Q&A - Wieso ich gegen die Gesetzentwürfe im Juli 2023 war

Aquarell von einem Paar am See, Herbststimmung. Mehr Bilder von mir auf https://www.instagram.com/holgermaassen/
Wieso ich gegen die Gesetzentwürfe im Juli 2023 war und bin?

Eigentlich finden sich hierzu sehr viele Artikel in meinem Blog, aber ich versuche es zusammenzufassen.

Ich habe damals die Abstimmung im Bundestag mit großem Interesse und großer Spannung verfolgt, da im Vorfeld nicht klar war, ob der meines Erachtens freiheitsfeindliche und verfassungswidrige Entwurf von Lars Castellucci und Kolleg*innen nicht doch eine parlamentarische Mehrheit findet.

Glücklicherweise ist das Abstimmungsergebnis, auch wenn mit 363 Nein-Stimmen gegenüber 304 Ja-Stimmen denkbar knapp ausgefallen sind, für die Freiheit und Selbstbestimmtheit gut ausgegangen.

Ich bin sehr erfreut darüber gewesen und bin es noch immer, dass der Erfolg und die Freiheit für das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, welches uns das Bundesverfassungsgericht nach den unsäglichen Jahren von 2015 bis 2020 zurückgegeben hat, nicht im Nachhinein rückgängig gemacht wurde und es nun nicht erneut notwendig sein wird, das Bundesverfassungsgericht in dieser Angelegenheit erneut anzurufen.

Dass jedoch mehr als 300 Bundestagsabgeordnete für ein vermutlich verfassungswidriges Gesetz gestimmt haben, stimmt mich aber in jedem Fall bedenklich. Ich sehe überaus deutlich, dass sich diese Abgeordneten, wie leider auch meine meisten bisherigen Kontakte zu Abgeordneten zeigten, am deutlichsten ist dies bei Herrn Lars Castellucci der Fall, dass sich diese Abgeordneten gar nicht, oder nur einseitig, oder mit religiösen Scheuklappen dem Thema befasst haben. Mir scheint, dass nicht wenige Abgeordneten dringend eine Fortbildung zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Politik benötigen.
Ein wenig Hoffnungsvoll ggf. auch zuversichtlich stimmt mich das Bestreben von Armin Grau und einem weiteren Gesetzentwurf


Aber nochmals zu den beiden Entwürfen vom Juli 2023. 

In beiden Entwürfen wird eine „ergebnisoffene Beratung“ beschrieben. Ob dies aus meiner Sicht richtig ist? Nun ja, meines Erachtens nicht - weil es wieder an der Wortwahl hängt - weil wer sich dauerhaft, wohl erwogen und freiverantwortlich zum Sterben intensivste Gedanken gemacht hat braucht in dieser Phase keine Beratung mehr sondern ein ergebnisoffene oder besser menschliches Gespräch.

Bei allen Suizidpräventionen / Bei allen Freitodbegleitungen, die ich gemacht habe, finden Vorgespräche statt, in denen Lebens-, Leidenssituation und Motivation und Alternativen zur Sprache zur Diskussion kamen und kommen.
Meine Frau, die Menschen die ich berate, die ich begleitet habe, haben sich das alles sehr lange und gründlich überlegt. da muss ich in aller Regel nur noch fragen, welche Alternativbeahndlungen, alternativen Weg und Optionen denn angedacht und durch dacht wurden, was die persönlichen Argumente dagegen sind, und warum sie nicht ein Hospiz oder Palliativversorgung in Anspruch nehmen wollen.
Zunächst zu dem restriktiven Castellucci-Entwurf ... Wieso ein Mensch, der sich schon alles gründlich überlegt hat, noch einmal rechtfertigen muss, und dies auch noch mehrfach, unter doppelten und dreifachen Zeitdruck und einem Mix von nochmaligen Wartefristen und Zeitlimits, wie es der restriktive Castellucci-Entwurf mit einem sogar zweimaligen Termin bei Psychiater*innen unter einem maximalen Zeitrahmen - ist mir klar seit dem ich mehrfach mit Herrn Castellucci gesprochen habe. Es ist von ihm und seinen Kolleg*innen aud verschiedensten Parteien gewollt abschreckend und erniedrigend!
Überdies sieht der Castellucci-Entwurf  vor, dass die Betreiber von Alters- und Pflegeheimen den Besitz, das Lesen, das Informieren über Sterbehilfe in deren Einrichtungen verbieten können und dass eine Missachtung des Informationsverbot strafrechtlich verfolgt werden kann.
Der Castellucci-Entwurf würde für alte, pflegebedürftige Menschen bedeuten, das ein selbstbestimmtes, freiverantwortliches und ein als persönlich definiertes würdiges Sterben nicht umsetzbar wäre.

Die Frage wäre bei dem Castellucci-Entwurf  - Wie sollen soll ein alter, pflegebedürftiger Mensch die vom Castellucci-Entwurf gefordeteren psychiatrischen Gutachten überhaupt bekommen? Diese alten Menschen müssten zwei Psychiater finden, die ins Pflegeheim fahren. das wäre nicht nur sehr teuer, und zum anderen finden sie diese Psychiater gar nicht. Und die Psychiater müssen on top die Erlaubnis vom Heim bekommen diese Gespräche zu führen und Informationen weiterzugeben.

Hier in Deutschland gibt es vereinzelt Heime, zwei Sterbebegleitungen habe ich in den letzten drei Jahren habe ich hier in meinem Raum betreut, und ein würdiges Sterben unterstützen können, aber es ist die Ausnahme. Wie gesagt ich selbst kenne nur zwei Heime, die dies in Einzelfällen geschehen ließen. Aber christlichen Heime sperren sich, bzw die Heimleitung wagt es nicht bei Vorinstanzen und Regionaler Leitung dies auch nur anzusprechen. Soviel zum Thema gelebter und wirklich umgesetzer Nächstenliebe und Toleranz.

Der zweite Gesetzentwurf kam aus der Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne). Ein wichtiger Punkt bei diesem Entwurf war es, dass es ohne Bedrohungsszenario, Strafrechtsverfolgung und Berufsverbot ausgekommen ist. Der Strafgesetzbuch-Entwurf von Lars Castellucci, Ansgar Heveling und weiteren Abgeordneten setze, siehe auch die Redebeiträge, insbesondere auf Strafe und Drohungen um die Freiheit zu ermöglichen - für mich ein Widerspruch und eine Denken aus Generationen vor uns oder aus religiösen Weltanschauungen. Der Entwurf von Katrin Helling-Plahr und Renate Künast ließ die Menschlichkeit und Selbstbestimmung erahnen, sah aber auch Hürden für einen selbstbestimmten, würdevollen Freitod vor. Der Entwurf sah vor, dass Sterbewilligen nach einer Beratung eine Verordnung / Zugang zu einem Medikamente erhalten könnten welches einem sanften, würdevollen Tod erlauben würde - aber gerade dieses Beratungskonzept war eher 'konstruiert' und 'wackelig' als solide durchdacht..



Artikel in diesen Zusammenhang:

Eine Neuauflage eines § 217 StGB ist a) nicht notwendig und b) in keinster Weise zielführend

Situation der Sterbehilfe - 4 Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Weitere Artikel zu Sterbehilfegesetz und Gesetzentwürfe

Konzept - Sprechen über Freitod und Sterbehilfe

Freiheit im Leben und Ableben



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