Ärztinnen und Ärzte über ihren eigenen Freitod: Was sie sich wünschen
Eine internationale Studie mit 1.157 Ärztinnen und Ärzten aus Belgien, Italien, Kanada, den USA (Oregon, Wisconsin, Georgia) und Australien (Victoria, Queensland) beleuchtet, wie Medizinerinnen und Mediziner ihren eigenen Freitod und die damit verbundene Sterbebegleitung einschätzen.
Zwei Szenarien standen im Fokus: fortgeschrittener Krebs mit kurzer Lebenserwartung und eine Alzheimer-Demenz im Endstadium.
Quelle / Source: Physicians' preferences for their own end of life: a comparison across North America, Europe, and Australia
Die Ergebnisse werfen ein wichtiges Licht auf die Wünsche von Medizinerinnen und Medizinern bezüglich ihres eigenen Lebensendes. Sie zeigen, dass viele eine Sterbebegleitung bevorzugen, die Schmerzen und Leiden lindert und nicht durch lebensverlängernde Maßnahmen künstlich verlängert wird. Die deutlichen Unterschiede zwischen den Ländern verdeutlichen, wie sehr das Rechtssystem und die gesellschaftliche Haltung die persönliche Einstellung prägen.
Die Studienautorinnen und -autoren, darunter Dr. Sarah Mroz, sehen in diesen Erkenntnissen auch eine Aufforderung an die klinische Praxis, mehr über die individuellen Wünsche am Lebensende nachzudenken und die ethisch / moralische Belastung der Ärzte, und allen Helfenden besser zu berücksichtigen.
Ich betone immer wieder die Hilfe zum Sterben ist einer der herausfordernsten und langbelastenden Entscheidungen.
Sterbehilfe ist die ultimativste Hilfe die man von jemanden erbitten kann.
Sterbehilfe ist in der Tat eine der schwierigsten und emotionalsten Entscheidungen, die jemand treffen kann, dies gilt zu gleichen Ausmaßen für die oder den Fragenden wie auch ebenso für die oder den Helfenden. Wer um Hilfe zum Sterben bittet muss dies wissen, erkennen und anerkennen.
Es geht um das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben und die ethischen, moralischen und rechtlichen Fragen, die damit verbunden sind - für dejenigen die nach dieser Hilfe nicht mehr sind und die mit der Hilfe ein lebenslang leben müssen, und sich stehts sicher sein müssen das dies unzweifelhaft der ultimative Wille des Verstorbenen war.
Aber nun möglichst kompakt die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
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Lebensverlängernde Maßnahmen werden kaum gewünscht: Nur sehr wenige Befragte halten Wiederbelebung (HLW), Beatmung oder künstliche Ernährung für eine gute Option (unter 4 % in beiden Szenarien). Stattdessen bevorzugen über 90 % eine intensive Linderung von Schmerzen und anderen Symptomen.
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Sterbebegleitung als Wunsch: Mehr als die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte würde eine begleitete Beendigung ihres Lebens in Erwägung ziehen – etwa 54 % im Krebsfall und 51,5 % bei Alzheimer.
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Medikamentöse Unterstützung: Rund ein Drittel würde verfügbare Medikamente nutzen, wenn sie legal zugänglich wären.
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Einfluss der Gesetzeslage: In Belgien, wo Sterbebegleitung seit 2002 legal ist, bewerten 81 % die begleitete Beendigung des Lebens als gute Option. In Ländern mit restriktiveren Gesetzen, wie Italien oder einigen US-Bundesstaaten, sind es deutlich weniger (um die 38 % bis 40 %).
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Persönliche Überzeugungen zählen: Nichtreligiöse Ärztinnen und Ärzte befürworten Sterbebegleitung deutlich häufiger als religiöse Kolleginnen und Kollegen. Auch die Fachrichtung spielt eine Rolle: Palliativmedizinerinnen und -mediziner schätzen die palliative Sedierung oft als geeignete Option ein, während Hausärzte, Onkologen und Intensivmediziner eher eine aktive Sterbebegleitung für sich selbst bevorzugen.
Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen: Über 90 % der Ärztinnen und Ärzte lehnen lebensverlängernde Maßnahmen wie Herz-Lungen-Wiederbelebung, künstliche Beatmung oder Sondenernährung in den vorgestellten Szenarien ab – sie sehen diese Eingriffe oft als Belastung statt als Hilfe am Lebensende.
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Unterschiede nach Fachrichtung: Palliativmedizinerinnen und -mediziner bevorzugen häufiger die palliative Sedierung als Sterbebegleitung, während Fachärzte aus Intensivmedizin, Onkologie oder Allgemeinmedizin eher eine aktive Sterbebegleitung oder den Einsatz lebensbeendender Medikamente für sich selbst in Betracht ziehen.
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Moralische Belastung der Ärzte: Viele Medizinerinnen und Mediziner empfinden eine moralische Belastung durch die routinemäßige Fortführung lebenserhaltender Maßnahmen, die nicht immer im Einklang mit dem Patientenwillen stehen. Die Studie fordert ein Umdenken in der klinischen Praxis, um individuelle Wünsche besser zu respektieren und ethische Konflikte zu reduzieren.
Ergänzend: Haltung in Deutschland zur Sterbebegleitung
Obwohl die genannte Studie keine direkten Zahlen aus Deutschland enthält, zeigen aktuelle Umfragen, dass die Mehrheit der Deutschen für eine legale und ärztlich unterstützte Sterbebegleitung ist.
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Laut einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2023 befürworten rund 55 % der Bevölkerung, dass Ärzte Schwerstkranke beim würdevollen Freitod unterstützen dürfen, während nur 15 % ein vollständiges Verbot wünschen. Besonders ältere Menschen stehen der Sterbebegleitung offener gegenüber als jüngere.
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Eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) zeigt, dass 82 % der befragten Ärztinnen und Ärzte eine ärztlich unterstützte Begleitung des Lebensendes befürworten, vor allem für Palliativpatienten und chronisch Erkrankte.
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Parteipolitisch sind die Deutschen weitgehend einig: Die Mehrheit aller Wählergruppen unterstützt, dass neben nahen Angehörigen auch Ärzte und Sterbehilfeorganisationen assistieren dürfen, wobei die SPD-Sympathisanten etwas skeptischer sind.
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Bereits 72 % der Bevölkerung stehen einer legalen Sterbebegleitung grundsätzlich positiv gegenüber, wie frühere Umfragen des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigen.
Diese Zahlen spiegeln eine wachsende gesellschaftliche Akzeptanz und die Anerkennung des Rechts auf ein selbstbestimmtes Lebensende wider.
Weiterführende Informationen zur Haltung in Deutschland findest du in meinem ausführlichen Artikel:
Mehrheit der Deutschen für Sterbehilfe durch Ärzte
Fazit
Die internationale Studie zusammen mit den aktuellen Zahlen aus Deutschland verdeutlichen: Ärztinnen und Ärzte sowie die Gesellschaft wünschen sich mehr Offenheit und legale Möglichkeiten, um Sterbebegleitung respektvoll, schmerzfrei und selbstbestimmt zu gestalten.
Die Erkenntnisse laden ein, die medizinische Praxis und Gesetzgebung weiterzuentwickeln und die ethische Belastung von Betroffenen und Sterbewillligen, und aller involvierten Personen und besonders Ärzt*innen und Fachpersonen ernst zu nehmen.
Die letzte Entscheidung: Was Menschen zur Sterbehilfe bewegt
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