Betrachtungen zum Freitod, Ärztlicher Unterstützung und Aktuellen Gesetzesentwürfen im Bundestag

Die deutsche Verfassung verbürgt in Artikel 2 das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GG Art 2 

Art 2 GG (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

Art 2 GG (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.


Bundesverfassungsgerichts 

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 sagte das BVerfG und publizierte in der Pressemitteilung Nr. 12/2020 vom 26. Februar 2020 folgendes:

"Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren. Mit dieser Begründung hat der Zweite Senat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass das in § 217 des Strafgesetzbuchs (StGB) normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung gegen das Grundgesetz verstößt und nichtig ist, weil es die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert. Hieraus folgt nicht, dass es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen untersagt ist, die Suizidhilfe zu regulieren. Er muss dabei aber sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt."

Dank des Urteils des BVerfG haben seit Februar 2020 nun wieder alle das Recht, über das eigene Lebensende zu entscheiden, soweit dadurch keine weiteren Personen geschädigt werden, so wie es vor 2015 war.

Um dieses Recht zu verwirklichen, sollte ein unheilbar Kranker das Recht haben, zur Verwirklichung seines Sterbewunsches ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die aktive Sterbehilfe, wie sie in den Benelux-Ländern in Anspruch / erbeten werden kann, ist nach wie vor unter Strafe. 


Überzeugung

Ich bin der Meinung, ein selbstbestimmter Tod sollte ein Tod von eigener Hand sein, allerdings mit Unterstützung eines Arztes um Leiden auszuschließen. Und wenn wir dazu kommen können eine aktive Sterbehilfe zu erlauben und zu ermöglichen sollte diese Menschen die den letzten Akt zum Freitod nicht mehr selber durchführen können.

Die Aktivitäten, Anstrengungen, Anteilnahme und Beteiligung für die Option eines selbstbestimmten Tods entspringt bei den meisten Menschen der persönlichen Erfahrung mit dem Sterben Nahestehender. Das war auch in meinem Fall so - ich erlebte dies als Rettungssanitäter, als Sanitätssoldat und im Privaten.

Eine gleichaltriger Soldat im Endstadium wünschte sich sehnlichst eine Verkürzung seines quälenden und quälend langen Wegs in den Tod. Einer der behandelnde Arzt zeigte Verständnis, nach dem mehrere Andere keine Bereitschaft, an einer Abkürzung dieses Wegs mitzuwirken. Mehrere sagten ihm ihnen seien durch das Ärzte- und Militärrecht die Hände gebunden. Es war eines der einschneidendsten Erlebnisse in meinem Leben - ich überbrachte etwa 1 Jahr später der Mutter den handgeschriebenen Brief des Sohn - da sie den Brief nicht von der Army oder anders per Post erhalten wollte, sondern persönlich von dem der die letzten Stunden bei ihrem Sohn war - und wenn auch mit großem Kloß im Hals brachte ich den Brief der Mutter nach Fort Hunt / Virginia. Und wir sind heute noch im email Kontakt. Diesen Dienst, habe ich als einen letzten Kameradschaftsdienst angesehen.

Die Aufgabe der Sterbehilfe bleibt all zu oft den Verwandten vorbehalten bzw wird von den denen erbeten – unter großen Mühen und Unsicherheiten kann dies nur geschehen. Darum tut es Not einen Arzt zumindestens für die formalen Schritte und Handlungen zu haben.


Ärztliche Unterstützung

Die Lehre, die ich daraus gezogen habe, lautet: Sterbehilfe im Sinne der Beihilfe zu einer Selbsttötung unter Bedingungen der freiverantwortlichen Entscheidung eines unheilbar Kranken, einem nicht enden wollenden Leiden, eine Existenz die in der Definition des betroffenen Menschen kein lebenswertes Leben mehr ist sollte kein Tabu mehr sein, sie sollte nicht nur legal sein (was sie in Deutschland ist), sondern sie sollte auch vom ärztlichen Standesrecht zugelassen werden und nicht, wie von einigen Landesärztekammern, für Ärzte mit ausgesprochenen oder unterschwelligen Sanktionen bedroht sein. Nur Ärzte verfügen über die erforderliche Fach- und Sachkenntnis und die Unabhängigkeit, die Erfüllung der bei einer unumkehrbaren Entscheidung für den Tod zu beachtenden Sorgfaltskriterien zu prüfen

Ich sehe keinen Widerspruch zum ärztlichen Ethos. Ließt man und durchdenke die Sätze ...

"Ich stelle die Sorge um die Behandlung meiner Patienten und deren Interessen immer voran, wende jeden vermeidbaren Schaden von ihnen ab und füge ihnen auch keinen solchen zu."

"Ich betrachte das Wohl meiner Patienten als vorrangig, respektiere ihre Rechte und helfe ihnen, informierte Entscheidungen zu treffen."

"Ich mute meinen Patienten nichts zu, was ich auch meinen liebsten Nächsten oder mir selbst nicht zumuten würde."

"Ich respektiere und wahre grundsätzlich die Willensäußerungen meiner Patienten."

... dann kann man doch gar nicht anders als Menschen für den schlimmsten Fall der Fälle, im Falle einer nachvollziehbaren Willensäußerungen einer Patienten ihr oder ihm auch beim Ableben nach bestem Wissen und Gewissen zu helfen und diese Verantwortung wahrzunehmen.


Gesetzesentwürfe

Wie oben zitiert in das oben genannte Recht im GG Artikel 2 darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Hierzu erarbeiten aktuell 3 Gruppen von Abgeordnet*Innen entsprechend 3 Gesetzentwürfe (Link zu einer Analyse)  und werden im Bundestag debattiert (Link zur Orientierungs­debatte im Bundestag über die Reform der Sterbehilfe im Mai 2022).

Zwei Entwürfe gehen in eine recht gute Richtung. Einer der Drei Entwürfe jedoch, der Gesetzentwurf der Abgeordneten ...
Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Stephan Pilsinger (CSU), Benjamin Strasser (FDP) und Kathrin Vogler (Linke), sowie Heike Baehrens, Kerstin Griese, Hermann Gröhe, Hubertus Heil, Pascal Kober, Dr. Konstantin von Notz, Thomas Rachel, Claudia Roth, Bettina Stark-Watzinger
... hat recht eindeutig Probleme mit den Freiheitsrechten, Selbstbestimmung der Menschen - aber noch viel mehr Probleme mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und dass die "autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren" ist.

Der Entwurf will auch über eine weitere Ergänzung einem § 217a "Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung“  letztlich die sachliche Information über Sterbehilfe im Vorfeld verbieten. Womit eine Information über Rechte und Möglichkeiten durch diesen Gesetzesentwurf unterbunden wird bzw strafbar und kann nach diesem Entwurf mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. 
Sprich noch restriktiver als die Rechtslage in den Jahren 2015-2020 war - noch weniger Freiheit und Selbstbestimmung.



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