Selbstbestimmt leben und sterben in Deutschland
Selbstbestimmt leben und sterben in Deutschland
Rainer Maria Rilke sagte / schrieb einmal:
"O Herr, gib jedem seinen eignen Tod,
das Sterben, das aus jenem Leben geht,
darin er Liebe hatte, Sinn und Not."
Mit Februar 2020 endeten 5 Jahre in dem es nahe unmöglich war Sterbehilfe zu erbitten und erst recht nicht ein würdiges Sterben zu ermöglichen - Kirchenvertreter und andere in Personen in politischer oder anderer Funktionen wollen diese Freiheit und Selbstbestimmung wieder unterbinden -teilweise weitreichender als zuvor. Gerade diese Personen haben sich leider trotz einer gewissen Verpflichtung nicht wirklich oder gar nicht mit dem Urteil des Bundesverfassungsgericht beschäftigt.
Das BVerfG hat unmissverständlich verdeutlicht, dass ein Ersatz für den §217 StGB nicht notwendig ist, nicht überraschend ist das die vorgenannten Interessenvertreter dies anders sehen und die Strafbarkeit noch weiter verschärfen wollen.
Ich spreche mich ebenso, statt für ein neues Sterbehilfegesetz, für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen, Regelungen in der / den Ärztekammern aus und eine breite Aufklärung aus. Vielen Menschen ist es nicht bekannt, welche Möglichkeiten bestehen, das Lebensende zu gestalten – Behandlungsoptionen, Pflege- und Hospiz-Optionen, aber auch mit der Unterstützung bei einem selbstbestimmten Sterben.
Auf der anderen Seite brauche es massive Weiterbildung in der Ärzteschaft und Exekutive. Viele wissen nicht, wie sie mit der Freiheit, die jeder jetzt hat, umzugehen haben und können.
Ich wünsche mir Regelungen (kein Gesetz), die eine Praxis schafft, bei der jeder, der einen Sterbewunsch mit einer Krise oder Situation einer Krankheit, aber auch außerhalb von Krisen und außerhalb von akuten psychischen Erkrankungen hat, diesen auch mit freiwillig gebotener Unterstützung realisieren kann.
Auch wenn es sich immer um den Einzelnen Menschen gehen muss möchte ich mit den Grafiken die Menge der Einzelfälle darstellen. Wir zählen pro Jahr etwa 1.Millionen Verstorbene pro Jahr in Deutschland (ca.1,02 Millionen Sterbefälle im Jahr 2023).
In der ersten Grafik habe ich die Menschen, die sich durch einen Suizid, oft brutal das Leben genommen haben (ca.10.300 im Jahr 2023), in Rot rechts Unten symbolisiert.
Einerseits keine große Zahl aber um so bedeutender die einzelnen Leben, Schicksale, und das einzelne, individuelle Leid, dass für die und den Einzelnen solch einem Gesetz gegenübersteht.
Einzelschicksale die wenn ein selbstbestimmtes Sterben möglich sein soll dann auch von diesem Malloch eines Gesetzes und juristischen Spitzfindigkeiten, welche man gerade in dem Entwurf der Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci zu lesen und zu verstehen hat erfüllt werden müssen.
Ein Gesetzentwurf der nur die höheren Ziele und christlichen Dogmen kennt aber den Menschen vollkommen verkennt und nicht erkennt oder anerkennt.
Das BVerfG hat die Regelung des § 217 StGB für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Dabei hat es den Weg für eine gesetzliche Neuregelung weder versperrt noch gefordert, sondern vielmehr auf die Bandbreite denkbarer Regelungsansätze hingewiesen. Mich überrascht es, wenn von Gefahren der Manipulation oder des Missbrauchs gesprochen wird. Sind die Gefahren größer geworden als sie es noch 2015 waren - vor dem unsäglichen § 217 StGB?
Handelt es sich um eine (neue) Gefahr, wenn z. B. auch Sterbehilfevereine nun wissen, dass ihr Handeln nicht (mehr) verboten ist und sie nun helfen dürfen? Menschen anbieten dürfen über Leben, Lebensalternativen, aber auch Beendigung des individuellen Leid sprechen dürfen. Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin sprach als Reaktion auf das Urteil von einem „gefährlichen Spielraum“, der diesen Organisationen nun geöffnet sei, spricht aber nicht von dem selbstgenutzten Spielraum, dem Spiel mit allen medizinisch Möglichem das Existieren zu verlängern.
Warum sollten wir nach 5 Jahren mit einem verfassungswidrigen § 217 StGB ein (Straf‑)Gesetz brauchen, wie es 2015 erlassen wurde, heute in einer Neuauflage von der Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci neu aufgelebt werden soll, nachdem wir 150 Jahre ohne eine Strafnorm ausgekommen sind? Plausibel beantwortet wurde mir diese Frage noch nicht.
Auch wenn ich für die allermeisten Fälle keine Notwendigkeit einer aktiven, direkten Sterbehilfe sehe, bislang war jeder der mir bekannten Fälle ohne Hindernisse durch die assistierte Form gut gangbar. Auch wenn in anderen Ländern eine weitergehende Liberalisierung zu verzeichnen ist, bei der inzwischen sogar die aktive, direkte Sterbehilfe zugelassen wird.
Um es nochmals zusammenzufassen ...
Letztes Jahr diskutierten Sachverständige und Abgeordnete in mehreren öffentlichen Anhörung und internen Gremien des Bundestags-Rechtsausschusses über eine mögliche Neuregelung der assistierten Sterbehilfe und Sterbebegleitung. Die fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe standen zur Debatte, die als Reaktion auf das oben und vielfach genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 eingereicht wurden.
Die vorgelegten Gesetzentwürfe sollten den Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten regeln und schrieben alle Beratungspflichten vor, oft sehr sehr restriktive und mit Fallstricken im Castellucci Entwurf. Die Entwürfe unterschieden stark in deren Ausgestaltung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und der Schutzpflicht für die Autonomie und das Leben.
Ein Entwurf, der von einer Parlamentariergruppe um Lars Castellucci (SPD) vorgelegt wurde, betonte besonders das Strafrecht und schloss auch eine Einschränkung deer Informationsfreiheit ein. Dieser Ansatz stieß auf Kritik von Experten, da er die Zugangsmöglichkeit zum würdigen Sterben zu stark einschränke und damit verfassungsgerichtlichen Vorgaben widerspreche.
Auch der anderen Entwurf von Frau Helling-Plahr (FDP) und Frau Künast (Bündnis 90/Die Grünen) wurde und wird von mir und Experten kritisiert. Ich schau immer noch erwartungsvoll und abwartend auf den Entwurf durch Herrn Armin Grau (Bündnis 90/Die Grünen).
Weitere Informationen
Die rechtliche Situation bis dato bei der Sterbehilfe - 4 Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.Februar 2020
In diesem Zusammenhang weitere Zahlen zur Sterbehilfe.
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