Organspende im Kontext von Sterbehilfe – Ethische und Rechtliche Grenzen

In Deutschland warten jährlich viele Menschen auf ein Spenderorgan – doch die Zahl der tatsächlichen Organspenden bleibt gering. Zugleich wächst das öffentliche Bewusstsein für das Recht auf ein selbstbestimmtes und würdiges Sterben, insbesondere bei schweren, unheilbaren Erkrankungen oder dauerhaft leidvollen Lebenssituationen. In 2 von 3 Beratungen und somit in meiner Wahrnehmung in sehr vielen Gesprächen, kommen die Anfragenden indirekt oder direkt zur Frage. "Kann ich auch meine Organe spenden?"

Immer häufiger stellt sich daher die Frage zur Organspende:
Ist eine Organspende auch nach einer freiwilligen und wohlerwogenen Entscheidung zum Freitod möglich? Die Frage und Antwort ist gleichermaßen komplex – medizinisch, rechtlich und ethisch.
In Deutschland nicht möglich, weil dazu die aktive Sterbehilfe erlaubt und möglich sein muss.
Und auch in den Ländern mit der aktive Sterbehilfe nur selten wegen den Hürden die auch dort zu durchlaufen sind - Zahlen haben ich, siehe unten nur für Belgien gefunden.


Die rechtliche Situation in Deutschland

Organspenden unterliegen in Deutschland klaren Voraussetzungen:

  • Eine Entnahme ist nur möglich, wenn der Hirntod zweifelsfrei festgestellt wurde.

  • Der Körper muss bis zur Entnahme künstlich mit Kreislauf und Atmung aufrechterhalten werden.

  • Eine ausdrückliche Zustimmung zur Organspende muss vorliegen.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 ist die Beihilfe zum Freitod nicht mehr strafbar – sofern sie aus freiem Willen und auf Basis einer wohlerwogenen Entscheidung erfolgt.
Jedoch bleibt die aktive Sterbehilfe – also das gezielte Töten eines Menschen auf dessen Wunsch – in Deutschland verboten (§ 216 StGB).


Medizinische Herausforderungen

Ein Freitod erfolgt in der Regel durch die freiwillige Einnahme eines Medikaments, das zum Atem- und Kreislaufstillstand führt. Häufig sind dies barbiturathaltige Präparate, die zu einem friedlichen und schmerzfreien Sterben beitragen.

Allerdings wird dabei kein vorheriger Hirntod festgestellt, wie es für eine Organspende notwendig wäre. Das bedeutet: Zum Zeitpunkt des Todes ist der Kreislauf bereits erloschen - Nach dem Eintritt des Herz-Kreislauf-Stillstands kommt es rasch zur Ischämie der Organe, was ihre Transplantationsfähigkeit unmöglich macht oder im besten Fall massiv einschränkt .
Eine medizinisch sinnvolle Organspende ist unter diesen Bedingungen nicht möglich.


Internationale Perspektive: Belgien und die Niederlande

In Ländern wie Belgien oder den Niederlanden ist unter bestimmten Umständen eine gesetzlich geregelte aktive Sterbehilfe zulässig.
Dort kann ein Mensch – wenn gewünscht – sowohl einer Sterbehilfe als auch einer Organspende frei und selbstbestimmt zustimmen.

Die Durchführung erfolgt unter klinischen Bedingungen:
Die Sterbehilfe wird so gestaltet, dass der Hirntod festgestellt werden kann, bevor es zum völligen Kreislaufversagen kommt.
Dadurch ist eine zeitgerechte Organentnahme medizinisch möglich und rechtlich zulässig.

So entstehen Möglichkeiten, in einem wohlerwogenen und selbstbestimmten Sterbeprozess gleichzeitig ein Zeichen der Solidarität mit schwer kranken Menschen zu setzen.

Im Jahr 2024 haben sich 13 Belgier dazu entschieden, nach Sterbehilfe eines oder mehrere Organe spenden. Das ist die zweithöchste Zahl seit 20 Jahren. Belgien ist eines der wenigen Länder der Welt, in denen dies möglich ist. (Quelle: www.vrt.be/vrtnws/de/ aus Januar 2025)


Politische Realität und gesellschaftliche Hürden

In Gesprächen mit zwei Bundestagsabgeordneten, die derzeit an einem neuen, überparteilichen Gesetzentwurf zur Sterbehilfe arbeiten, wurde deutlich, wie groß die Vorbehalte gegenüber einer Verbindung von assistierter Sterbehilfe und Organspende sind. Zwar zeigten einer der beiden Gesprächspartner Verständnis für den Wunsch nach Selbstbestimmung und den solidarischen Gedanken, anderen durch Organspende zu helfen. Doch mein Gegenüber verwiese zugleich auf erhebliche rechtliche, ethische und gesellschaftliche Hürden. Die Sorge, dass eine Verknüpfung beider Themen zu einer schleichenden Normalisierung von Sterbehilfe oder gar zu einem subtilen Erwartungsdruck auf vulnerable Menschen führen könnte, wurde mehrfach betont. In der politischen Realität trifft der Gedanke an eine mögliche gesetzliche Öffnung auf Zurückhaltung – nicht zuletzt, weil der gesellschaftliche Diskurs noch nicht reif genug erscheint, um diese komplexe und sensible Frage differenziert zu führen.


Ethische Überlegungen

Die Verbindung von Sterbehilfe und Organspende ist mit tiefgreifenden ethischen Fragen verbunden. Befürworter betonen das altruistische Potenzial: Wer sich frei und informiert für einen begleiteten Freitod entscheidet, sollte auch das Recht haben, anderen durch Organspende zu helfen.
Kritiker hingegen warnen vor möglichen Grenzverschiebungen und einer Instrumentalisierung sterbender Menschen.
Ich kann diesen Wunsch der geäußert wird verstehen, meine Frau sprach auch davon, aber ich bin ethisch, moralisch hin und her gerissen. Es gibt eine sehr verständnisvolle Seite in mir aber auch eine ethisch, gesellschaftliche Seite die dem skeptisch bis negativ gegenüber steht.


Fazit

In Deutschland ist eine Organspende im Rahmen eines freiwilligen und selbstbestimmten Freitods derzeit nicht möglich, da die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt werden – und weil nun einmal aktive Sterbehilfe gesetzlich untersagt ist.

Andere Länder zeigen jedoch, dass unter klaren ethischen und medizinischen Rahmenbedingungen eine Kombination aus würdigem Sterben und Organspende denkbar ist.

Die Diskussion darüber, ob auch in Deutschland ein solcher Weg offenstehen sollte, ist sensibel – aber notwendig.
Sie betrifft nicht nur rechtliche Normen, sondern unser Verständnis von Autonomie, Mitmenschlichkeit und Würde am Lebensende.


Texte in diesem Kontext

Sterbehilfe in Deutschland - Erläutert in 3 bis 4 Minuten (Lesezeit)

Sterbehilfe - Was ist erlaubt? - Wo ist es erlaubt?

Die letzte Entscheidung: Was Menschen zur Sterbehilfe bewegt

Sterbebegleitungen in Deutschland 2024 (Zahlen,Fakten und die Sterbehilfevereine)


 




Kontakte - Hilfe Im Fall von psychiatrischer Krisen

Notfall

Notaufnahme in der Akutpsychiatrie: In größeren psychiatrischen Kliniken existieren Notaufnahmen mit Fachärzt*innen, die ähnlich funktionieren wie die körperliche Notfallmedizin. Diese sind 24 Stunden täglich erreichbar.
Schnelle Hilfe im Notfall: 112 (Rettungsdienst)

Bei Vergiftungen:

Bei lebensbedrohlichen Symptomen wie Bewusstlosigkeit, Krampfanfällen etc. rufen Sie bitte direkt den Notarzt – in Deutschland über die Nummer 112

Giftnotruf

Kostenfreie Informationen bei Verdacht auf Vergiftungen geben rund um die Uhr folgende Giftnotrufe:

Giftnotruf der Charité: 030 19240

Giftnotruf der TU München: 089 19240

Vergiftungs-Informations-Zentrale: 0761 19240



Hilfe - Rufnummern und Websites

Sozialpsychiatrische Dienste
Die Sozialpsychiatrischen Dienste unterstützen in der ambulanten Versorgung und Hilfe von Menschen mit chronischen psychischen Störungen. Sowohl Betroffene als auch Angehörige können sich beraten lassen. Die Psychiatrischen Dienste sind lokal organisiert und am besten durch eine Eingabe über eine Suchmaschine wie google.com mit den Suchbegriffe:
  • Sozialpsychiatrischer Dienst
  • eigenen Wohnort


SeeleFon/Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V. (BApK)
Bundesweite Telefon- und Mail-Beratung für Angehörige von psychisch erkrankten Menschen. Die beratenden Personen, die selber Angehörige sind, können aus eigener Erfahrung viele nützliche Hilfestellungen geben und wissen, wie wichtig es ist, verständnisvoll zuzuhören. 
Telefon: 0228 71002424


Telefonseelsorge, bundeseinheitliche Nummern
Die Telefonseelsorge bietet kostenfreie Beratung per Telefon, Mail, Chat oder vor Ort. Sie ist für jeden da, für alte und junge Menschen, Berufstätige, Nicht-Berufstätige, Auszubildende, Rentner, für Menschen jeder Glaubensgemeinschaft und natürlich auch Menschen ohne Kirchenzugehörigkeit. Die Gespräche sind anonym und die Mitarbeiter*innen rund um die Uhr erreichbar.
Telefon. 116 123

http://www.telefonseelsorge.de/

Evangelisch.: 0800  111 0 111 

Katholisch: 0800  111 0 222


Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche und Eltern
Nummer gegen Kummer e.V. hat sich zum Ziel gesetzt, Kindern, Jugendlichen und Eltern ein kompetenter Ansprechpartner zu sein bei kleinen und großen Sorgen, Problemen und Ängsten. 
Telefon Beratung für Kinder und Jugendliche: 116 111
Elterntelefon: 0800 111 0 550

https://www.nummergegenkummer.de/


Nationale Kontakt- und Informationsstelle (NAKOS) zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen
Die NAKOS ist die zentrale bundesweite Anlaufstelle in Deutschland rund um das Thema Selbsthilfe. Als Knotenpunkt vernetzt NAKOS die relevanten Akteure. Interessierte, Betroffene und Angehörige finden hier alle notwendigen Informationen. Dabei zeigt NAKOS die Vielfalt und Möglichkeiten gemeinschaftlicher Selbsthilfe auf und fördert und vertritt sie gegenüber Politik und Gesellschaft.
Telefon: 
030 - 31 01 89 60

https://www.nakos.de/



Weitere Hilfe - Gesprächsangebote und Suizidprävention

Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis sonnabends von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Sonnabend nehmen die jungen Berater des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an. nummergegenkummer.de.

Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 - 443 509 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de

Hebräischsprachige Hotline "Matan": ‚Matan‘ ist ein Projekt der Beratungsstelle ‚OFEK‚ e. V. und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).  Telefonnummer: 0800  - 000 16 42  Hotline-Zeiten: Jeden Tag der Woche 20:00-22:00 - Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Kirchlichen Telefonseelsorge (KTS) durchgeführt und durch die Deutsche Fernsehlotterie gefördert.

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de




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