Weihnachten, Trauer und leisen Ritualen

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Die Tage rund um Weihnachten werden oft als Zeit der Ruhe, der Nähe und der Hoffnung beschrieben.
Für viele Menschen, und auch für Einsatzkräfte, können diese Tage jedoch wie ein Verstärker wirken: für Belastungen, für Verluste, für innere Spannungen, die im Jahresverlauf kurzfristig oder länger getragen wurden, wie ein nicht bemerkter Rucksack.

Feiertage unterbrechen Routinen. Sie schaffen Leerstellen, in denen Erinnerungen lauter werden. Das gilt für Trauernde ebenso wie für Menschen, die beruflich oder ehrenamtlich Verantwortung für andere tragen.

Trauer an Feiertagen – normal, nicht pathologisch

Gerade frisch aus einem PSNV Ausbildungwoche zurückkommend, und gleich einen Tag darauf hatte ich ein kollegiales Gespräch, schreibe ich nun heute diese 'weihnachtlichen Gedanken' mit einem Schwerpunkt PSNV und Rettungsdienst.

Aus psychosozialer Sicht ist es wenig überraschend, dass Trauer sich an Feiertagen intensiviert. Rituale, die früher Halt gegeben haben, fehlen oder schmerzen. Gleichzeitig entsteht oft ein subtiler Erwartungsdruck, „funktionieren“ zu müssen – privat wie professionell.

Für Trauernde ist es zentral, die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen:

  • Nähe oder Rückzug sind gleichermaßen valide

  • Struktur kann stabilisieren, Überplanung jedoch belasten

  • Gefühle dürfen da sein, auch im professionellen Kontext – sie müssen nicht „weg“

Rituale sind dabei keine Bewältigungsstrategie im engeren Sinn, sondern Beziehungsarbeit: Sie schaffen Verbindung, Orientierung und Bedeutung.

Alleinsein und innere Belastung

Alleinsein an Weihnachten ist für viele Menschen ein sensibles Thema. In der Mental Health- und PSNV-Arbeit begegnet uns dies häufig indirekt: als Erschöpfung, als emotionale Reizbarkeit, als Rückzug oder innere Leere.

Hilfreich ist es, Feiertage nicht normativ zu bewerten. Alleinsein ist kein Defizit, sondern eine Realität, die getragen werden darf (siehe hierzu auch einen früheren Artikel in dem es um Alleinsein versus Einsamkeit geht). Selbstfürsorge kann hier sehr schlicht sein:

  • Erwartungen reduzieren

  • den Tag überschaubar gestalten

  • kleine, haltgebende Elemente zulassen

Nicht jeder Tag muss „gelingen“. Manche dürfen einfach vorbeigehen.


Einsatzrealität an Feiertagen

Während viele zur Ruhe kommen, sind andere besonders gefordert: Einsatzkräfte in Rettungsdienst, Feuerwehr, Polizei, im Ehrenamt, in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Die Einsatzlage an Feiertagen bringt eigene Dynamiken mit sich – organisatorisch wie emotional.

Aus PSNV-Sicht ist diese Zeit besonders achtsam zu begleiten. Belastungen zeigen sich nicht immer sofort. Manches wirkt erst nach – oft dann, wenn äußere Ruhe einkehrt.


Ein persönliches Ritual

Ich selbst habe ein festes Ritual: Am Heiligabend besuche ich meine verstorbene Frau im Friedwald. Es ist kein großer Moment, kein „Abschluss“. Es ist ein stilles Dasein, ein Innehalten, eine Verbindung.

Dieses Ritual trägt mich. Nicht, weil es den Verlust mindert, sondern weil es ihm Raum gibt. Gerade an einem Tag, der gesellschaftlich stark auf Nähe ausgerichtet ist, ist dieser Ort für mich ein wichtiger Anker.


Kinder, Trauer – und Sternenkinder

Besonders sensibel sind Feiertage für Kinder in Trauer – und für Eltern, die ein Kind verloren haben. Sternenkinder sind an Weihnachten oft sehr präsent, auch wenn sie äußerlich nicht sichtbar sind.

Kinder brauchen keine perfekten Antworten, sondern Verlässlichkeit und Ehrlichkeit. Rituale können helfen:

  • gemeinsam eine Gedenkkerze gestalten

  • Weihnachtsschmuck fürs Grab basteln

  • ein Geschenk für das verstorbene Kind unter den Baum legen

  • einen Ast des Weihnachtsbaums mit an einen Erinnerungsort nehmen

So bleibt das Kind Teil der Familie. Nicht als Thema, das „schont“, sondern als Beziehung, die bleibt.


Dank

Zum Schluss möchte ich Danke sagen:
Allen Kolleginnen und Kollegen in den Blaulichtorganisationen, in Pflege und Kliniken, in Haupt- und Ehrenamt.
Danke für eure Präsenz, eure Professionalität und eure Menschlichkeit – gerade in diesen Tagen, in denen vieles leiser wird, aber nicht leichter.


Belastung endet nicht am Feiertag.
Und Fürsorge beginnt oft mit dem Erlauben von Stille.


In Ermangelung der nötigen Zeit habe ich die Bilder für diesen Artikel diesmal von einer KI erstellen lassen. Schon bald folgen wieder selbst gestaltete Bilder.
Bis dahin wünsche ich allen eine besinnliche Weihnachtszeit und ein gesundes, glückliches neues Jahr.


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