Die CLW fordert, für die Niederlande, nach dem Vorbild des BVerfG mehr Selbstbestimmung am Lebensende

Die Coöperatie Laatste Wil forderte Sterbehilfe als Option für alle – auch bei Vollendung des Lebens

Am 2. Dezember 2025 bestätigte das Berufungsgericht in Den Haag, dass die bislang sehr strengen Regeln für Sterbehilfe und Freitodbegleitung in den Niederlanden nicht gelockert werden müssen. Was für die Regierung ein Erfolg ist, bedeutet für viele Menschen, die sich ein selbstbestimmtes Lebensende wünschen, eine Enttäuschung.
Allen voran für die Coöperatie Laatste Wil (CLW) – einen Verein, der dafür kämpft, dass jede erwachsene Person die Möglichkeit bekommt, über den eigenen Lebensabschluss zu entscheiden. Nicht nur im Fall schwerer Krankheit oder „unerträglichen Leidens“, wie das niederländische Gesetz heute verlangt. Sondern auch dann, wenn ein Mensch sein Leben als vollendet empfindet.

Ein Urteil, das Fragen offenlässt und menschen alleine lässt, wie ich meine

Die Klage des Coöperatie Laatste Wil (CLW) ging um Selbstbestimmung statt staatlicher Grenzziehung

Die CLW reichte bereits 2022 Klage gegen den niederländischen Staat ein. Ihr Anliegen war eindeutig:

  • Freitod und Freitodbegleitung sollen nicht ausschließlich Menschen offenstehen, die schwer erkrankt sind.

  • Auch Personen, die ihr Leben als vollendet betrachten, verdienen Zugang zu einer würdevollen, begleiteten Lebensbeendigung.

  • Der Staat solle anerkennen, dass Selbstbestimmung nicht am Lebensende endet.

In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2020 ein wegweisendes Urteil gefällt. Die CLW wollte in den Niederlanden eine ähnliche Anerkennung erreichen – doch das Urteil vom 2. Dezember 2025 machte diesen Schritt (vorerst) unmöglich.

Das Gericht wies die Klage ab

Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung vom 2. Dezember 2025 damit, dass der Staat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht habe, das Leben und besonders verletzliche Menschen zu schützen.

Es hielt fest, dass das bestehende Modell der ärztlich begleiteten Sterbehilfe – seit 2002 legal, aber streng reglementiert – weiterhin als „faire Abwägung“ zwischen Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Verantwortung gelte.

Das Gericht betonte, dass Freitodbegleitung ohne medizinische Grundlage hohe Risiken bergen könne, und bekannte sich zum bestehenden Schutzkonzept:

  • Ärztliche Beurteilung

  • Prüfung „unerträglichen Leidens“

  • Kontrolle durch einen zweiten unabhängigen Arzt

Für das Gericht bleibt dieser Rahmen eine „faire Abwägung“.


Stimmen aus der Debatte

Befürworter: „Es geht um Würde. Es geht um Freiheit.“

Viele Menschen, die sich für mehr Freitodbegleitung einsetzen, sprechen von Autonomie und Würde:

  • Die niederländische NVVE, eine große Organisation für ein freiwilliges Lebensende, zeigt sich enttäuscht. Sie weist darauf hin, dass heute Tausende Menschen, die ihr Leben als erfüllt ansehen, keine Möglichkeit haben, in Würde Abschied zu nehmen.

  • Vertreter*innen der CLW betonen, dass die Strenge des Gesetzes Menschen zwinge, länger zu leiden, als sie es möchten – nicht körperlich, sondern existenziell.

  • Ihre Botschaft: Ein selbstbestimmtes Leben schließt ein selbstbestimmtes Sterben ein.

Diese Position sieht den Menschen als moralisch fähiges Wesen, das reflektierte Entscheidungen treffen kann – gerade dann, wenn es um das eigene Lebensende geht.

Kritische Stimmen: „Die Gesellschaft muss schützen“

Gegner einer Öffnung warnen jedoch vor den Risiken:

  • Manche Politiker*innen und Ethiker*innen fürchten, dass vulnerable Menschen – etwa alte, einsame oder sozial belastete Personen – sich zu einer Lebensbeendigung gedrängt fühlen könnten.

  • Staatliche Stellen betonen, dass Wünsche nach einem Lebensende häufig ambivalent und wandelbar seien.

  • Für sie steht im Vordergrund: Schutz ist keine Bevormundung, sondern eine Pflicht der Gemeinschaft.

Diese Stimmen erinnern daran, dass gesellschaftliche Verantwortung nie dort endet, wo individuelle Freiheit beginnt – sondern dass beide in Balance stehen müssen.


Zwischen Freiheit und Verantwortung: Die Debatte bleibt offen

Was die niederländische Entwicklung zeigt, ist die enorme Spannung zwischen zwei Werten, die beide respektiert werden müssen:
individuelle Selbstbestimmung
und
kollektive Verantwortung.

Viele Länder ringen damit, diesen Konflikt menschenwürdig zu lösen.

Die Befürworter von mehr Freitodbegleitung fühlen sich dem Geist des deutschen Bundesverfassungsgerichts verbunden:
Der Mensch ist ein souveränes Wesen, das auch am Lebensende Respekt verdient – Respekt vor seiner Biografie, seinen Überzeugungen und seinem Willen.

Die Kritiker erinnern hingegen daran, dass nicht jeder Mensch in der Lage ist, frei zu entscheiden, frei von Druck, frei von Verzweiflung. Ein staatliches Schutzsystem ist daher nicht Feind der Freiheit, sondern ihr Rahmen.


Schlussgedanke: Ein leises Gleichgewicht

Freitod, Freitodbegleitung und Sterbehilfe berühren das Innerste menschlicher Existenz.
Niemand, so denke ich, wünscht sich Leichtigkeit in diesen Fragen – aber was ich mir wünsche ist Klarheit, Respekt und Menschlichkeit.

Die Entscheidung aus Den Haag ist ein Zwischenschritt, kein Ende. Die Diskussion geht weiter. Auch weil Menschen wie jene der Coöperatie Laatste Wil daran erinnern, dass Selbstbestimmung und Würde nicht am Ende des Lebens aufhören.

Gleichzeitig gilt – und dieser Hinweis bleibt wichtig, wenn auch leise formuliert:
Eine Gesellschaft trägt Verantwortung für ihre verletzlichsten vulnerablen Mitglieder.
Und ein Staat darf niemanden alleinlassen – weder im Leben noch im Sterben.

Beide und all diese Dinge sind gültig und wahr in meinen Augen und in meiner Wahrnehmung. Und zwischen ihnen wird sich die Zukunft der Sterbehilfe entscheiden.



Artikel in diesem Kontext finden sich über die nachfolgenden Tags oder auch in diesen Artikeln:

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 Die Zügel des Lebens in den Händen spüren und halten 

Würde im Leben – Würde im Sterben: Warum Selbstbestimmung bis zuletzt zählt



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