5 Jahren im Einklang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - Sterbehilfe in Deutschland

Es gibt keine Grauzonen, wenn es um das Thema Sterbehilfe geht.
Ich diskutiere, betone und erläutere nun schon sehr lange, dass die Sterbehilfe, ein würdiger Freitod möglich ist - seit nun 5 Jahren im Einklang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts stattfinden können.
Ein neues Gesetz ist nicht notwendig, da Ärzte sich an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an das Urteil vom 26. Februar 2020 halten können, das die freie Verantwortlichkeit des Freitod-Suchenden, des Sterbewilligen als Voraussetzung für die Sterbehilfe betont. Diese Entscheidung muss selbstbestimmt getroffen werden, und die Betroffenen müssen die Folgen ihrer Wahl absehen können. Ein Arzt sollte den Sterbewilligen intensiv begleiten und gegebenenfalls einen Psychiater hinzuziehen, der die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen prüft.

Leider zeigen die aktueller Gerichtsfälle in Essen und Berlin, dass nicht immer diese Anforderungen beachtet werden, was zu rechtlichen Konsequenzen führt - da vielleicht Menschlichkeit Vorrang hatte - die Fälle zeigen aber auch, dass Kontrolle stattfindet, dass die bestehenden Gesetze keinen Graubereich lassen.

Eine gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe fehlt nicht. Gesetzliche Graubereiche sind nicht vorhanden - aber was fehlt, sind Regelungen durch Ärztekammer, Optimierung zum Betäubungsmittelgesetz und weitere Maßnahmen, die ich zum Vierjährigen des Urteils beschrieben habe.

Den Handlungsbedarf den ich sehe habe in den letzten Jahren häufig erläutert, dass ein wohlerwogener Freitod möglich ist. Das unsere Gesetze eine recht gute, wenn ich nahezu vollkommene gute rechtliche Basis bilden, wenn ...

    1. das Betäubungsmittelgesetz optimiert wird,
    2. zivilrechtliche Grundlage für Ärzt*innen geschaffen werden und von Ärztekammer un­miss­ver­ständ­lich Regelungen (siehe hierzu auch "Ärztliche Unterstützung bei Sterbehilfe"). Ich denke zum Beispiel an eine Ergänzung in der ärztlichen (Muster-)Berufsordnung wie, dass Sterbehilfe durch Ärzt*innen grundsätzlich zulässig ist, wenn die Entscheidung zu einem Freitod tatsächlich dem freien und wohlerwogenen Willen des Betroffenen entspricht. Sowie, dass die ärztliche Sterbehilfe, nach einer wohlabgewogener Gewissensentscheidung des Arztes / der Ärztin, eine freiverantwortliche ärztliche Entscheidung ist.
    3. Exekutive in Deutschland (Staatsanwaltschaft, Polizei und Kriminalpolizei) ebenso klare Regelungen und Fortbildungen erhalten (ich habe bislang nur wenige Beamte erlebt die über die aktuelle Rechtslage seit 2020 aufgeklärt sind - Polizeiliche Ermittlung im Fall eines Freitod
    4. Notwendig ist auch eine gute Schulung und Fortbildung für Rettungsdienste, Rettungskräfte, wie auch Pflegekräfte. Neben der allgemeinen Information was aktuell bei der Sterbehilfe erlaubt ist es notwendig zu informieren was bezüglich der Therapiebegrenzung erlaubt bzw. sogar geboten ist, wenn die Voraussetzungen für einen ärztlichen Heileingriff nicht mehr vorliegen (aktiv-direkte vs indirekter, passiver und assistierter Sterbehilfe). Für die leidmindernde Schmerztherapie dürfen Risiken im Licht des Lebensschutzes eingegangen werden; jedoch bedarf es auch hier einer Legitimation durch (mutmaßliche) Einwilligung. Herausforderungen bestehen bei der Ermittlung und Umsetzung des (mutmaßlichen) Patientenwillens in (suizidalen versus Freitod und freiverantwortlichen) Notfallsituationen. (Da ich im Raum Karlsruhe / Heidelberg selbst im Rettungsdienst tätig bin biete ich zur Sterbehilfe allen Kolleg*innen Vortrag und Diskussionen an)
    5.  ... alle anderen Fälle decken die bestehenden Gesetze und das bestehende Strafgesetzbuch ausreichend ab, wie auch der aktuelle rechtliche Status Quo und die Freitode in dieser Zeit zeigen Zahlen und Fakten zur Sterbehilfe - Diagnosen und Gründe - Zahlen zur Sterbehilfe in Deutschland 2021 aufzeigen. 

Abschließend ist es mir wichtig zu betonen, dass jeder Mensch das Recht auf Selbstbestimmung über sein Leben, seine Krankheit und sein Lebensende hat.
Dies schließt das Recht ein, auch beim Sterben selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen, solange dies in Übereinstimmung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen geschieht.


In diesem Kontext - Artikel in dem es ...

... um die vermeintliche Grauzone ging.

... die häufigst gestellten Fragen, aktuell bin ich auf 12 der meisten Fragen, Fragenbereiche eingegangen, finden sie hier Questions & Answers



Schlussgedanken

Ohne Frage, die Frage der Sterbehilfe ist eine der sensibelsten und gleichzeitig wichtigsten unserer Zeit. Ein würdevolles Sterben ist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein ethisches und menschliches Anliegen. In einer Gesellschaft, die sich dem Wohl und der Autonomie des Individuums verschrieben hat, sollten wir denjenigen, die unheilbar krank und unter unerträglichen Schmerzen leiden, oder auch in anderer Form nachvollziehbar und spürbar leiden, die Möglichkeit geben, ihr Leben auf eine Weise zu beenden, die ihrer Würde und ihren Wünschen entspricht.

Die Sterbehilfe ermöglicht es Menschen, in einem Moment der allergrößten Not und des größten Leidens Kontrolle über ihr Leben zu behalten. Sie gibt ihnen die Chance, ihr Schicksal selbst zu bestimmen und nicht dem Zufall oder der medizinischen Technik ausgeliefert zu sein. Dies ist nicht nur ein Akt der Barmherzigkeit, sondern auch der Respekt vor der Selbstbestimmung und der Autonomie des Individuums.
Ein würdevolles Sterben bedeutet, dass wir den Betroffenen und ihren Angehörigen die Möglichkeit geben, in Frieden und ohne unnötige Qualen Abschied zu nehmen. Es bedeutet, dass wir ihnen die Würde und den Respekt entgegenbringen, den sie verdienen, und ihnen die Unterstützung und den Trost bieten, den sie in ihrer schwersten Stunde benötigen.
Die Sterbehilfe ist kein Freibrief für den Missbrauch, sondern eine wohlüberlegte Alternative, die unter den richtigen Bedingungen durchgeführt werden kann.
Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, diese Option verantwortungsvoll zu gestalten und sicherzustellen, dass sie nur in den Fällen zur Anwendung kommt, in denen sie wirklich notwendig und gewünscht ist.
Lassen Sie uns mutig und mitfühlend sein und denjenigen, die in schwerster Not sind, die Hand reichen. Lassen Sie uns die Sterbehilfe als das anerkennen, was sie ist:
Ein Akt der Menschlichkeit und der Achtung vor dem Leben in seiner ganzen Komplexität und Würde.



Noch ein paar Worte zu den Beiden im Juli 2023 vorgelegten Gesetzentwürfen.

Ich habe damals die Abstimmung im Bundestag mit großer Spannung verfolgt, da im Vorfeld nicht klar war, ob der meines Erachtens freiheitsfeindliche und verfassungswidrige Entwurf von Lars Castellucci und Kolleg*innen nicht doch eine parlamentarische Mehrheit findet.
Glücklicherweise ist das Abstimmungsergebnis, auch wenn mit 363 Nein-Stimmen gegenüber 304 Ja-Stimmen denkbar knapp ausgefallen sind, für die Freiheit und Selbstbestimmtheit gut ausgegangen.
Ich bin sehr erfreut darüber gewesen und bin es noch immer, dass der Erfolg und die Freiheit für das Recht auf selbstbestimmtes Sterben nicht im Nachhinein rückgängig gemacht wurde und es nun nicht erneut notwendig sein wird, das Bundesverfassungsgericht in dieser Angelegenheit erneut anzurufen.

Dass jedoch mehr als 300 Bundestagsabgeordnete für ein vermutlich verfassungswidriges Gesetz gestimmt haben, stimmt mich aber in jedem Fall bedenklich. Ich sehe überaus deutlich, dass sich diese Abgeordneten, wie leider auch meine meisten bisherigen Kontakte zu Abgeordneten zeigten, am deutlichsten ist dies bei Herrn Lars Castellucci der Fall, dass sich diese Abgeordneten gar nicht, oder nur einseitig, oder mit religiösen Scheuklappen dem Thema befasst haben. Mir scheint, dass nicht wenige Abgeordneten dringend eine Fortbildung zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Politik benötigen.


Artikel in diesem Zusammenhang:

Neuauflage eines § 217 StGB - Nicht Notwendig - Nicht Zielführend

Informationen, Filme, Video, Audio und mehr zum Thema Sterbehilfe und würdigem Sterben


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