Ärztliche Unterstützung bei Sterbehilfe

In der Diskussion über die Sterbehilfe spielen moralische Fragen eine große, wenn nicht einer der Wichtigsten - da sich sowohl die ausführende bzw. involvierte Person (allen voran der Patient und Sterbewillige) als auch der mit der Sache vertraute Arzt oder weitere Dritte Helfer in einem möglichen Gewissenskonflikt befindet oder werden.

In meinem Verständnis kann es überhaupt nur eine ärztliche Aufgabe sein, beim Beenden des Leben zu helfen - da dort der höchste Sachverstand ist - aber der Verstand des Sterben-Wollen liegt nun mal bei dem Lebenden der Sterben will.

  • Wie erreicht man das größtmögliche Wohl des Patienten, welches im Vordergrund einer jeden Behandlung stehen muß?
  • Welche Handlungen kann man von einem Arzt abverlangen und dann auch erbitten?
  • Kann man von einem Arzt erwarten, dass er seinen Patienten durch die eigene Handlung, mithin aktiv, tötet? Wenn der Patient aktiv es nicht mehr tun kann.

Es sollten die sicheren Rahmenbedingungen und -umstände sowie Rechtssicherheit geschaffen werden, dass der Arzt seinem Patienten das zum Tod führenden Medikament zur Verfügung stellt und die Einnahme überwacht und / oder begleitet. Aber selbst wenn dies alles gegeben ist wird es schwer genug sein - dass ein Arzt dieses Vorgehen mit seinem Gewissen vereinbaren kann, sicher weiß dass dies der unwiderrufliche Wunsch war und dass es keinen anderen mehr geben konnte. Und selbst dann werden einem Menschen, den Helfern und dem Arzt eventuell seine Zweifel zerbrechen können. Dies sollte jedem klar sein der einen Anderen um Hilfe bittet, einen Arzt um eine Bescheinigung, einen Psychiater um ein Gutachten, einen Apotheker um das Medikament.

Aber ich sehe es nicht nur und ausschließlich als die privilegierte ärztliche Aufgabe, Leben auf die Welt zu helfen, zu bewahren aber auch im Schlimmsten auch am Ende zu einem würdigen Ende zu helfen.


Wie könnte die ärztliche Unterstützung bei Sterbehilfe geregelt sein.

Im folgenden mache ich mir Gedanken zum ...

  1. Status quo
  2. Formen der Sterbehilfe
  3. Regelungsbedürfnisse und die aktuellen Probleme
  4. Regelungsbedarf und einem sicheren Rechtsrahmen
  5. Zitate und wichtige Passagen des BVerfG 
  6. Berufsrechtliche Hürden und Problematik für Ärzte
  7. Anpassungen des Betäubungsmittelrechts / Arzneimittelrecht
  8. Gesetzentwürfe der letzten Monate



1. Status quo

  • § 217 StGB: „Die Vorschrift ist mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig“ (BverfG, Urt. v. 26.2.2020)

  • Suizid, Sterbehilfe und Beihilfe zum Sterben ist straflos
  • § 216 StGB stellt die Tötung auf Verlangen unter Strafe (aktive Sterbehilfe)
  • Sterbehilfevereinigungen sind ohne weitere Voraussetzungen zulässig
  • Unterschiedliche Vorgaben des ärztlichen Berufsrechts

2. Formen der Sterbehilfe

  • Aktive Sterbehilfe - Als aktive Sterbehilfe bezeichnet man die Tötung eines anderen Menschen auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin.
  • Assistierte Sterbehilfe - Die Beihilfe zur Selbsttötung, auch assistierte Selbsttötung betitelt, oder auch Suizidbeihilfe und assistierter Suizid genannt, ist das Beschaffen und/oder Bereitstellen der Mittel für einen Sterbewilligen.
  • Indirekte Sterbehilfe - Die indirekte Sterbehilfe wiederum bezeichnet einen Fall, in dem Medikamente verabreicht werden, die zur Linderung von Leiden führen sollen wie Schmerzen oder Angst, aber gleichzeitig einen vorzeitigen Tod bewirken können. Ein Beispiel für diese Form ist die Verabreichung von Opium, welche in früheren Jahrhunderten durchgeführt wurde.
  • Passive Sterbehilfe - Die passive Sterbehilfe ist das Unterlassen oder Einstellen lebenserhaltender Maßnahmen im Falle einer Krankheit oder nach einem Unfall.


3. Regelungsbedürfnisse und die aktuellen Probleme

  • Kein Zugang zur ärztlich unterstütztem / begleiteten Sterbehilfe - dies verweist oder läßt viele Betroffene in dem Verständnis, dass diese den Weg über das Ausland, die Schweiz.suchen müssen (der nicht mehr nötig ist) oder auch, dann leider all zu oft, einen „Brutalsuizid“ wählen.
  • Überwiegend ungeschriebenes Recht - was Ärzte, Pharmazeuten und Laien im Ungewissen lässt
  • Tätigkeit von Sterbehilfevereinigungen ist vage (diese tun ihr Bestes - aber definieren dieses 'Beste' selber - viele Betroffene scheitern an den Forderungen der Vereine oder können diese geforderten Schritte, Dokumente, etc. nicht verstehen oder die Wartezeiten) 
  • Die Wahrung und Sicherung der Selbstbestimmung mangelt es an verfahrensrechtliche Absicherung 
  • Uneinheitliches Berufsrecht in den verschiedenen Bundesländern in Deutschland
  • Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten


4. Regelungsbedarf und einem sicheren Rechtsrahmen

  • Wie oben schon genannt, es geht sich um Rechtssicherheit und Schutzauftrag des Staates und dem Bedarf und sagen wir ruhig Streit um eine Regelung
  • Bundeseinheitliche Regeln und keine unterschiedlichen Regelungen oder marginal Anpassungen der Bundesländer und Landesärztekammern
  • Es geht sich um den Schutz und Wahrung der Selbstbestimmung und des Recht auf Leben und dem Recht auf Sterben durch verfahrensrechtliche Absicherungen
  • Ermöglichung der ärztlich unterstützten / begleiteten Sterbehilfe
  • Regulierung von im Rechtssinne geschäftsmäßig handelnden Personen oder Vereinigungen
  • Absicherung aller Beteiligten durch gesetzliche Vorgaben
  • Konsistente Ausgestaltung des Rechtsrahmen auf selbstbestimmtes Sterben wie vom BVerfG angemahnt


5. Zitate und wichtige Passagen des BVerfG 

aus dem Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 welche ich hier explizit herausstellen möchte.

Zur Unabhängigkeit von Krankheits- oder Leidenszuständen

„Das [...] Verfügungsrecht über das eigene Leben ist insbesondere nicht auf schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt. […] Die Verwurzelung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben in der Menschenwürdegarantie [...] impliziert gerade, dass die eigenverantwortliche Entscheidung über das eigene Lebensende keiner weiteren Begründung oder Rechtfertigung bedarf.“


Möglichkeit der Inanspruchnahme von hilfsbereiten Dritten

„Das von […] Recht, sich selbst zu töten, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.“ 

„Ist die Wahrnehmung eines Grundrechts von der Einbeziehung dritter Personen abhängig und hängt die freie Persönlichkeitsentfaltung in dieser Weise an der Mitwirkung eines anderen, schützt das Grundrecht auch davor, dass es nicht durch ein Verbot gegenüber Dritten, im Rahmen ihrer Freiheit Unterstützung anzubieten, beschränkt wird.“


Gewährleistung eines „faktisch hinreichenden Raumes zur Entfaltung und Umsetzung“

„Dem Einzelnen muss die Freiheit verbleiben, auf die Erhaltung des Lebens zielende Angebote auszuschlagen und eine seinem Verständnis von der Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz entspringende Entscheidung, das eigene Leben mit Hilfe bereitstehender Dritter zu beenden, umzusetzen. [...] Angesichts der existentiellen Bedeutung, die der Freiheit zur Selbsttötung für die selbstbestimmte Wahrung der Persönlichkeit zukommen kann, muss die Möglichkeit hierzu bei realitätsgerechter Betrachtung immer gewährleistet sein.“


Schutzauftrag des Staates zielt auf die Sicherung der Selbstbestimmung

„Die verfassungsrechtliche Anerkennung des Einzelnen als zur Selbstbestimmung befähigten Menschen verlangt eine strikte Beschränkung staatlicher Intervention auf den Schutz der Selbstbestimmung, der durch Elemente der medizinischen und pharmakologischen Qualitätssicherung und des Missbrauchsschutzes ergänzt werden kann.“


Ärztliche Gewissensfreiheit und Bereitschaft zu Helfen

„Die mangelnde individuelle ärztliche Bereitschaft zur Suizidhilfe hat der Einzelne als durch die Gewissensfreiheit seines Gegenübers geschützte Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen. Aus dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben leitet sich kein Anspruch gegenüber Dritten darauf ab, bei einem Selbsttötungsvorhaben unterstützt zu werden.“


6. Berufsrechtliche Hürden und Problematik für Ärzte

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe stellt einen wesentliche Voraussetzung zur tatsächlichen Realisierung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben dar

Eine generelle berufsrechtliches Öffnung und Basis der Beihilfe bei dem Freitod ist verfassungsrechtlich, meines Erachtens, gefragt. Ich denke da an Kompetenzfrage  und hinreichenden Raum und Flexibilität für die Realisierung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben?

Mir geht es um eine klare sichere Basis für die ärztliche Gewissensfreiheit mit verfahrensrechtliche und auch berufsrechtlichen Absicherungen ohne diese wird es 

Die ärztliche Unterstützung der Sterbehilfe bedarf einer umfassenden und konsistenten gesetzlichen Ausgestaltung

  • Sicherung der Selbstbestimmung
  • Ausschluss einer Motivkontrolle
  • Hinreichender Raum zur Entfaltung und Gewissensfreiheit für Ärzte


7. Anpassungen des Betäubungsmittelrechts / Arzneimittelrecht

Mit der Einführung der Möglichkeit der Verschreibung, Verabreichung und Abgabe eines Betäubungsmittels für den ärztlich assistierten Suizid gäbe es zwei Wege für Sterbewillige, an ein Betäubungsmittel zu gelangen:
  1. Ärztliche Verschreibung
  2. Erlaubniserteilung durch das BfArM
Und dadurch Sicherstellung der Möglichkeit der Inanspruchnahme des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben.



8. Gesetzentwürfe der letzten Monate:

Regelungen zur Sterbehilfe - Gesetzesentwürfe verschiedener Parteien Sept.2021 

Sterbehilfe - Gesetzesentwürfe verschiedener Parteien    Jan.2022



Artikel die in diesem Context von Interesse sein könnten:

Gedanken zur Sterbehilfe

Sterbehilfe Kritiker und Gegner

Comments

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