Freitod + Sterbehilfe vs Suizid + Prävention

Ich möchte, in diesem Artikel, ein angemessenes Bewusstsein für die Viel­schichtigkeit von Suizidalität und dem Wunsch nach einem Freitod schaffen - die Voraussetzungen freiverantwortlicher Sterbeentscheidungen prä­zisieren und die unterschiedlich gelagerten Verantwortungen verschiedener Beteiligter und Helfer bis hin zu Ärzten im Kontext von Freitodwünschen + Freitodentscheidungen und Suizid­gedanken + Suizidprävention aufzeigen.

In der Argumentation und in den parlamentarischen Debatten um ein Sterbehilfegesetz versucht eine fraktionsübergreifenden Gruppen­antrag um Dr. Lars Castellucci, Ansgar Heveling, Dr. Kirsten Kappert Gonther, Petra Pau, und weiteren ihren Gesetzentwurf als  eine Stärkung der Suizidprävention zu verkaufen - nach dem Slogan "Ermöglichen aber nicht fördern" - auch dieser Versuch scheitert auf allen Ebenen. Wie von Experten, Juristen und mir, mehrfach dargelegt, ist es dieser Gruppe nicht gelungen einen Gesetzentwurf der unserem Grundgesetz konform ist, noch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingeht, zu erarbeiten.


Suizidprävention 

Die Suizidprävention steht bislang noch zu wenig im Fokus - Wir müssen uns um diese Menschen kümmern, insbesondere mit regionalen Angeboten. Das gehört zu den wesentlichen suizidpräventiven Aufgaben - meiner Ansicht nach brauchen wir eine Enttabuisierung und Entstigmatisierung von Suizidgedanken - einhergehend mit mehr Information und Aufklärung. Begleitet mit einer gesellschaftlichen offenen Art und Weise über Leben, Sterben und Tod sprechen zu können und die persönlichen Sichtweisen, unabhängig von Glaubensparadigmen und Glaubensvorschriften. Freiheit für die Menschen und die individuelle Würde.

Ich könnte mir sehr gut vorstellen ein bundesweiter Suizidpräventionsdienst mit regionalen und individuellen Angeboten, der Menschen mit Suizidgedanken und Angehörigen, rund um die Uhr online, und stets erreichbar, sofortigen Kontakt mit geschultem Ansprechpartner*innen ermöglicht.

Wenn es um Suizidprävention geht besteht ein zentrales Problem und Missverständnis - und auch hier muss ich wieder auf den fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf und Redebeiträge um Dr. Lars Castellucci, Ansgar Heveling, Dr. Kirsten Kappert Gonther, Petra Pau, und weiteren Debattenbeiträge (Kommentar und Zusammenfassung hier) zurückkommen mich erinnern und diese Politiker fragen welchen Mythen diese Leute hinterherlaufen.

Psychische Störungen erhöhen das Risiko eines Suizides erheblich, aber Studien, Analysen und open-minded Betrachtungen der Zahlen zeigen sehr deutlich auf, dass psychische Erkrankungen und Störungen nur ein Faktor unter vielen Faktoren sind, die zu Suizid führen. Lebenssituationen und Menschen wie ...

  • Schwere körperliche oder neurologische Erkrankungen
  • Andere 'Seltene Krankheiten'
  • Beziehungsprobleme
  • Substanzmissbrauch
  • Akute Krisen im Beruf, mit Finanzen und anderen Herausforderungen des Lebens
  • Vulnerable Gruppen die empfindlich und verletzlich sind, wie Junge Menschen (z.B. Schüler*innen), alte Menschen oder Wohnungslose

 ... wie jeder sehen kann eine stattliche Liste ohne psychiatrischen Hintergrund. Suizidale Gedanken weisen auf tiefe. und intensive mentale Herausforderungen hin, aber nicht notwendigerweise auf eine psychische Erkrankung. Viele Menschen mit einer psychischen Erkrankung haben kein suizidales Gedanken und nicht alle Menschen, die sich ihr Leben nehmen, haben eine psychische Erkrankung. 

Dieses Wissen und Erkenntnisse sollten erhebliche Konsequenzen für die angebotene, indizierte Suizidprävention haben - Suizidprävention nur auf die Diagnostik und Behandlung psychiatrischer Erkrankungen herunterzukochen greift einfach zu kurz - sprich einige Politiker machen sich die Welt zu einfach - oder in anderen Worten, eine daran geknüpfte Konzentration von Ressourcen auf diese Maßnahmen gefährdet unter Umständen oder gar vermutlich die Verbesserung und Erweiterung suizidpräventiver Bemühungen auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen.


Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben

Das „Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben“ ist, nach ethischen Maßstäben und wie das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich und nachvollziehbar dargelegte und begründete, der Ausdruck persönlicher Autonomie des Sterbewilligen. Es schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.

Die geht auch konform und entspricht dem Hippokratischer Eid und dem Genfer Gelöbnis. bei dem Ärzt*innen bei der Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand geloben deren Wissen und Tätigkeit in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen, sowie mit Gewissenhaftigkeit und Würde auszuüben. 

Suizidgedanken müssen im Rahmen eines guten Arzt-Patienten-Verhältnisses ein vertrauensvolle Basis und Rahmen bekommen und Sterbewünsche auf einen Freitod Thema eines ergebnisoffenen Gesprächs bekommen. Denn zu den ärztlichen Aufgaben zählen in jedem Fall, zum einen die suizidpräventive Betreuung und Versorgung. Und zum anderen muss es eine unvoreingenommene Ermittlung und Betrachtung des Freitodwunsches geben. 


Wir brauchen ...

Wir brauchen für die Zukunft eine gute Regelung, die sich meines Erachtens sehr nahe am Status Quo, nämlich dass jeder zu jedem Arzt gehen kann um Unterstützung zu bitten, im besten Fall sollte es die Ärztin oder der Arzt sein können, zu dem der / die Patientin schon ein langes und gutes Verhältnis hat und dessen Krankengeschichte bzw. Lebensgeschichte bekannt ist und somit ein Gespräch über die Motivation und Darlegung der selbstbestimmten Verständnis von Würde und dem Weiter leben oder Beendigung von Leid wenige Worte und Erläuterung benötigt - - mir ist verständlich, dass Helfer auf allen Ebenen eine gesetzliche Regelung wünschen und fordern - aber dann sollte eine solche gesetzliche Regelung nicht mehr Hürden aufbauen für Menschen die eh schon leiden und kämpfen müssen - die Freiverantwortlichkeit und freie Zugänglichkeit zu einem Freitod müssen wir für Leidende ermögliche können und  zugleich aber auch die Suizidprävention stärkt. 


Zu beachten und zu betonen

Ich möchte betonen, dass Staat und Gesellschaft nicht das Recht haben, Menschen gegen ihren Willen an der Verwirklichung freiverantwortlich getroffener Freitodwünschen und -entscheidungen zu hindern

Aber mir ist ebenso wichtig, dass der Res­pekt vor freiverantwortlich getroffenen Freitoden nicht bedeuten darf, dass uns Suizide egal sein dürfen - und wir als Individuen (darum bin ich Mental Health First Aider geworden und bilde mich fortlaufend weiter) oder unsere Institutionen und schon gar nicht wir als  gesellschaftliche Gemeinschaft diesen Menschen nicht helfende Hände reichen und Präventionen bieten.

Ich finde es wichtig zu beachten , dass Freitode und Suizide nie nur die jeweilige Person betreffen, sondern auch ihr Umfeld und uns als Gesellschaft - aber auch immer beachten, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und diese achten und zu schützen ist. 


Mein Schlusssätze ...

Zum einen ist es der selbe, den der  Präsidenten des BVerfGerichts in seiner einführenden Erklärung zur Urteilsverkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020 sagte, ...

“... Wir mögen den Entschluss  ..." eines Sterbewilligen " ... bedauern, wir dürfen alles versuchen, ihn umzustimmen, wir müssen seine Entscheidung aber in letzter Konsequenz akzeptieren …”

und zum anderen, dass ich denke und davon überzeugt bin, dass Keiner von außen zu sagen hat: Du willst sterben? Ich weiß es besser, das gehört zum Leben, das muss und kann man aushalten, du kannst doch deine Angehörigen doch nicht weh tun, geb den anderen doch noch Zeit mit dir, und und und. Das ist eine Intervention, ein Eingreifen, in das persönlichste was jeder hat, in das Innerste, die Autonomie eines Menschen und damit greift es in die menschliche Würde ein - nötigt den Menschen oder wieder ein Wort meiner Frau zu nutzten 'es fühlt sich wie Gewalt an, Gewalt gegen meine Persönlichkeit, Würde und Selbstverständnis!'.


Mehr zum Thema ...

Gruppen­antrag um Dr. Lars Castellucci, Ansgar Heveling, Dr. Kirsten Kappert Gonther, Petra Pau, Stephan Pilsinger, Benjamin Strasser, Kathrin Vogler, Katrin Göring-Eckardt, Hermann Gröhe, Hubertus Heil (Peine), Mechthild Heil, Julia Klöckner, Michelle Müntefering, Dr. Rolf Mützenich, und Cem Özdemir,  Claudia Roth (Augsburg), Jens Spahn und weiterer Abgeordneten der wider dem Grundgesetz und wider dem Bundesverfassungsgericht ist


Gedanken zu drei Gruppenanträgen von Katrin Helling-Plahr, Renate Künast und Lars Castellucci


Hoffnung auf eine Mehrheit für einen würdevolleren Gesetzentwurf?


Suizid & Freitod - Unterschiedliche Worte, Anlässe und Unterschiedliche Bedeutungen



Und wenn man Hilfe sucht - und wie jede/r präventiv helfen kann ...

Suizidgedanken -Was sollte man tun, wenn jemand anderes Suizidgedanken äußert?





Comments

  1. Kommentare werde ich lesen und wenn möglich beantworten. Publizieren werde ich keine Kommentare.

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