Sterbewunsch Gespräch

Eigentlich waren nur zwei Gespräche in den Weihnachts- und Neujahrszeit terminiert - aber es wurden drei Termine um die ich gebeten wurde und die ich wahrnehmen konnte.
Aus diesen Gesprächen ist die Motivation zu diesem Artikel getriggert worden.

Wenn Patientin einem / mir deren Sterbe- oder Sterbehilfewunsch anvertrauen, ist es immer wieder neu - ich habe keinen Plan, da es mir um das Zuhören geht und erst im zweiten darum Informationen und Hilfe anzubieten - in welcher Form die Information und die Hilfe ist wird davon entschieden was ich Höre - ob es Suizidpräventiv ist oder in die Richtung eines Freitod gehen kann.

Was aber immer gleich ist, bei diesen Situationen und Zeiten, ist die höchste Aufmerksamkeit und Zuwendung die ich gebe möchte und es mir abfordert - es geht um wahrnehmen und würdigen dieses Wunsches, es geht darum achtsam zuzuhören und nachzufragen und darum die Hintergründe des Sterbewunsch zu erfassen - Jegliches bagatellisieren, trösten, vorschnelle Lösung, vorschnelle Interpretation sind fehl am Platz.
Ich führe diese Gespräche immer ergebnisoffen und sie sollten immer auch so geführt werden, so denke ich.  Diese Gespräche erfordern selbstredend eine grundsätzlich wertschätzen Haltung, dem Patienten gegenüber, erfordern das Wissen um die Komplexität dieser Wünsche.


Sterbewünsche und Suizidwünsche

Bei dem Zuhören geht es mir entscheidend um das verstehen des Wunsches, der Historie und aktuelle Situation und was ich in jedem Fall tue, ist stets einen Suizidwunsch von einem Freitodwunsch im Hinterkopf zu haben - um, auch wenn ich zunächst immer nur intensiv zuhöre und auf alarmierende Triggerworte oder Formulierungen des Gesprächspartner höre und auf meine zu achten und auf die nächsten Gesprächssteps bereit zu sein.
Sterbewünsche und Suizidwünsche werden oft nur zögerlich mitgeteilt manchmal auch im metaphorischen oder verschlüsselten Formen. 

Bei schweren unheilbaren Erkrankung mit belasten Symptomen stellen sich unweigerlich Sinnfragen und Überlegungen zum Wert des eigenen Lebens. Dabei kann das erlebte Leid so überwältigend sein, dass die Beendigung des Lebens zumindest phasenweise als einziger Ausblick erscheint - anders als bei einer akuten Suizidalität besteht bei Sterbewünschen, in den meisten Situationen und Menschen kein Handlungsdruck.
Wie ich es erlebe, beobachte und erfahren habe.
Sterbewünsche sind auch immer wieder und individuell, oftmals eine ganz normale Reaktion auf intensives Leiden.

Sterben und Sterbewünsche stellen eine normalen Reaktion auf das erlebte Leid da, Diese Wünsche sind Ausdruck von Leidenserfahrungen und Leidensgeschichten oder auch dramatische Überforderung - all dies ist zu besprechen und die Möglichkeiten und Alternativen zu besprechen.
Meistens bedeuten sie nicht, dass sich die Patienten den Tod wünschen, sondern dass sie an die Grenzen des ertragbar gekommen sind und unter dem momentan, mentalen und künftigen befürchten Bedingungen nicht mehr leben wollen oder nicht mehr so-leben-wollen oder nicht mehr so-leben-können
Die meisten Sterbewünsche sind selbstredend ambivalent, unbeständig ... und sind fluktuierend, abhängig von der Situation und der Intensivität der momentanen Erfahrung. (Siehe auch: Ambivalenzen rund um die Sterbehilfe).
Ein Sterbewunsch kann sich auch wieder verändern wenn es gelingt die Belastung der Patient für die Patientin zu reduzieren. 

Es ist daher zwischen einem vorübergehen Wunsch, der situative ausgelöst ist  und einem dauerhaften anhaltenden Wunsch zu Sterben zu unterscheiden.
Das Spektrum reicht von einem allgemeinen Wunsch "der Toten möge kommen"... über den Wunsch, für das eigene Leben, das Ende würdig und eher kommen zu lassen , zu beschleunigen, bis hin, vielleicht präventiv präventiven Anfragen um Assistenz und Hilfe zu einem würdigen Sterben zu sammeln, sich zu versichern, dass es diesen Weg gibt - dadurch wird deutlich, dass auch jede assistierte Sterbehilfe seinen Anfang in einem Sterbewunsch nimmt.


Gerade in Alten und Pflegeheimen beziehe ich, wo es auch immer geht und möglich ist, das Personal und die Leitung ein. 

Mit der nun wieder möglichen Sterbehilfe und durch die Auseinandersetzung mit der 'neuen' legalen Sterbehilfe hat die Sensibilität zugenommen - sind Mitarbeiter*innen in Pflege- und Altenheimen immer öfter gefordert - kommen in solche Gespräche mit Patient*innen und Bewohner*innen. 

Besonders häufig werden Sterbewünsche während der pflegerischen Handlungen geäußert, dann sind oder werden die krankheitsbedingte Verluste sehr bewusst, werden intensiv empfunden, die Verletzung der Scham oder der Würde erfahren diese Menschen, sie erleben und durchleben  deren Einschränkungen - es wird der Patientin / dem Patienten sehr und besonders bewusst und wird besonders schmerzlich wahrgenommen.

Auch wenn der vor wenigen Wochen geschrieben Artikel "Nachbereitung einer Sterbehilfe ... baut auf gute Vorbereitung" primär an Ärzt*innen und Arztpraxen gemünzt war, ist er auch hilfreich für alle anderen Helfer und Menschen im Umfeld des Sterbewilligen - wie die Alten und Pflegeheime und deren Mitarbeiter.


Ein paar Tipps ...

Über das Sterben zu sprechen fällt den meisten schwer, noch schwerer über das eigene Sterben, welches ja unvermeidbar ist, und noch schwerer mit einem anderen Menschen über die eigene Sterbehilfe zu sprechen - es erfordert Feingefühl, Empathie und Aufmerksamkeit.
Es ist wichtig, ein sicheres Umfeld zu schaffen und eine offene, respektvolle Kommunikation zu fördern. Hier sind einige Grundsätze, die bei einem Gespräch hilfreich sein können:

  • Zeige Verständnis und Empathie
  • Urteile und Schuldzuweisungen sind völlig fehl am Platz
  • Frage direkt und ohne Zögern
  • Respektiere die Gefühle der Person
  • Vermeide schnelle Lösungen
  • Ermutige Hilfe, und auch professionelle Hilfe zu suchen im Falle eines Suizid.
  • Biete Unterstützung und Informationen an wenn es ein unterstützbarer Freitodwunsch ist. 
  • Suche Unterstützung Intervisionen / Supervisionen für dich selbst.


Da bei meinen Gesprächen mit älteren Menschen entweder durch sie selber, aber weit häufiger durch deren Umfeld gesagt wird : "Aber Gott sagt ..."  ...

Sterbewünsche bei krankheitsbedingten Leidenserfahrungen und Leidensgeschichten, Leidenssituationen und Leidensaussichten und oder nach einem erfüllten Leben sind kein neues Phänomen - dies sage ich insbesondere älteren Menschen. Selbst in der Bibel sind Überlieferung zu finden von Wünschen nach einem baldigen Tod - darunter König Saul, Judas Iskariot, und Simson (Bibelverse zum Selbstmord) - keiner dieser Personen in der Bibel wird dies als Sünde unterstellt - Ich sage jedem, dass der christliche Glaube nur in der Interpretation alter, weißer Männer die Beendigung des eigenen Lebens als Sünde definiert, die Bibel tut es nicht. (Siehe auch: Freitod – Was sagt der christliche Glaube dazu?) Diese Texte verdeutlichen die Komplexität des menschlichen Leidens, die Menschen in Momenten des Leidens und der Angst in Erwägung ziehen können.


Weitere Artikel zur Gesprächsführung

Über den Wunsch zu Sterben - Über Freitod und Suizidgedanken reden

Konzept - Sprechen über Freitod und Sterbehilfe

Tipps für das Gespräch mit Ärztinnen oder Ärzte



In diesem Kontext der Verweis auf folgende früher Artikel:

Q&A - Sterbehilfe in einem Alters- und Pflegeheimen - ist das möglich?

Ein Gutes Leben - ein gutes Ableben - "Adieu, man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar"

Ein gutes Ende - Menschen in der letzten Phase begleiten

Umgang mit dem Tod bei den fünf Weltreligionen - Was kommt im Tod














 

















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