In Würde gehen – über Niki Glattauer, selbstbestimmtes Sterben und die Debatte um Freitod"

Der Tod des österreichischen Autors, Lehrers und Publizisten Niki Glattauer hat in unserem Nachbarland eine wichtige und zugleich sensible Debatte neu entfacht:
Wie sprechen wir über das Lebensende – und was bedeutet ein selbstbestimmter Abschied?

Glattauer, in Österreich eine prominente Stimme im Bildungsdiskurs und Bruder des bekannten Schriftstellers Daniel Glattauer ("Gut gegen Nordwind"), ist kürzlich seinem schweren Krebsleiden erlegen. Doch nicht einfach so. Er hat seinen Tod bewusst vorbereitet – begleitet, geplant, offen. In Interviews sprach er offen darüber, dass er sich für einen Freitod durch assistiertes Sterben entschieden hatte – mit einem konkreten Datum.

Damit wollte er nicht nur für sich selbst einen gangbaren Weg finden, sondern auch ein Zeichen setzen: für Offenheit, Enttabuisierung und Menschlichkeit im Umgang mit einem Thema, das oft verschwiegen oder moralisch aufgeladen wird.


Zwischen Suizidprävention und Selbstbestimmung

Auf diesem Blog beschäftige ich mich viel mit psychischer GesundheitResilienz, und Suizidprävention – und halten es gleichzeitig für wichtig, den Unterschied anzuerkennen zwischen einem verzweifelten, oft impulsiven Suizidversuch aus seelischer Not und einem gut überlegten, konstant geäußerten Wunsch nach einem begleiteten Lebensende im Kontext schwersten körperlichen Leidens. Diese Unterscheidung ist nicht immer leicht, aber sie ist absolut wesentlich.
Denn Suizidprävention bedeutet nicht, jeden Todeswunsch um jeden Preis zu pathologisieren oder zu bekämpfen.
Es bedeutet vor allem: Hinhören, Hinschauen, Verstehen wollenRaum für Gespräche schaffen – auch über das Sterben.


Rechtliche Unterschiede: Österreich – Deutschland

Der Fall Glattauer hat in Österreich eine lebhafte gesellschaftliche Debatte ausgelöst. Dort ist assistierter Freitod seit 2022 unter engen Bedingungen erlaubt – konkret: Es muss eine terminal verlaufende, unheilbare Krankheit vorliegen. Die Betroffenen müssen außerdem ihre Entscheidung mehrmals bekräftigen, ein psychiatrisches Gutachten einholen und eine verpflichtende Bedenkzeit einhalten.
In Deutschland ist die Rechtslage seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vor 5 Jahren in  2020 anders:
Bei uns in Deutschland ist eine frei verantwortliche, wohlerwogene und konstante Entscheidung – auch wenn keine lebensverkürzende körperliche Erkrankung vorliegt.
Dies führt zu einer offenen, aber auch konfliktreichen Debatte:
Wo endet Autonomie – und wo beginnt Schutzpflicht?


Warum wir über Freitod sprechen müssen – und ich es auf meinemMental Health Blog tue ...

Es mag zunächst widersprüchlich erscheinen, auf einem Blog, der sich der psychischen Gesundheit und dem Leben widmet, über den Freitod zu schreiben. Doch genau hier gehört er hin.

Denn auch das Sterben gehört zum Leben. Und psychische Gesundheit bedeutet auch, schwierige Themen nicht auszublenden, sondern sie differenziert, ehrlich und menschlich zu betrachten.

Niki Glattauer hat uns daran erinnert, dass der Wunsch zu gehen nicht immer aus Verzweiflung kommt – manchmal kommt er aus Klarheit, aus Akzeptanz und aus dem tiefen Bedürfnis, das eigene Leben bis zuletzt selbst in der Hand zu behalten.

Sein Abschied ist ein Anlass, innezuhalten. Nicht um zu urteilen, sondern um zuzuhören.

… um Niki Glattauer zuzuhören - 90-minütigen, beeindruckenden Interview mit dem Falter-Herausgeber Florian Klenk und Christian Nusser von Newsflix:






Hilfe bei suizidalen Krisen mit Hinweisen auf Notfallkontakte. 


Mehr zum Thema Sterbehilfe:

Sterbehilfe in Deutschland möglich und erlaubt ... Würdevoll und Respektvoll




Weitere Informationen und Artikel und Hilfen

Suizidalität ist keine Krankheit - Gedanken und Hinweise zu Suizidalität und Freitod-Gedanken

Weitere Artikel zur Suizidprävention 



Hilfe - Suizidprävention

Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

Die Telefonseelsorge hat eine gute und bewährte App entwickelt: den KrisenKompass.
Der KrisenKompass ist eine App, die dank ihrer Funktionsweise eine Art Notfallkoffer für Krisensituationen darstellt. In den Koffer können Sie positive Gedanken oder Fotos, Erinnerungen oder Lieder packen – Ihr persönliches Rüstzeug für schlechte Momente. Dazu dienen etwa die Tagebuchfunktion und die persönlichen Archive.
Darüber hinaus gibt es Materialien, die in Krisensituationen hilfreich sind, Hinweise zu beruhigenden Techniken, sowie direkte Kontaktmöglichkeiten zur TelefonSeelsorge und anderen professionellen Anlaufstellen. Was stabilisiert Sie, was hilft Ihnen jetzt gerade? Auf diese Fragen gibt die App Ihnen Antwort. KrisenKompass - App


Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis sonnabends von 14 bis 20 Uhr
unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333
Am Sonnabend nehmen die jungen Berater des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an. nummergegenkummer.de.


Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden
unter 030 - 443 509 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de


Jüdische Bundesweite telefonische Hotline 

Hebräischsprachige Hotline "Matan": ‚Matan‘ ist ein Projekt der Beratungsstelle ‚OFEK‚ e. V. und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST)
Telefonnummer: 0800  - 000 16 42  
Hotline-Zeiten: Jeden Tag der Woche 20:00-22:00 - Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Kirchlichen Telefonseelsorge (KTS) durchgeführt und durch die Deutsche Fernsehlotterie gefördert.


Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de





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