bedeutet gleichzeitig, an Grenzen zu stoßen – körperlich, emotional, finanziell. Angehörige sind häufig rund um die Uhr im Einsatz, stellen eigene Bedürfnisse zurück, verlieren manchmal den Anschluss an Beruf, Freundschaften oder sich selbst. Viele erleben Einsamkeit, Überforderung und das Gefühl, im Alltag unsichtbar zu sein.
Gleichzeitig stehen professionelle Pflegekräfte unter enormem Druck. Sie tragen Verantwortung für Menschen, die ihnen anvertraut sind, und kämpfen mit Personalmangel, Zeitdruck, zu niedriger Bezahlung und einem gesellschaftlichen System, das Pflege oft nur als Kostenfaktor betrachtet – nicht als Wert an sich. Pflegekräfte leisten Tag für Tag Großes, doch viel zu oft fehlt die Anerkennung, die sie verdienen.
(Kurze Randbemerkung: ich schrieb oben: Pflege heißt: sich kümmern, weil man Mensch ist - und das ist auch so, zumindestens sehe ich dies so - aber aus dem Tierreich kennen wir dies auch, vor einiger Jahren hat ein BBC Team eine Hyänen-Clan, der sich um eine Hyäne kümmerten die eineinhalb Beine verloren hatte, und das offenbar seit langer Zeit da beide Stümpfe gut verheilt waren.)
Pflege ist mehr als Versorgung – sie ist Beziehung
Pflege bedeutet, Lebensqualität zu sichern – egal in welcher Lebensphase. Es geht um Würde, Selbstbestimmung, Sicherheit und Menschlichkeit. Gute Pflege kann nur gelingen, wenn sie als gemeinsame Aufgabe verstanden wird: von Angehörigen, Pflegekräften, Politik und Gesellschaft.
Pflege darf nicht zur einsamen Last werden, sondern muss geteilte Verantwortung sein. Das bedeutet: faire Rahmenbedingungen für Pflegekräfte, finanzielle Absicherung für Pflegebedürftige und Angehörige, mehr Unterstützung für häusliche Pflege und hochwertige stationäre Angebote.
Pflege am Lebensende – Würde bis zuletzt
Blick in die Zukunft – Pflege mit Würde ist möglich
Die Zukunft der Pflege wird eine der zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft sein. Wir werden älter, leben länger – und immer mehr Menschen werden auf Unterstützung angewiesen sein. Das ist keine düstere Prognose, sondern ein klarer Auftrag:
Pflege darf nicht vom Geldbeutel abhängen.
Pflegekräfte verdienen Respekt, faire Arbeitsbedingungen und gesellschaftliche Wertschätzung.
Angehörige brauchen Entlastung, Beratung und Raum, um ihre eigenen Bedürfnisse nicht zu verlieren.
Und wir alle müssen lernen, offen über Pflege zu sprechen – nicht erst, wenn es „so weit“ ist.
Pflege kann und muss mit Würde möglich sein. Das ist keine Utopie, sondern eine Aufgabe, die wir gemeinsam tragen müssen – als Familien, Nachbarschaften, Gesellschaft und Staat.
Am 29. Oktober ist Internationaler Tag der Pflege und Unterstützung. Ein Tag, der uns daran erinnert, wie wertvoll Fürsorge ist. Aber auch ein Tag, der uns aufruft, Pflege sichtbar zu machen, ihre Bedeutung anzuerkennen und für bessere Bedingungen einzutreten.

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