Gedanken zu drei Gruppenanträgen von Katrin Helling-Plahr, Renate Künast und Lars Castellucci

Der Gesetzentwurf zur Sterbehilfe um Lars Castellucci muss zwischen höchst problematisch bis verstoßend gegen das Verfassungsgebot eines weltanschaulich neutralen Deutschland eingeordnet werden. Wie ich schon vor einigen Wochen darlegte und analysierte (Wider dem Grundgesetz, Wider dem BVerfG & Wider der Würde) ignoriert regelrecht der Gesetzentwurf zur Sterbehilfe um Lars Castellucci das Urteil aus Karlsruhe.

Der Gruppenantrag um den religionspolitischen Sprecher der SPD sieht vor, den für nichtig erklärten § 217 wieder einzuführen, aber um kleinste Ausnahmen im ersten Teil zu ergänzen und in einem zweiten Teil die Information zur Sterbehilfe unter Strafe zu stellen. Diese kleinen Ausnahmen sind aber so eng gezogen, dass der Castellucci Entwurf nun wieder die autonomiefeindliche Wirkung des alten Paragraphen entfaltet - sogar in Teilen erweitert da die vorbereitende Hilfe nun unter Strafe steht.
(Zitate von Herrn Castellucci aus einem persönlichen Gespräch mit ihm aus Oktober 2022 finden sie hier

Der verfassungswidrige Paragraph 217 wurde damals maßgeblich von den Kirchen und ihren politischen Funktionären durchgedrückt. Meinem Dafürhalten nach verstößt überdies der Castellucci-Entwurf gegen das Verfassungsgebot des weltanschaulich neutralen Staates verstoßen, als auch explizit gegen das Urteil aus Karlsruhe, nach dem sich der Wille des Grundrechtsträgers einer Bewertung anhand religiöser Gebote entzieht.

Ich begrüße den Gesetzentwurf um Katrin Helling-Plahr (FDP), vor allem weil er nicht im Strafrecht angesiedelt ist - wenn auch ich die Einführung von Pflichtberatungen mit 'zwei Herzen' sehe - was zu einer bevormundung von Sterbewillige führen könnte, gesetzliche Wartefristen können sie in den gewaltsamen Suizid treiben, das ist das eine Herz - das andere Herz sagt mir wären da Türen und Wege die bislang noch nicht gesehen wurden? und noch nicht willendlich und selbstbegründet abgelehnt? Hilfen haben zwei und mehr Seiten und jeder hat das Recht um Hilfe zu bitten und andere diese nicht geben zu können, nicht annehmen zu wollen oder auch zu Geben bereit sind.
Unklar bei Frau Helling-Plahr's Entwurf ist mir jedoch nach wie vor die vorgesehene Ermächtigung des Bundesgesundheitsministeriums, „das Nähere zur Suizidhilfe“ zu regeln soll - sind dort ggf erneute Gefahren der Einschränkung von Grundrechten zu erwarten.

Hoffnungsvoll stimmt mich, dass Frau Katrin Helling-Plahr's Gruppe und der Gruppenantrag um Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) zusammen kommen wollen. (Hoffnung auf eine Mehrheit für einen würdevolleren Gesetzentwurf)

Sterbewillige aufzufordern Helfern zu erzählen, niederzuschreiben wieso ein Freitod der einzige würdige, menschliche und eigene Weg ist, dass dies keine Flucht aus dem Leben ist sondern etwas eigenes - oder wie meine Frau sagte "das Ende von täglicher Entwürdigung und Vergewaltigung der Würde" und meine Frau ihr Leben als "abgelebt" angesehen hat - ist notwendig für die Helfer und die Unterstützer bei diesem Schritt. 
Aber Sterbewillige zur Begründung oder Rechtfertigung zu zwingen, widerspricht dem liberalen, freigelebten und entfaltenden Geist des Urteils des Bundesverfassungsgerichts.

Das Urteil war und ist in meinen Augen ein echter Paradigmenwechsel:
Weg von der Gnade der Erlösung Schwerstkranker - Hin zum Grundrecht auf Autonomie für alle.

Dies ist für mich auch konkurrent zum Menschenbild des Grundgesetzes wie ich es verstehe, das auf Selbstbestimmung und Eigenverantwortung beruht



Comments

  1. Kommentare sind willkommen - ich lese diese und beantworte nach Möglichkeit aber publiziere keine Kommentare

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