Q&A - Aspekte (rechtlich / ethisch) für eine verantwortungsvolle Freitodbegleitung
Die Begleitung eines Menschen auf dem letzten Weg ist eine der verantwortungsvollsten Aufgaben, denen sich helfende Personen stellen können.
Damit eine solche Entscheidung im Einklang mit Selbstbestimmung und rechtlicher Klarheit erfolgen kann, werde ich in diesem Artikel auf fünf Prinzipien eingehen, die Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten Orientierung bieten.
Diese Prinzipien und Aspekte stützen sich auf die ethischen und rechtlichen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Recht auf selbstbestimmtes Sterben dargelegt hat. Mein Ziel ist es, mit diesen Prinzipien einen Rahmen und Schutzraum zu schaffen – für jene, die den Weg des Freitod gehen wollen, und für jene, die sie begleiten.
Es sind keine gesetzlich festgelegten Vorgaben, doch sie orientieren sich an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26. Februar 2020, das das Recht auf selbstbestimmtes Sterben als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt hat.
In diesem Kontext will ich meine Sichtweise betonen, dass es keine Graubereiche rechtlicher Art seit dem Urteil besteht, jedoch es Bedarf für ergänzende Regelungen gibt - Siehe auch hier. Nochmals den Hinweis das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet den Staat nicht zur umfassenden Regulierung, fordert aber ein Schutzkonzept, das die Selbstbestimmung wahrt und zugleich Missbrauch vorbeugt - Siehe mehr zu Suizidprävention.
Diese Aspekte sind in diesem Zusammenhang Eckpunkte und eine Leitlinie, diesen Schutz und Willen des Lebens praktisch umzusetzen. Gleichzeitig dienen sie mir als Orientierung und ich weise auf diese Aspekte bei meinen Gesprächen mit Bundestagsabgeordnete um diese bei den laufenden gesetzgeberischen Debatten, bei denen es um mögliche gesetzliche Rahmenbedingungen für die ärztlich begleitete Lebensbeendigung geht, zu unterstützen / zu informieren. Im Folgenden werde ich die inhaltliche Bedeutung jedes Aspekts, seine rechtliche Verankerung und seine Rolle in aktuellen Entwürfen zur Regelung der Freitodbegleitung.
Prinzipien / Aspekt die rechtlich wie ethisch einen sicheren Rahmen bieten ...
- Freiwilligkeit
- Dauerhaftigkeit
- Ernsthaftigkeit
- Urteilsfähigkeit
- Wissen um Alternativen
1. Freiwilligkeit
Das BVerfG stellt klar: Die Entscheidung für einen Freitod ist nur dann vom Grundrecht auf Selbstbestimmung gedeckt, wenn sie frei und unbeeinflusst getroffen wurde. Zwang, Druck oder manipulative Einflussnahme – sei es familiär, wirtschaftlich oder institutionell – stehen dieser Freiheit entgegen und machen jede Form von assistierter Lebensbeendigung rechtlich und ethisch unzulässig.
In der Praxis wird Freiwilligkeit durch intensive Gespräche, Aufklärung und Dokumentation geklärt. Ärztinnen und Ärzte sowie beratende Personen müssen besonders darauf achten, ob ein innerer oder äußerer Druck besteht. Auch Organisationen wie die Sterbehilfevereine stellen sicher, dass keine Beeinflussung durch Dritte vorliegt.
Das Bundesverfassungsgericht und meines Wissens alle Beratenden und Freitod befürwortenden stimmen in diesem Punkt überein: Freiwilligkeit ist die Grundvoraussetzung jeder Sterbebegleitung. In aktuellen Gesetzesentwürfen wird sie in der Regel durch verpflichtende, ergebnisoffene Beratungen abgesichert, um sicherzustellen, dass die Entscheidung wirklich autonom ist - dabei war der damalige Castellucci Entwurf nicht nur überaus restriktiver sondern baute zeitliche Vorgaben die nicht umsetzbar gewesen wären bzw. sind - Siehe hier zu frühere Artikel zu den Gesetzentwürfen.
2. Dauerhaftigkeit
Zwar nennt das BVerfG keine konkrete Frist, doch es betont, dass der Entschluss zur Beendigung des eigenen Lebens nicht aus einer vorübergehenden Lebenskrise heraus entstehen darf. Ein gefestigter, über längere Zeit tragfähiger Wille ist daher ein zentrales Element jeder rechtlich geschützten Entscheidung zur Lebensbeendigung.
Es ist zu prüfen, ob der Wunsch zur Lebensverkürzung über Wochen, Monate oder länger schon besteht und nicht nur Ergebnis akuter Belastung ist. Dies kann durch mehrere Gespräche über einen gewissen Zeitraum hinweg geschehen - auch darum empfehle ich diese Gedanken und Wünsche im Familien., Bekannten oder in Arztgesprächen immer wieder aufzunehmen.
Das BVerfG verlangt keine formale Wartefrist, doch aktuelle Gesetzesentwürfe fordern teils konkrete Zeiträume (z. B. drei Wochen, ein Monat oder mehr), um die Dauerhaftigkeit sicherzustellen, wie bereits erwähnt war hier der damalige Castellucci Entwurf sehr restriktive und fern der Realität. Auch hier haben die Sterbehilfevereine gewissen zeitlichen Streckung und damit einen wichtigen Schutzmechanismus.
3. Ernsthaftigkeit
Der Entschluss zur Inanspruchnahme von Sterbebegleitung muss wohlüberlegt und begründet sein. Das BVerfG spricht von einer „reflektierten Entscheidung“, die nicht aus einer momentanen emotionalen Überforderung oder Kurzschlussreaktion heraus erfolgen darf.
Die Ernsthaftigkeit wird durch persönliche Gespräche, Dokumentationen und ggf. psychologische Gespräche abgesichert. Freitodbegleitende und Sterbehelfende, wie auch die Ärzt*innen versuchen zu verstehen, warum ein Mensch diesen Weg gehen möchte – und ob diese Entscheidung in einem stabilen Wertesystem verankert ist.
Sowohl alle mir bekannten Sterbehelfende, Sterbehilfevereine haben bereits lange bevor das BVerfG es so in deren Urteilte festgehalten hat - sahen alle die Ernsthaftigkeit als zentrale Bedingung an. Gesetzesentwürfe gehen hier häufig weiter und schreiben fachärztliche Stellungnahmen oder Gutachten vor, um die Tiefe und Stabilität der Entscheidung nachzuweisen - wie ein fachärztliche Stellungnahmen oder Gutachten die persönliche und individuelle Entscheidung und Ernsthaftigkeit nachweisen wollen ist mir ein Rätsel. Der Konsens über die Notwendigkeit einer fundierten Entscheidungsgrundlage ist breit und unzweifelhaft.
4. Urteilsfähigkeit und Entscheidungsfähigkeit
Eine Lebensbeendigung darf nur von Personen gewünscht und in Anspruch genommen werden, die voll urteils- und einwilligungsfähig sind. Das ist in § 630d BGB auch für jede andere medizinische Maßnahme Voraussetzung. Das BVerfG stellt ausdrücklich klar, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht generell ausgeschlossen werden dürfen – die Entscheidungsfähigkeit ist immer individuell zu prüfen.
Freitodbegleitende und Sterbehelfende müssen sich sicher sein oder feststellen, ob die betroffene Person die Folgen ihrer Entscheidung verstehen, abwägen und in ihren Lebenskontext einordnen kann. Bei psychischen Vorbelastungen wird in vielen Fällen ein unabhängiges psychiatrisches Gutachten hinzugezogen, um sicherzustellen, dass keine behandlungsbedürftige Störung den Wunsch beeinflusst, verfälscht oder trübt.
Die Sterbehilfevereine und das BVerfG fordern eine individuelle Prüfung, keine pauschale Ablehnung. Viele Gesetzesentwürfe sehen obligatorische fachpsychiatrische Beurteilungen vor, auch wenn kein Hinweisen auf psychische Erkrankungen, darum lehnte ich die bisherigen Gesetzentwürfe ab.
5. Wissen um Alternativen
Die Entscheidung für Sterbehilfe muss in Kenntnis aller verfügbaren Alternativen getroffen werden – insbesondere im Bereich der Palliativmedizin, Hospiz, Pflege am Lebensende, Psychotherapie und sozialen Unterstützung. Das BVerfG ist zu diesem Punkt sehr eindeutig, und urteilte dazu, dass diese Alternativen nicht in Anspruch genommen werden müssen; entscheidend ist die informierte Entscheidungsfreiheit und ein bewusstes, individuelles Ablehnen.
Helfende müssen sicherstellen, dass die betroffene Person über alle Optionen aufgeklärt sind: schmerzlindernde Therapien, Hospizdienste, psychologische Hilfe und soziale Unterstützungsangebote. Viele Organisationen dokumentieren diese Aufklärungspflicht detailliert und weisen auf Hilfsangebote hin.
Das BVerfG betont die Bedeutung der Kenntnis von Alternativen, ebenso wie die Sterbehilfevereine. Gesetzesentwürfe und hier wieder ging der Entwurf durch die Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci weiter und verlangen eine verpflichtende Beratung durch anerkannte Stellen, die dokumentiert, dass Alternativen bekannt sind und ggf. abgewogen wurden.
Wer Freitodbegleitung möglich macht, braucht Orientierung – nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich.
Diese Prinzipien / Aspekte sind nicht nur ethische Leitplanken, sondern auch ein politisches Signal - Für einen gesetzlichen Rahmen, der nicht aus Misstrauen, sondern aus Respekt vor der Selbstbestimmung gestaltet wird.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat den Weg frei gemacht – nun liegt es an uns, diesen Weg mit klaren, verantwortungsvollen Regeln zu gestalten.
Ich hoffe, dass diese Gedanken dazu beitragen können.
Frühere Q&As
Dies ist der Sechzehnte Teil der Q&As und ich freue mich weiterhin über positiven aber auch konstruktiven Feedbacks und weitere Fragen.
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