Urteil gegen Dr. Turowski - Haftstrafe

Das Berliner Landgericht hat in einem aufmerksamkeitserregenden Prozess am Montag den 8.April 2024  gegen den Arzt Dr. Christoph Turowski ein Urteil gefällt. Dr. Turowski wurde wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Richter Mark Sautter sagte, der Arzt habe "die Grenzen des Zulässigen überschritten". Das Urteil ist nicht rechtskräftig. 

Dr. Turowski wurde vom Gericht vorgeworfen, Isabell R. dazu gebracht zu haben, ein Instrument ihrer eigenen Tötung zu sein.

Der verurteilte Arzt und sein Anwalt, haben angekündigt, gegen das Urteil vorzugehen. Er hatte auf Freispruch plädiert, da die betroffene Frau 16 Jahre lang psychiatrisch behandelt worden war und aus diesem Grund nicht mehr leben wollte.

Vor der Urteilsverkündung hatte Turowski gehofft, dass das Prinzip "im Zweifel für den Angeklagten" zu seinen Gunsten angewandt werden würde. Er begründete dies damit, dass der psychiatrische Gutachter im Verfahren nicht definitiv ausschließen konnte, dass die Suizidfällige trotz ihrer Krankheit bei vollem Bewusstsein gehandelt haben könnte.

Isabell R., eine 37-jährige Studentin, starb am 12. Juli 2021. Mit Hilfe einer tödlichen Infusion, die sie in einem Hotel in Lichterfelde selbst verwendete, erfüllte sie ihren lang gehegten Wunsch zu sterben - hierzu eine Textpassage aus der Pressemeldung des Landgericht Berlin:"in einem angemieteten Hotelzimmer in Berlin-Lichterfelde eine Infusion mit einer tödlichen Dosis des Medikaments Thiopental Inresa gelegt. Die Geschädigte habe die Infusion durch Aufdrehen des Rädchens selbst in Gang gesetzt und sei binnen Minuten verstorben.". Sie litt unter schweren Depressionen und wurde durch den Arzt Christoph Turowski begleitet. (Randbemerkung exakt so wie meine Frau gestorben ist mit demselben Medikament, welches von Ärzten in Deutschland legal rezeptiert werden darf)
Dr. Turowski, der lange und oft für die Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) tätig war, betonte, er habe nie an Isabell R.s freien Willen gezweifelt, allerdings war sie nie Mitglied in der DGHS und wurde nicht von Psychologen und Juristen zu ihrem Sterbewunsch befragt und begutachtet. 
In dem Prozess hatten auch andere Hinterbliebene ausgesagt, deren schwerstkranke Familienmitglieder von dem Arzt, in anderen Fällen beim Freitod begleitet wurden. Diese anderen Hinterbliebene hatten nur Gutes von Christoph Turowski erzählt und von großer Dankbarkeit gesprochen.
Allerdings waren die Sterbewilligen von der DGHS vermittelt worden und sie waren wohl auch nicht psychisch krank.

Das Urteil war zu erwarten, wobei ich nie die Zuversicht verloren habe, dass es positiver für Dr. Turowski hätte ausgehen können.
Das Urteil entspricht dem Fall von Dr. Spittler und beide gehen bzw wollen gegen deren Urteile vorgehen.

Beide Prozesse und Urteil sind kein Rückschlag für die Sterbehilfe - eher eine klare Aussage, dass Sterbewillige und Helfer sich gewiss sein müssen was getan werden soll, muss und kann.
Auch für Sterbehilfefälle bei psychiatrischen Erkrankten sehe ich keinen Rückschlag, Dr. Turowski wusste, dass er das bewährte Vier-Augen-Prinzip welches bei der DGHS Anwendung findet, in dem Fall von Isabell R. außen vor gelassen hat.
Der Sachverhalt dieser beiden Ärzte und deren Verfahren und deren Urteile zeigt weniger die rechtlichen Grauzone auf, mehr sehe ich da Konflikt zwischen emphatischen Denken und Tun und dem was rechtliche Rahmenbedingungen nun einmal sind, in der diese und alle Ärzte, die Sterbehilfe leisten, tätig sind. 
Zum besseren Verständnis ich sehe keinen Rückschlag für die Sterbehilfe, aber wer der dies nun hochstilisiert, dieser eine Fall, ein Fall bei dem Dr.Turowski sich gewiss war eine Gratwanderung mit besten Absichten zu beschreiten, der schüttet Wasser auf die Mühlen der Kritiker, fördert einen restriktiven Gesetzentwurf bzw ggf kommendes Gesetzesregelung, wie durch Herrn Castellucci bereits entworfen wurde und gottlob letztes Jahr keine Mehrheit bekam.
Und ja wegen dieser Einschätzung es wäre ein Rückschlag für die Sterbehilfe, von Personen und sicherlich auch Ärzt*innen die nun nochmals weiter Abstand nehmen von Sterbehilfe.

All diese möglichen und geplanten Gesetzentwürfe, Regelungen und Richtlinien dürfen nicht darüber hinwegtäuschen , dass jede Regelung in der Sterbehilfe immer nur eine brüchige Hilfskonstruktion sein wird - Leben und Sterben, Leiden und Verlust von Würde und Lebensqualität ist individuell.

Die Tragik des Sterbens, für Sterbende, Angehörige und Helfer*innen, wird, wenn eine Mensch sein Leben beendet, dadurch nicht gemindert.


Schlussgedanke / Appell

Darum wer nun dieses Urteil, welches in Teilen so zu erwarten , wenn auch nicht zu erhoffen war, nun als Rückschlag für die Sterbehilfe hinstellt, fördert nur die Skeptiker, Gegner und Kritiker der Sterbehilfe. 

Betrachten und diskutieren Sie eher dieses Urteil objektiv und als Einzelfall, als menschliche Hilfe durch Dr. Turowski, die nun einmal eine gratwanderung war, und auch so einzuordnen - argumentieren Sie faktisch und nicht emotional. Zu Pessimismus ist kein Anlass ausser man macht es dazu.



Frühere Artikel in diesem Zusammenhang:

Gedanken zur Sterbehilfe und den beiden Verfahren - aus März 2024

Mehr zu ...

dem Verfahren gegen Dr. Turowski

zu dem Urteil gegen den Psychiater Johann Spittler 

zu dem was in der Sterbehilfe erlaubt ist

Comments

Popular posts from this blog

Sterbehilfe bei psychisch kranker Studentin - Berlin 2024

Sterbehilfe - Organisation, Hilfe finden, Kosten

Medikament - Freitod

Leid heißt nicht nur Schmerz - Gedanken zum Freitod

Wie werden in wenigen Tagen die Abgeordneten über die Sterbehilfe abstimmen?