Die leise Kraft der Frage: Axel Hackes „Wie fühlst du dich?“
Manchmal sind es nicht die großen Antworten, die uns weiterbringen, sondern die richtigen Fragen.
Axel Hackes Buch „Wie fühlst du dich?“ ist genau so ein Buch: kein Ratgeber, kein Fachbuch, kein psychologisches Lehrwerk – und gerade deshalb zutiefst menschlich.
Ich hörte das Buch auf einer Fahrt zu einer PSNV-Ausbildung, gelesen von Axel Hacke selbst. In dieser Situation wurde es für mich mehr als eine Lektüre: Es wurde ein Begleiter – durch die oft unübersichtliche Landschaft unserer Gefühle.
Eine einfache Frage mit großer Wirkung
Der Titel ist Programm. „Wie fühlst du dich?“ ist eine Frage, die wir viel zu selten stellen – und noch seltener ehrlich. Anderen gegenüber, aber vor allem uns selbst.
Dabei arbeite ich selbst im Bereich der mentalen Gesundheit und weiß, wie zentral diese Frage ist. Hacke macht sie zum Mittelpunkt seines Buches und zeigt, wie ungewohnt, aber auch wie heilsam es sein kann, Gefühle nicht wegzuerklären, zu übergehen oder zu relativieren, sondern sie ernst zu nehmen.
Gefühle als etwas Alltägliches – und doch Übersehenes
Axel Hacke schreibt mit der ihm eigenen Mischung aus Leichtigkeit, Humor und Tiefe. Ich habe viele seiner Bücher gelesen – und schätze sie sehr. Auch hier nähert er sich dem Thema Gefühle nicht belehrend oder von oben herab, sondern aus dem Alltag heraus: aus Beobachtungen, Gesprächen, eigenen Unsicherheiten.
Gerade diese Haltung macht das Buch so zugänglich. Man fühlt sich nicht analysiert oder bewertet, sondern begleitet. Als Leser*in wird man eingeladen, den Gedanken zu folgen. Hacke schreibt wie ein ehrlicher Begleiter. Ein Buch, das Raum lässt – ei Autor der Raum lässt – Für das „Wie fühlst du dich?“ – besonders wohltuend, ist der konsequente Verzicht auf schnelle Lösungen. Hacke schreibt offen über Unsicherheit, Traurigkeit, Überforderung und die Sprachlosigkeit, die viele von uns kennen, wenn es um innere Zustände geht. Gefühle sind nicht immer logisch – und sie müssen es auch nicht sein.
Nicht jedes Gefühl braucht eine Diagnose oder eine Erklärung. Manchmal braucht es einfach Aufmerksamkeit, Bewusstsein und Wahrnehmung – auch Selbstwahrnehmung.
Besonders bemerkenswert ist, dass Hacke dabei nicht im Privaten stehen bleibt. Er zeigt auch, wie Gefühle gesellschaftlich und politisch instrumentalisiert werden. Anhand rhetorischer Muster – etwa bei Donald Trump, der AfD und anderen insbesondere rechtsextremen Parteien – macht er deutlich, wie gezielt mit Angst, Wut und Kränkung gearbeitet wird. Und das Trump, wie auch die AfD diese Mittel nicht tun um zu verstehen, sondern um zu mobilisieren, zu spalten und zu vereinfachen. Gefühle werden von Trump und der AfD nicht ernst genommen, sondern benutzt. Hackes Analyse bleibt dabei ruhig und präzise.
Nähe durch Ehrlichkeit
Hackes Ton bleibt stets unaufgeregt. Er dramatisiert nicht, er moralisiert nicht. Stattdessen entsteht Nähe – durch Zweifel, durch Offenheit und durch das Eingeständnis, dass auch Erwachsene oft ratlos sind, wenn es um das eigene Innenleben geht.
Das Buch liest sich stellenweise wie ein Gespräch mit einem klugen Freund, der keine fertigen Antworten hat, aber gute Fragen stellt. Genau darin liegt seine mentale Stärke: Es öffnet einen Raum, in dem Leser*innen sich selbst begegnen können.
Eine Brücke zu anderen wichtigen Büchern
Axel Hacke verweist auf Bücher, die seine Gedanken auf unterschiedliche Weise vertiefen.
Er erwähnt unter anderem „Wut ist ein Geschenk“ von Arun Gandhi – ein Buch, das mir ebenfalls sehr am Herzen liegt. Während Hacke dazu einlädt, Gefühle wahrzunehmen und ernst zu nehmen, geht Gandhi einen Schritt weiter und zeigt, wie insbesondere Wut verstanden und transformiert werden kann: nicht als etwas Zerstörerisches, sondern als Energie mit einer Botschaft.
Darüber hinaus verweist Hacke auch auf Michael Endes „Momo“, insbesondere auf die Figur der Grauen Männer. Sie stehen sinnbildlich für eine Welt, in der Zeit, Beziehung und Gefühl ausgehöhlt werden. Hacke nutzt dieses Bild, um zu zeigen, wie leicht wir den Kontakt zu uns selbst verlieren können – durch Effizienzdruck, Beschleunigung und innere Abkopplung. „Momo“ wird so zu einer literarischen Metapher für emotionale Entfremdung.
Alle genannten Bücher eint ein zutiefst humanistischer Ansatz: Gefühle sind kein Problem, das gelöst werden muss, sondern ein Zugang zu uns selbst – und zu einem bewussteren, menschlicheren Miteinander.
Fazit
„Wie fühlst du dich?“ ist ein leises, kluges und wichtiges Buch. Es drängt sich nicht auf, es belehrt nicht – und genau deshalb wirkt es nach. Für mich war es eine wertvolle Lektüre, weil es daran erinnert, dass mentale Gesundheit nicht nur aus Methoden besteht, sondern aus Aufmerksamkeit, Sprache und Mitgefühl.
Vielleicht ist die wichtigste Wirkung dieses Buches, dass man nach dem Lesen tatsächlich öfter innehält – und sich selbst diese einfache, ehrliche Frage stellt: Wie fühle ich mich eigentlich gerade?

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