Q&A - Was stellen Sie sich vor, wenn es kein neues Gesetz, wie den §217 StGB geben soll?

Für mich steht die Freiverantwortlichkeit, Wohlerwogenheit, Dauerhaftigkeit getragen von einer persönlichen Würdedefinition im Zentrum von allem und für den Einzelnen und den Einzelfall, der stets geprüft werden muss, auf die aktuelle frei verantwortliche Entscheidung.

Was wir müssen ist rechtlich, menschlich und ethisch respektieren, dass jemand freiwillig aus dem Leben gehen möchte oder auch bis zu einem natürlichen Versterben warten möchte.

Eine gesetzlich geregelte Hilfe zur Sterbehilfe ist nicht notwendig.

Zwei Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe fanden Anfang Juli 2023 im Bundestag keine Mehrheit - weitere Gedanken dazu im letzten Abschnitt dieses Artikels.
Im Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil entschieden, dass das damalige Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe, des Paragrafen 217 StGB, verfassungswidrig sei. Jeder Mensch hat das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben. Das Recht, sich selbst zu töten, umfasse auch die Freiheit, sich dafür Hilfe bei Dritten zu holen, so die Verfassungsrichter.
Aus meiner Sicht und ist eine gesetzliche Regelung für das Verfahren und Prüfung der Sterbehilfe nicht nötig, da allem Missbrauch über die bestehenden Gesetze ein Rahmen gesetzt ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung am 26. Februar 2020 klare und eindeutige Regelungen hinsichtlich der Voraussetzungen für begleitete Sterbehilfe, der Beendigung des Lebens festgelegt. Eine neue gesetzliche Regelung würde die Voraussetzungen für die Sterbehilfe nicht deutlicher bestimmen können als dies bereits getan wurde. Es gibt daher keine "Grauzone", da es einen klaren Rahmen durch unsere Gesetze gibt - helfen würde Hilfen, Empfehlungen auf anderen Ebenen, Level und bei anderen Institutionen.

Handlungsbedarf auf anderen Ebenen, Level und bei anderen Institutionen ...

Den Handlungsbedarf den ich sehe habe in den letzten Monaten häufig erläutert,
dass ein wohlerwogener Freitod möglich ist.
Die bestehenden Gesetze sind eine recht gute, wenn ich nahezu vollkommene gute rechtliche Basis, wenn ...
  1. das Betäubungsmittelgesetz optimiert wird,
  2. Grundlage für Ärzt*innen geschaffen werden und von Ärztekammer un­miss­ver­ständ­lich Regelungen (siehe hierzu auch "Ärztliche Unterstützung bei Sterbehilfe").
    • Ich denke zum Beispiel an eine Ergänzung in der ärztlichen (Muster-)Berufsordnung wie, dass Sterbehilfe durch Ärzt*innen grundsätzlich zulässig ist, wenn die Entscheidung zu einem Freitod tatsächlich dem freien und wohlerwogenen Willen des Betroffenen entspricht. Sowie, dass die ärztliche Sterbehilfe, nach einer wohlabgewogener Gewissensentscheidung des Arztes / der Ärztin, eine freiverantwortliche ärztliche Entscheidung ist.
    • Ein Leitfaden / Empfehlungen zu den notwendige Prüfung der Freiverantwortlichkeit, Wohlerwogenheit, Dauerhaftigkeit und die zu beachtende Verfahren. Dieses sollte aus meiner Sicht nicht zu restriktiv sein, ein psychiatrisches Gutachten zum Beispiel sollte nicht der Regelfall sein, Ein typisches Beispiel wäre wenn der / die Sterbewillige seit vielen Jahren der / dem behandelnden Arzt*in bekannt ist. Das sollte der / die behandelnde Arzt / Ärzt*in entscheiden - zum Beispiel über ein Vier-Augen-Prinzip / Qualitätszirkel. 
      Zwar ist bereits heute jeder, der hilft, verpflichtet, die Freiverantwortlichkeit eines Freitodwunsches und dessen Entscheidung sorgfältig zu prüfen. Da sonst kann die Ärztin / der Arzt sie sich strafbar machen, Aber es gibt kein bei dieser Prüfung zu beachtendes Verfahren 
  3. Exekutive in Deutschland (Staatsanwaltschaft, Polizei und Kriminalpolizei) ebenso klare Regelungen und Fortbildungen erhalten (ich habe bislang nur wenige Beamte erlebt die über die aktuelle Rechtslage seit 2020 aufgeklärt sind - Polizeiliche Ermittlung im Fall eines Freitod
  4. Notwendig ist auch eine gute Schulung und Fortbildung für Rettungsdienste, Rettungskräfte, wie auch Pflegekräfte. Neben der allgemeinen Information was aktuell bei der Sterbehilfe erlaubt ist es notwendig zu informieren was bezüglich der Therapiebegrenzung erlaubt bzw. sogar geboten ist, wenn die Voraussetzungen für einen ärztlichen Heileingriff nicht mehr vorliegen (aktiv-direkte vs indirekter, passiver und assistierter Sterbehilfe). Für die leidmindernde Schmerztherapie dürfen Risiken im Licht des Lebensschutzes eingegangen werden; jedoch bedarf es auch hier einer Legitimation durch (mutmaßliche) Einwilligung. Herausforderungen bestehen bei der Ermittlung und Umsetzung des (mutmaßlichen) Patientenwillens in (suizidalen versus Freitod und freiverantwortlichen) Notfallsituationen. (Da ich im Raum Karlsruhe / Heidelberg selbst im Rettungsdienst tätig bin biete ich zur Sterbehilfe allen Kolleg*innen Vortrag und Diskussionen an)
  5.  ... alle anderen Fälle decken die bestehenden Gesetze und das bestehende Strafgesetzbuch ausreichend ab, wie auch der aktuelle rechtliche Status Quo die Urteile und die Freitode in dieser Zeit zeigen Zahlen und Fakten zur Sterbehilfe - Diagnosen und Gründe - Zahlen zur Sterbehilfe in Deutschland 2021 aufzeigen. Mitte letzten Jahres bin auf die Neuauflage eines § 217 StGB eingegangen und das solch ein Gesetz nicht notwendig und auch nicht zielführend wäre.

Was mir wichtig ist festzuhalten ...

  • Palliativmedizin und Freitodhilfe sind keine Gegensätze.
  • Nach nun 5 Jahren liegen keine Hinweise auf einen Dammbruch vor.
  • Die Zulässigkeit der Sterbehilfe folgt einer bewährten Rechtstradition seit 1871.
  • Sterbehilfe sollte von Experten und Ärzt*innen begleitet werden.
Nicht zu vergessen Beratungen zur Sterbehilfe und Sterbehilfe-Organisationen sind Partner bei der Suizidprävention.


Noch ein paar Worte zu den Beiden im Juli 2023 vorgelegten Gesetzentwürfen.

Ich habe damals die Abstimmung im Bundestag mit großer Spannung verfolgt, da im Vorfeld nicht klar war, ob der meines Erachtens freiheitsfeindliche und verfassungswidrige Entwurf von Lars Castellucci und Kolleg*innen nicht doch eine parlamentarische Mehrheit findet.
Glücklicherweise ist das Abstimmungsergebnis, auch wenn mit 363 Nein-Stimmen gegenüber 304 Ja-Stimmen denkbar knapp ausgefallen sind, für die Freiheit und Selbstbestimmtheit gut ausgegangen.
Ich bin sehr erfreut darüber gewesen und bin es noch immer, dass der Erfolg und die Freiheit für das Recht auf selbstbestimmtes Sterben nicht im Nachhinein rückgängig gemacht wurde und es nun nicht erneut notwendig sein wird, das Bundesverfassungsgericht in dieser Angelegenheit erneut anzurufen.

Dass jedoch mehr als 300 Bundestagsabgeordnete für ein vermutlich verfassungswidriges Gesetz gestimmt haben, stimmt mich aber in jedem Fall bedenklich.
Ich sehe überaus deutlich, dass sich diese Abgeordneten, wie leider auch meine meisten bisherigen Kontakte zu Abgeordneten zeigten, am deutlichsten ist dies bei Herrn Lars Castellucci der Fall, dass sich diese Abgeordneten gar nicht, oder nur einseitig, oder mit religiösen Scheuklappen dem Thema befasst haben. Mir scheint, dass nicht wenige Abgeordneten dringend eine Fortbildung zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Politik benötigen.


Schlussgedanke ...

Die Hilfe vor dem Sterben und beim Sterben ist und wird immer eine herausforderndes Thema sein und schwierige ethische Debatte bleibt.
Eine gesetzliche Regelung würde voraussichtlich keine wirkliche Verbesserung für Patienten, Angehörige und Ärzte schaffen - helfen würden Hilfen, Empfehlungen auf anderen Ebenen, Level und bei anderen Institutionen.


Mehr ... 

Dies ist der neunte Teil der Q&As und ich freue mich weiterhin über positiven aber auch konstruktiven Feedbacks und weitere Fragen.


Artikel in diesem Zusammenhang:


Neuauflage eines § 217 StGB - Nicht Notwendig - Nicht Zielführend

Informationen, Filme, Video, Audio und mehr zum Thema Sterbehilfe und würdigem Sterben


Hilfe und Guidelines für:






Comments

Popular posts from this blog

Sterbehilfe - Organisation, Hilfe finden, Kosten

Sterbehilfe bei psychisch kranker Studentin - Berlin 2024

Hilfe finden ...

Medikament - Freitod

Ein Brief - Brief einer Frau die in Würde gehen möchte