Das Kanadische MAID Program - Regeln zur medizinischen Sterbehilfe in Kanada (Stand 07.2023)

Sterbehilfe ist ein komplexes und zutiefst persönliches Thema - ich habe diese Thema immer schon, solange ich mich erinnern kann, in meiner Wahrnehmung - in jedem Fall seit dem ich einem gleichaltrigen US Soldaten in seinen letzten Tagen beistand.



In diesem Artikel beschäftige ich mich mit den Regelungen in Kanada - mit Stand Juli 2023.

2014 erließ Kanada sein Gesetz zur Sterbebegleitung , das Regeln zur medizinischen Sterbehilfe enthält - Canada’s medical assistance in dying (MAID) law.

Die kanadische Regierung setzt sich dafür ein, dass deren Gesetze und Regelungen die Bedürfnisse der Kanadier widerspiegeln, diejenigen schützen, die möglicherweise gefährdet sind, und auch deren Autonomie und Wahlfreiheit unterstützen.

Medizinische Sterbehilfe (MAID) ist in Québec seit 2015 und im übrigen Kanada seit 2016 legal. Kanada entwickelt deren Sterbehilfe kontinuierlich weiter fort hinsichtlich der Berechtigung und Rechtlichen Rahmenbedingungen. Dies heißt aktuell und bis zum 17. März 2024, dass Personen, die ausschließlich an einer psychischen Erkrankung leiden und alle anderen Zulassungskriterien erfüllen, voraussichtlich erst ab dem 17. März 2024 in Kanada Anspruch auf MAID nehmen werden können. 

Sidenote zum Anfang, es ist erschreckend zum einen welche Missbrauchsfälle es gibt, jeder einzelne Fall ist aufzuklären, aber ebenso erschreckend finde ich es wie einige Interessenverbände, Politiker und ganz vorne weg religiöse Hardliner blanke Unwahrheiten über das Kanadische MAID Program propagieren, publizieren und erfinden.  Darum dieser Artikel.


Zulassungskriterien

Ärzte und Krankenpflegende und Helfer dürfen in Kanada einer sterbewilligen Person Sterbehilfe nur dann zur Verfügung stellen, wenn alle folgenden Zulassungskriterien erfüllt sind. 

  • Sterbewillige in Kanada müssen mindestens 18 Jahre alt und entscheidungsfähig im Hinblick auf deren Gesundheit sein und einen freiwilligen Antrag auf MAID, welcher insbesondere unbeeinflusst von äußeren Druck gestellt wurde.
  • Sterbewillige müssen für eine Sterbebegleitung umfassend informiert und aufgeklärt sein über verfügbare Mittel, Methoden und Therapien zur Linderung deren Leidens, einschließlich Palliativpflege.
  • Sterbewillige haben eine schwerwiegende und unheilbare Gesundheitszustand zu haben, welche durch einen bzw dem helfen  Ärzt*innen oder Gutachter bestätigt werden, dass:
    • die Person an einer schweren und unheilbaren Krankheit leidet, oder unter dem Zustand einer Behinderung leidet
    • die Person sich in einem fortgeschrittenen und irreversiblen Stadium des Verlust der eigenen Fähigkeiten und Lebensqualität  befindet.
    • die Krankheit, das Gebrechen oder die Behinderung oder der Zustand des Verfalls dazu führt , dass die Person physisches oder psychisches Leiden erleidet, ein Zustand welche für die Person unerträglich ist und nicht unter Bedingungen gelindert werden kann, die die Person für akzeptabel hält.

Ärzt*innen und Krankenpflegende dürfen nur für die in diesen oben genannten festgelegten Kriterien medizinisch assistierte Sterbehilfe leisten.


Wichtige Informationen zu den Bedeutungen und Wertung der 'Worte'

Das Kanadische Recht spezifiziert das Wort „Unheilbar“ , dass es keine angemessenen Behandlungen mehr gibt, wenn Ärzt*innen oder Gutachter UND die betroffene Person gemeinsam die anerkannten, verfügbaren und potenziell Therapien / Behandlungen unter Berücksichtigung der individuellen Gesamtsituiation und allgemeinen Gesundheitszustands, der Überzeugungen, Werte und Pflegeziele der Person prüfen und zu dieser Erkenntnis gelangen.

Um festzustellen, dass eine Person an einem schwerwiegenden und unheilbaren Gesundheitszustand leidet, müssen der Anbieter und der Gutachter der Meinung sein, dass sich die Person in einem fortgeschrittenen Zustand eines irreversiblen Leistungsverlusts befindet.

Das Kanadische Gesetz, erkennt physisches oder psychisches Leiden an (sidenote von mir an dieser Stelle zum Gesetzentwurf, den Reden um Bundestag der Abgeordneten um Lars Castelluccie, Ansgar Heveling,  Kirsten Kappert-Gonther und meinen persönlichen Gesprächen und Aufeinandertreffen mit Herr Castellucci die dieses psychische Leiden völlig ausblenden - besonders erschreckend zumal im Lebenslauf von Frau Kappert-Gonther zu lesen ist, dass sie Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.ist), und Kanada erkennt an, das Leiden oder die Behinderung oder der Verfall der Person bei der Person körperliches oder psychisches Leiden verursachen kann, das für für die betroffene Person unerträglich ist und das nicht unter Bedingungen gelindert werden kann, die von der Person für akzeptabel gehalten wird.

(Sidenote von mir - Ich finde diese Anerkennung der Menschenwürde ist gänzlich nicht im restriven Strafgesetzentwurf auffindbar oder auch nur herauslesbar - wurde ja auch in den Reden einzelner Vertreter*innen auch klar verneint)


Leistungsfähigkeit und Entscheidungsfähigkeit

Helfende, Ärzt*innen oder Gutachter müssen feststellen und davon überzeugt sein, dass die /der Sterbewillige zum Zeitpunkt der Beantragung und Durchführung Entscheidungsfähig ist.

Bei der Beurteilung der Fähigkeit, Entscheidungen in Bezug auf MAID / Sterbehilfe zu treffen, müssen Helfende, Ärzt*innen oder Gutachter feststellen, ob die sterbewillige  Person in der Lage ist, nachfolgendes zu verstehen und zu würdigen:

  • die Vorgeschichte und Prognose der eigenen Erkrankung(en) und Situation
  • die Therapie- und  Behandlungsmöglichkeiten sowie alle Aspekte wie Risiken und Vorteile
  • dass das beabsichtigte Ergebnis der Sterbehilfe der Tod ist
Helfende, Ärzt*innen oder Gutachter müssen die Begründung und Beweise dokumentieren, auf denen ihre Beurteilung der Entscheidungsfähigkeit und Leistungsfähigkeit beruht.

Da die Entscheidungsfähigkeit  (Einwilligungsfähigkeit, Einsichts- und Urteilsfähigkeit, und Freiverantwortlichkeit) fließend, veränderlich und oft unbeständig ist und sich im Laufe der Zeit ändern kann, müssen alle Helfende auf mögliche Veränderungen der Entscheidungsfähigkeit einer Person achten. Das Kanadische Gesetz sieht dafür für, dass gegebenenfalls Gutachter und Ärzte und die anderen Helfer eine Reihe von Bewertungen der Entscheidungsfähigkeit einer Person erneut durchführen müssen. 

Leistungsfähigkeit bezieht sich auf die Leistungsfähigkeit einer Person (körperlich, sozial, beruflich oder in anderen wichtigen Bereichen), nicht auf die Symptome ihrer Erkrankung. Unter Funktion versteht man die Fähigkeit, Tätigkeiten auszuführen, die für die individuelle sterbewillige Person von Bedeutung sind.


Was ich ebenso im Kanadischen Gesetz gut finde ist, dass für den Fall das der / die Sterbewillige zu irgendeinem Zeitpunkt der Entscheidungsfindung und bei der Sterbehilfe Kommunikationsschwierigkeiten hat, die Helfer alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen soll, um ein zuverlässiges Mittel bereitzustellen, mit dem die sterbewillige Person die ihr zur Verfügung gestellten Informationen verstehen und ihre Entscheidung mitteilen kann. 


Artikel zu dem Thema:


Das Recht auf Selbstbestimmung für das Leben und für das eigene Sterben

Würde, Leben und Sterben


Quelle:

Medical assistance in dying: Overview


Comments

  1. Kommentare sind willkommen, ich lese diese, beantworte wenn nötig und möglich. Aber werde keine publizieren - aus sicherlich leicht verständlichen Gründen - Danke für Ihr / Euer Verständnis.

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