Politische Debatten zur Sterbehilfe: Gesetzentwürfe, Unterstützer und Gegner
Vieles hat sich bewegt – doch die zentrale Frage bleibt offen: Wie soll ein verlässlicher Rahmen aussehen, der Betroffenen, Ärzt*innen und Angehörigen echte Rechtssicherheit bietet?
Während das Bundesverfassungsgericht das Recht auf selbstbestimmtes Sterben gestärkt hat, fehlt es an Regelung zur Umsetzung.
Die politischen Positionen gehen weit auseinander, und die gescheiterten Gesetzentwürfe von 2023 wirken bis heute nach.
In 2025 lohnt sich daher ein genauer Blick auf die Haltungen der Parteien: Wer setzt auf mehr Selbstbestimmung, wer auf Restriktion, und wer sucht nach einem Kompromiss?
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Aktive Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) ist in Deutschland weiterhin verboten und im Strafgesetzbuch als „Totschlag auf Verlangen“ geregelt (Strafbarkeit bleibt bestehen).
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Assistierter Sterbehilfe (Hilfe zur Selbsttötung durch Bereitstellen eines Mittels) ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr generell strafbar, aber es fehlt in Teilen eine Regelung und Handlungsempfehlungen, wodurch Rechtssicherheit für Betroffene, Ärzt*innen und Helfer fehlt. (Link in diesem Kontext: Was stelle ich mir vor, wenn es kein neues Gesetz, wie den §217 StGB geben soll?)
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Bisherige gesetzgeberische Versuche im Bundestag (2023) scheiterten ohne Mehrheit.
Mehr zur Sterbehilfe in Deutschland - Erläutert in 3 bis 4 Minuten (Lesezeit)
Haltung einzelner Parteien zur Sterbehilfe / assistierten Sterbehilfe (Stand 2025)
CDU / CSU (Union)
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Position: Betonung des Schutzes des Lebens, Ausbau von Palliativ- und Hospizversorgung; ablehnende Haltung zur aktiven Sterbehilfe.
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In Wahlprogrammanalysen wird die Union zitiert mit dem Ziel, ein wirksames Suizidpräventionsgesetz zu schaffen, aber keine Liberalisierung der Sterbehilfe.
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Aktuelle Gesetzesinitiativen: Keine eigene parteiübergreifende Mehrheit für ein liberales Sterbehilfe‑Gesetz; einzelne Unionspolitiker hatten 2023 eher restriktive Entwürfe unterstützt.
Politiker/Unterstützer (Beispiele):
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Konservative Stimmen innerhalb der CDU/CSU setzen traditionell auf Lebensschutz, Palliativangebote und Suizidprävention.
SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands)
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Position: In Wahlprüfsteinen ist eine konkrete Aussage fehlen bzw. nicht explizit im Wahlprogramm formuliert worden.
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Inhaltlich steht die SPD tendenziell einem Rechtsrahmen zur Sterbehilfe offen gegenüber, jedoch mit einem starken Fokus auf Schutzkonzepten und Vorsorge, wie in den Debatten um 2023‑Entwürfe zu sehen war.
Politiker/Unterstützer (Beispiele):
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Lars Castellucci (SPD) war maßgeblich an einem 2023‑Gesetzentwurf beteiligt, der die Sterbehilfe stark reglementieren oder eher eliminieren will - diese nach wie vor eher als geschäftsmäßig einordnet, aber nicht dem BVerfG folgen wollte und damit nicht liberalisieren wollte (z. B. mit real nicht umsetzbaren psychiatrischen Begutachtungen und Beratungspflichten).
Bündnis 90/Die Grünen
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Position: Setzen sich für ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein und wollten eine gesetzliche Regelung schaffen, die assistiertes Sterben ermöglicht und regelt.
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Die Grünen arbeiten stärker mit liberalen Entwürfen zusammen (etwa gemeinsam mit FDP/Linke/Teilen der SPD).
Politiker/Unterstützer (Beispiele):
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Renate Künast und Kirsten Kappert‑Gonther trugen 2023 zu liberaleren Entwürfen bei.
Prof. Dr. Armin Grau (Grüne) und Lukas Benner (Grüne) waren 2025 in einer Abgeordnetengruppe aktiv, die erneut an einem mehrheitsfähigen Gesetz arbeiten will.
Siehe mein Bericht aus dem letzten Monat - Ein neuer Anlauf für ein Gesetz – und die unbequemen Fragen, die bleiben
FDP (Freie Demokratische Partei)
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Position: Steht klar für ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, inklusive der Möglichkeit, Sterbehilfe rechtssicher in Anspruch zu nehmen, und für Rahmenbedingungen für assistierte Sterbehilfe.
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Die FDP betont ebenfalls den Ausbau der Suizidprävention.
Politiker/Unterstützer (Beispiele):
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Katrin Helling‑Plahr (FDP) war federführend für liberale Gesetzentwürfe bei der Neuregelung der Sterbehilfe und hofft auf einen erneuten Anlauf in der aktuellen Legislatur.
Die Linke
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Position: Parteiprogramme haben im Wahlkampf 2025 kaum klare Formulierungen zur Sterbehilfe die ich finden konnte.
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Historisch setzen sich Teile der Linken für weitreichende Selbstbestimmungsrechte ein, aber eine klare aktuelle Position ist weniger prominent formuliert.
Politiker/Unterstützer (Beispiele):
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Petra Sitte (Linke) wirkte 2023 an den liberaleren Entwürfen mit.
AfD (Alternative für Deutschland)
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Position: Ablehnung von „Tötung auf Verlangen“ und striktes Ablehnen eines „Rechtsanspruchs“ auf Sterbehilfe; Fokus auf Palliativversorgung statt Liberalisierung.
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AfD beteiligte sich an keiner einzigen Gesetzesinitiative und hat im Bundestag 2023 geschlossen gegen beide Gesetzentwürfe gestimmt.
Wesentliche Gesetzesentwürfe & –debattierungen
2023 Bundestag – Zwei Gesetzentwürfe (abgelehnt)
Entwurf um Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling (CDU/CSU) u.a.:
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Ziel: Regulierung der Hilfe zur Selbsttötung über das Strafrecht mit kaum bewältigbaren Hürden und Ausnahmen - und eine Beschränkung der Informationsfreiheit.
Entwurf um Katrin Helling‑Plahr (FDP), Renate Künast (Grüne), Dr. Petra Sitte (Linke) u.a.:
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Ziel: Recht auf Hilfe zur Selbsttötung festschreiben, mit Beratungspflichten und sicherem Zugang zu Mitteln für die Selbsttötung.
Beide Entwürfe fanden im Juli 2023 keine Mehrheit im Bundestag und wurden abgelehnt.
Die AfD stimmte geschlossen gegen beide Entwürfe. Es lohnt sich in die Redebeiträge der Abgeordneten zu hören auch wenn diese aus 2023 sind.
2025 und laufende Aktivitäten
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Nach 2023 versuchen Abgeordnete, mehrheitsfähige Kompromisse zu entwickeln, etwa eine neue Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus FDP, Grünen und SPD, die an einer ausgewogenen Reform arbeiten.
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Rechtsunsicherheit für Betroffene bleibt bestehen, und es gibt politische Debatten darüber, wie Sterbehilfe rechtsstaatlich und ethisch abgesichert werden kann.
Mein Fazit
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Eine klare, bundeseinheitliche gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe bzw. assistierten Sterbehilfe in Deutschland existiert weiterhin nicht, da relevante Gesetzentwürfe 2023 scheiterten.
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CDU/CSU und AfD lehnen Liberalisierungen deutlich ab, setzen eher auf Suizidprävention und Palliativangebote und übersehen die menschliche Sterbehilfe beflissentlich.
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FDP und Grüne befürworten ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben und arbeiten an gesetzlichen Rahmenbedingungen.
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SPD ist intern gespalten, beteiligt an Entwürfen mit Schutz‑ und Regelkonzepten, aber ohne einheitliche Parteiformulierung im Wahlprogramm.
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Die Linke zeigt generelle Nähe zu liberaleren Positionen, aber mit weniger klarer aktueller Programmatik.
Zusammenfassung der Positionen – kompakt
| Partei | Aktive Sterbehilfe | Assistierter FTB | Gesetzliche Regelung (2023/2025) | |
|---|---|---|---|---|
| CDU/CSU | ❌ Ablehnung | Vorsichtig / restriktiv | keine liberale Regelung | |
| SPD | " – " | Offen, mit Schutzkonzepten | beteiligt an Entwürfen | |
| Grüne | " – " | Für selbstbestimmtes Sterben | liberaler Ansatz | |
| FDP | ❌ Ablehnung aktiver | Recht auf Selbstbestimmung | Kerngedanke für neues Gesetz | |
| Linke |
| eher liberal, aber unklar | beteiligt 2023 | |
| AfD | ❌ Ablehnung | ❌ Ablehnung liberal | keine Beteiligung an Reform |
( “-“ = keine klare Parteilinie in Programmen 2025, aber Aussagen einzelner Akteure vorhanden )
( FTB = Freitodbegleitung)
Schlussgedanke
Noch ist unklar, ob der neue Gesetzesentwurf, den ich oben nannte (siehe Bericht dazu) den schwierigen Spagat zwischen Freiheit, Schutz und gesellschaftlicher Pflicht meistert.
Sicher ist hingegen: Die Diskussion bleibt notwendig.
Denn die Frage nach dem selbstbestimmten Sterben ist weit mehr als ein Paragraph – sie betrifft das menschliche Leben in seiner verletzlichsten Dimension.
Verlinkte Artikel in diesem Kontext:
Die letzte Entscheidung: Was Menschen zur Sterbehilfe bewegt
Sterbebegleitungen in Deutschland – Zahlen, Fakten und Vereine

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